Klage vorm Sozialgericht , Angst vor Gerichtstermin

  • Da ich trotz Widerspruch nur 30 GdB erhalten habe haben wir jetzt im Januar den Gerichtstermin und ich habe solche Angst weil das Gericht im Internet total schlecht bewertet ist und auch der Arzt wo mich begutachten soll. Ich habe Angst dass wir die Klage verlieren und ich weiß auch gar nicht wie es dort genau abläuft und was passiert. Ich brauche auch dringend meine Mutter als Begleitung weil ich oft stundenlang nicht sprechen kann und vieles nicht wie ein Erwachsener verstehe. Außerdem kann ich keine Maske tragen. Diese Dinge sind sicher ein großes Problem in Zeiten des Virus. Und ich gehe im Kopf alle schlimmen Szenarien durch dass ich dort total hilflos bin oder einen Anfall bekomme und wir die Klage verlieren oder wir dort schlecht behandelt werden. Hatte jemand von euch auch ein Klageverfahren wegen dem Schwerbehindertenausweis und kann mir von den Erfahrungen berichten? Weil ich glaube ich mache mich noch ganz verrückt bis der Termin kommt. Und wir fordern mindestens 50GdB.

  • Das wird schon - keine Panik. Oder wenn doch, dann bitte vor Zeugen!

    Deine Schwierigkeiten müssen doch von irgendwem dokumentiert/bezeugt werden.


    Du wirst also erst mal begutachtet?
    Alles angeben, was du so aufbieten kannst.

    Hier kannst du dich zur Sozialgerichtsbarkeit informieren!

    Macht ist das Spielzeug der Reichen, das sie mit niemandem teilen (Muriel Barbery, "Die Eleganz des Igels")

    Einmal editiert, zuletzt von Capricorn (6. Dezember 2020 um 15:44)

  • Wir haben eine Liste mit Einschränkungen und die Berichte von meiner Ärztin.

    Ja das begutachten ist 1 1/2 Stunden vor dem eigentlichen Gerichtstermin und ich hoffe meine Mutter kann mit weil ich bin sonst total überfordert und ich kann ja auch für Stunden nicht sprechen wenn es mir zu viel wird.

  • Der Sozialrichter sagte auch, ich müsse/solle auch keine Angst vor einer evtl. Klage haben, dass sei relativ harmlos und unkompliziert beim Sozialgericht und gerade dort haben eben viele Richter auch naturgemäß eine 'soziale Ader' und nicht in jedem Verfahren wird ein Gutachten beauftragt, kommt auf die Aktenlage an, d.h. die ärztlichen Atteste, Befunde etc. und was aus ihnen für das Gericht ersichtlich hervorgeht, erst dann würde das Gericht ein Gutachten beauftragen, das Gericht benennt den Gutachter, man kann aber eine eigene Empfehlung geben aufgrund der Thematik ASS (z. B. das Gutachten soll von der Diagnostik/Spezialambulanz erstellt werden)

    Sei einfach Du selbst, auch wenn Du eine Panikattacke, Overload/Meltdown hättest, alles ist ok. nimm Dir unbedingt Deine Mutter, wenn von Dir gewünscht mit, sinnvoller ist aber wenn sie sich eher zurückhält, außer Du kannst selbst nicht für Dich sprechen.
    Meines Wissens nach hast Du definitiv auch Anspruch auf eine Begleitperson als autistischer Mensch. Begründe dies zum Beispiel, dass Du als Autist auf 'Kommunikationshilfe' vgl. mit einem Gebärdensprecher oder einem Dolmetscher, angewiesen bist, auch um einen Overload oder Meltdown vorzubeugen. Da Du bereits eine Diagnose hast sollte dies berücksichtigt werden müssen.

    ich hoffe meine Mutter kann mit weil ich bin sonst total überfordert und ich kann ja auch für Stunden nicht sprechen wenn es mir zu viel wird

    Genau das ist die Begründung warum Deine Mutter als 'Kommunikationshilfe' immer für Dich mit dabei sein muss, da es sonst schädlich für Deine Gesundheit ist und die Gefahr besteht, dass Du einen Meltdown haben könntest, was auf gar keinen Fall wiederholt werden darf.

  • Außerdem kann ich keine Maske tragen.

    Falls du noch kein Attest darüber hast, dann besorg dir noch eins beim Arzt. Ich nehme an, du hast auch einen Anwalt, dann frag den, ob und in welcher Form man dem Gericht sagen soll, dass du ohne Maske zur Verhandlung kommst und warum.

    Hatte jemand von euch auch ein Klageverfahren wegen dem Schwerbehindertenausweis und kann mir von den Erfahrungen berichten?

