Das Problem wird ja mit der Zeit und den Erfahrungen ja nicht besser, sondern schlimmer. Irgendwas an Erinnerungen, Erfahrungen und Schlussfolgerungen nehme ich ja auf den weiteren Lebensweg mit. Wenn ich so an meine Jugend zurück denke, dann war ich dort eigentlich völlig unvoreingenommen gegenüber Menschen.
Diesen Verlauf halte ich für "hochfunktionale" erwachsene Autisten für recht typisch. Ich schrieb schon anderswo, dass meiner Vermutung nach etliche irgendwann eine Art Sozialphobie als "Folgestörung" entwickelt, aufgrund von negativen Erfahrungen, obwohl sie ursprünglich gar nicht schüchtern waren oder Angst vor Menschen hatten.
Heute bearbeite ich viel vor/während/nach einem Kontakt kognitiv. Das kann ein Vorteil sein, weil ich ja früher auch viel ausgenutzt und gemobbt wurde, dies teilweise gar nicht mitbekommen habe und mich dem frühzeitig jetzt entziehen kann. Auf der anderen Seite (RW) ist dieses Nachdenken auch nicht gut, da ich mir ja sowieso keine 100%ige Definition des Kontaktes erarbeiten kann. Es ist da immer ein Spiel mit Wahrscheinlichkeiten. (RW)
Ja, das ist ein echtes Dilemma. Einerseits kann das viele Nachdenken und Analysieren sozialer Kontakte ein zusätzliches Hemmnis bedeuten und einem Offenheit, Selbstbewusstsein und "Leichtigkeit" nehmen. Andererseits ist es aber auch notwendig, um als erwachsener autistischer Mensch nicht immer wieder ausgenutzt zu werden oder "hereinzufallen", um überhaupt einigermaßen "erwachsen" agieren zu können. Dazu kommt, wie in einem anderen Thread mal besprochen wurde, dass sich bei vielen nichtautistischen Menschen aus informellen Situationen oft "von selbst" intensivere Kontakte und weitere Möglichkeiten ergeben. Das ist bei Autisten oft nicht der Fall, ohne bewusste Analyse geht es an vielen Stellen nicht weiter.
Und gerade wenn dann die Erfahrung aus den vorangehendem gescheiterten Sozialisationen dazukommen, dann bewerte ich die Situation doch meist negativ/vorsichtig. Was es dann auch schwer macht Kontakte aufzubauen. Ich will nicht misstrauisch gegenüber jedem der mir begegnet sein, aber langsam setzt doch die Resignation ein.
Auch das ist vielleicht oft unvermeidlich. Brit Wilczek schreibt auch dazu, zu dem Problem, dass die Angst vor negativen Erfahrungen, Ablehnung und Ausgrenzung bei autistischen Menschen meist eben nicht unberechtigt, sondern sehr wohl begründet ist. Daher funktioniert es auch nicht wirklich, therapeutisch "nur" an den Ängsten zu arbeiten (wie bei Nichtautisten üblich). Denn die Ausgrenzungen wird es wahrscheinlich auch später wieder geben.
Viele Probleme lassen sich halt nicht mit der Logik in der eigenen Blase (RW) lösen. Da ist ein Gedanke außerhalb des eigenen Sichtfeldes (RW) auch ganz gut.
Schön, dass das Forum in dieser Hinsicht für Dich hilfreich ist. Kann ich gut nachvollziehen.