    Ich hatte eine Klage vor etlichen Jahren, zwischen 2010 und 2012. Das meiste dabei war Schriftverkehr zwischen Anwalt und Gericht, dann ein Gutachtertermin und zuletzt die mündliche Verhandlung. Diese war relativ schnell vorbei. Ich hatte in meinem Fall schon viel geschrieben, und das Gericht hatte sich dann schon eine Meinung gebildet (zu meinen Gunsten). Es wurde ein Vergleich vorgeschlagen, dem ich zugestimmt habe. Das Ergebnis war für mich in Ordnung, und reden musste ich nicht besonders viel.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Hast du einen Anwalt oder den VDK an deiner Seite?
    Es ist hilfreich da mit jemand hingehen zu können, der sich auskennt.
    Und wenn du dort einen Meltdown haben solltest, wäre es ja nur eine Bestätigung für deinen Unterstützungsbedarf.

  • Danke eure Antworten beruhigen mich. Ich hätte echt nicht im Internet die schlechten Bewertungen lesen sollen. Ich bin Mitglied im VdK und die helfen uns auch. Wegen der Maske habe ich ein Attest. Manchmal kann ich tatsächlich nicht für mich selbst sprechen und wir klären das demnächst dass meine Mutter mitkann.

  • Ich denke, dass viele der schlechten Bewertungen auch einfach von Menschen sind, die bei dem Arzt/Gericht nicht das bekommen haben, was sie wollten. Und dass sie ihren Frust über solche Bewertungen raus lassen.

    Ich weiß, wie sehr sowas verunsichert. Aber von dem was du über dich und deine Einschränkungen schreibst, kann ich mir fast nicht vorstellen, dass du nicht hoch gestuft wirst. Und selbst wenn du im Laufe der Begutachtung einen Overload bekommst und nicht mehr sprechen kannst, zeigt das dem Arzt/Richter auch nur, wie stark deine Einschränkungen sein können. Das ist nicht grundsätzlich schlecht.

    Ich drücke dir die Daumen, dass deine Mutter problemlos als Begleitung akzeptiert wird und du den GdB bekommst, der angemessen ist.

  • Da hast du Recht mit den Bewertungen darüber habe ich dann auch nachgedacht. Weil oft wenn alles so läuft wie gedacht hat man ja keinen Anlass eine Bewertung zu schreiben.

    Ja meine Mutter und meine Ärztin sind auch sehr sauer dass ich trotz Widerspruch nur 30GdB erhalten habe und ich fühle mich so mit meinen Einschränkungen gar nicht richtig ernstgenommen weil die Einschränkungen jeden Tag zu spüren sind.

  • Es gibt Neuigkeiten: Meine Mutter hat beim Gericht angerufen und sie darf mit und es ist kein Problem dass ich ohne Maske komme. Sie sagte auch die klangen am Telefon sehr nett.

    Ich werde euch auf dem Laufenden halten wie das ausgeht mit dem Gerichtstermin. Ich bin sehr dankbar für dieses Forum ihr habt mich schon sehr beruhigt.

  • Das klingt doch ganz gut! :)
    Und erinnere Dich auch an die Aussage vom ehemaligen Sozialrichter, der mich beraten hatte:
    'keine Angst vor einer evtl. Klage zu haben, dass sei relativ harmlos und unkompliziert beim Sozialgericht und gerade dort haben eben viele Richter auch naturgemäß eine soziale Ader.'
    Na ja vielleicht hilft das zur Beruhigung davor, nervös wäre ich natürlich schon auch vor so einem Termin.
    Viel Glück im Januar! :thumbup:

  • Und schimpfe nicht in Gedanken mit dir, wenn es doch passiert (das mit dem unnötig verrückt machen lassen) ;)

    So sind wir Menschen oft: Unsere eigenen strengsten Kritiker....

    Drücke dir die Däumchen! Damit alles gut geht!

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  • Dass ein Sozialrichter meint, dass Sozialrichter sozial seien, ist wohl eine kognitive Verzerrung (die selbstwertdienliche). Aber insofern erklärlich, dass Menschen in der Regel ein positives Selbstbild haben wollen, also die Guten sein wollen. Geht sogar soweit , dass sich Völkermörder für gut halten...

    Das Ganze wird sehr technokratisch ablaufen:
    Der Gutachter wird dich nach seinem Gutdünken untersuchen. Vllt macht er das gut, vllt schlecht, vllt. hat er Ahnung, vllt. nicht. Jedenfalls wird er am Ende eine Meinung haben und die dem Gericht mitteilen. Das Gericht wird dieser Meinung sicher folgen. Eigentlich entscheidet nämlich nicht das Gericht sondern der Gutachter.
    Wenn der Gutachter deinen Anspruch stützt, wird man dir einen Vergleich anbieten. Wenn nicht, dann wird man dir nahelegen, die Klage zurückzunehmen. Das liegt daran, dass die beiden Optionen dem Gericht die wenigste Arbeit machen.
    Wahrscheinlich wird man auch oberflächlich freundlich sein, was nicht heisst, dass man dir wohlgesonnen ist.

    Was mich stutzig macht ist, dass das Gutachten erst kurz vorher gemacht werden soll.
    Schon normal wäre das schwierig sich zum Ergebnis zu äußern. Einem Autisten sollte es quasi unmöglich sein, vorallem wenn er erst begutachtet wird, davon fertig ist und dann noch sein Anliegen in der Verhandlung gegen Profis durchsetzen soll. Das spricht eigentlich nicht für das Gericht, vorallem hat sich es sich wohl nicht mit der Behinderung auseinandergesetzt. In der Konstellation ist dein Anspruch auf rechtliches Gehör faktisch weg, einfach weil du nichts (brauchbares) sagen können wirst. Wenn es immer so agiert, dann sind die schlechten Bewertungen kein Wunder.
    Im Zweifel (insbesondere wenn der Gutachter dich nicht stützt) solltest du oder deine Mutter oder dein Anwalt eine Unterbrechung der Verhandlung beantragen und ggf. auch eine Vertagung für eine schriftliche Stellungnahme zum Gutachten beantragen. Dann hast du Zeit und Ruhe und kannst auch deine Fachpersonen zum Gutachten befragen.

  • Dass ein Sozialrichter meint, dass Sozialrichter sozial seien, ist wohl eine kognitive Verzerrung (die selbstwertdienliche). Aber insofern erklärlich, dass Menschen in der Regel ein positives Selbstbild haben wollen, also die Guten sein wollen. Geht sogar soweit , dass sich Völkermörder für gut halten...

    Ist ein bisschen weit weg vom Thema, aber: Ja.
    Das mit der Bewertung als kognitive Verzerrung. Und dass sich Völkermordende für gut halten - weil sie nur taten, was getan werden "musste".

    Neulich sagte mir ein Anwalt, dass sich die Staatsanwaltschaft selbst als die "objektivste Körperschaft" in Deutschland sehe....na gute Nacht, Deutschland.

    Was mich stutzig macht ist, dass das Gutachten erst kurz vorher gemacht werden soll.
    Schon normal wäre das schwierig sich zum Ergebnis zu äußern.

    Ja, das finde ich auch seltsam. Kann auch nicht erkennen, wie das dem Kläger behilflich sein könnte.

    Im Zweifel (insbesondere wenn der Gutachter dich nicht stützt) solltest du oder deine Mutter oder dein Anwalt eine Unterbrechung der Verhandlung beantragen und ggf. auch eine Vertagung für eine schriftliche Stellungnahme zum Gutachten beantragen. Dann hast du Zeit und Ruhe und kannst auch deine Fachpersonen zum Gutachten befragen.

    Oder mit dem VdK-Mensch so vorher schon absprechen.
    Waspies Vorschlag kann ich Gedankenkarussell nur ans Herz legen.

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  • Wenn das erste Gutachten nicht gut für dich ist - wobei ich mit „gut“ meine, dass der Gutachter deiner Ansicht nach falsch beurteilt hat - dann kannst du auch noch einen zweiten Gutachter bestellen. Diesen kann der Kläger auswählen. Wenn du bzw. deine Eltern über die, die Klage läuft, eine Rechtsschutzversicherung haben, dann ist es auch sehr wahrscheinlich, dass sie nicht die Kosten des zweiten Gutachtens tragen müssen. Der zweite Gutachter/in wird sich dann kritisch mit dem vorherigen Gutachten auseinandersetzen.

  • Naja, kritisch auseinandersetzen würde ich das nicht unbedingt nennen. Der zweite Gutachter erstellt ein eigenes Gutachten, was nicht zwangsläufig anders sein wird als das erste.
    Soviel ich weiß, besteht die Möglichkeit, ein zweites Gutachten über einen selbst ausgesuchten Gutachter erstellen zu lassen, auch nur einmal im gesamten Klageverfahren.
    Wenn die Angelegenheit anschließend in die nächste Instanz (Landessozialgericht) geht, dann benennt dieses wiederum ggfs. einen Gutachter (was sehr wahrscheinlich ist) und dann kann man nicht nochmal ein Gegengutachten einbringen.
    Und wenn dieser vom Landessozialgericht bestellte Gutachter der Meinung ist, "Hochfunktionale Formen des Autismus sind lediglich eine Erfindung der Autismusambulanzen", dann ist "Ende Gelände"(RW).
    An diesem Punkt rät einem sogar der eigene Anwalt, die Klage zu beenden...

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