Instrument unterrichten. Verantwortung und Unberechenbarkeit. Studium

  • Hallo zusammen,

    ich studiere ein Instrument und muss im Rahmen des Studiums mir jetzt SchülerInnen suchen. Ich habe wahnsinnig Angst davor. Ich habe noch nicht mit Kindern gearbeitet und erlebe Situationen mit Menschen insgesamt sehr unkontrollierbar. Ich habe Angst, etwas falsch zu machen, die Bedürfnisse des Schülers nicht zu erfassen, bzw, mit diesen Bedürfnissen überfordert zu sein, weil mir die Flexibilität fehlt. Ich möchte am liebsten nach einer bestimmten Schule unterrichten, weiß aber, dass alle viel flexibler sind in der Wahl des Unterrichtsmaterials. Dann kommt noch der Kontakt mit den Eltern hinzu, auch hier habe ich Angst, die Erwartungen nicht zu erfüllen.
    In meinem Umfeld sagen viele, ich soll das doch einfach mal ausprobieren. Aber dieses "einfach mal" gibt es bei mir nicht. Ich recherchiere stundenlang, wie ich das denn am besten machen könnte und versuche allen Eventualitäten aus dem Weg zu gehen. Was natürlich nicht klappt. Dann kommt Corona noch hinzu, ich muss Abstand halten und vielleicht online Unterrichten. Leider versteht mich hier niemand und ich stehe sehr unter Druck.

    Ich bin jetzt schon (eine Woche vor Studienbeginn) extrem erschöpft. Ich habe leider auch Angst vor dem Studium, die Organistation ist sehr schlecht, es gibt kaum Struktur. Ich werde mich wieder richtig verhalten müssen, es wird viele Reize geben, viele Menschen und dann stehe ich in vielen Fächern auch immer wieder im Mittelpunkt und muss etwas leisten. Ich habe das Gefühl, dass es mir nur gut geht, wenn mein Umfeld ruhig und sicher ist, ich mit wenigen vertrauten Menschen zusammen bin und wenn ich keine Erwartungen erfüllen muss.

    Ich weiß nicht, wie es weiter gehen soll. Vielleicht hat ja jemand von euch Erfahrungen mit dem Thema Studium/Unterrichten.

  • Ich habe Angst, etwas falsch zu machen, die Bedürfnisse des Schülers nicht zu erfassen,

    Ich finde das macht dich aus meiner Sicht schon Mal besser, als die meisten (privaten) Musiklehrer bei denen ich bisher war. Die hatten sich nämlich gar keine Gedanken darüber gemacht, evtl. mit dem Schüler falsch umzugehen oder dessen Bedürfnisse nicht zu erfassen.

    Ich möchte am liebsten nach einer bestimmten Schule unterrichten,

    Alle Lehrer bei denen ich war, hatten das genau so gemacht. Jeder hatte eine bestimmte Art (das, was der Lehrer für sich selbst am Besten fand) ohne Flexibilität.

    Ich recherchiere stundenlang, wie ich das denn am besten machen könnte und versuche allen Eventualitäten aus dem Weg zu gehen.

    Vielleicht führt dann gerade das dazu, dass du es gut machen wirst. (Auf jeden Fall schon Mal besser machen wirst, als die Lehrer bei denen ich war!)

    und muss im Rahmen des Studiums mir jetzt SchülerInnen suchen.

    Vielleicht würde es dir helfen, wenn du dafür Schüler/-innen suchst, die auch besondere Ansprüche haben. Die vielleicht autistisch sind, oder auch Ängste haben. So jemand würde sich vielleicht darüber freuen, einen Lehrer zu haben der einen versteht und, der aus eigener Erfahrung auf die individuellen Bedürfnisse so eines Schülers eingehen kann. Vielleicht würdest du mit solchen Schülern/-innen sogar besser umgehen, wie es "normale" Lehrer könnten?

    Toleranz ist, wenn Toleranz kein Thema sein muss.

  • Hallo,
    ich gebe privaten Musikunterricht und kenne ähnliche Befürchtungen aus meiner Anfangszeit. Ich kann dich dahingehend beruhigen, dass sich nach einer Weile Routine einstellt. Außerdem bekommt man nach und nach durch die Erfahrungen mehr Handlungsoptionen, wie man in bestimmten Situationen reagieren kann, wird also flexibler. Die Situationen wiederholen sich nämlich. Am Anfang reagiert man evtl. noch manchmal unpassend, aber durch die Fehler lernt man, wie man anders reagieren kann.

    Ich kommuniziere in meinem Unterricht transparent die Unterrichtsmethoden und aus welchem Grund ich welche Übung wähle. Ich kommuniziere generell sehr offen und verurteile - so glaube ich zumindest - nie jemanden. Das kommt meiner von Natur aus gegebenen Ehrlichkeit entgegen und Kinder lernen sehr schnell, sich auf diese Art der Kommunikation einzulassen. Dabei bezieht sich diese Offenheit auf das Musizieren mit Fehlern und Erfolgen, aber nicht auf die persönliche Ebene.
    Ich habe verschiedene Arten von Schülern; diejenigen, die so wie ich wirklich sachbezogen und zielgerichtet arbeiten wollen, sind mir am liebsten. Such dir Schüler, die zu dir passen. Es gibt auch Kinder, die wollen nur Quatsch machen oder wurden von ihren Eltern zum Unterricht gezwungen, die würde ich nicht unterrichten. Such dir welche, die wirklich arbeiten wollen. Natürlich kann man zwischendurch mal Quatsch machen.

    Online unterrichtet habe ich auch schon und fand das angenehmer als im "Real life". Es ist alles viel strukturierter und sowohl die Kinder als auch ich wurden durch Außenreize weniger abgelenkt. Sehr angenehm war, dass ich zu Hause bleiben durfte.

    Zum Studium:
    Ich kenne beide Seiten: einmal die sehr zerstörerische Seite, wenn man unter Druck etwas leisten muss und dabei im Mittelpunkt steht - dabei hat sich bei mir eine schlimme Prüfungsangst entwickelt. Und einmal die professionelle Seite, bei der es einem egal ist, wie viele tausend Menschen gerade zugucken. Die professionelle Seite entwickelt sich, wenn man etwas sehr oft gemacht hat und sehr sicher in seinem Tun ist. Dass man für Auftritte wieder und wieder übt, hat mir dabei die Sicherheit gegeben. Die zerstörerische Seite kam zustande, weil ich mir unbekannten Erwartungen von Außen gerecht werden sollte und immer wieder kritisiert wurde. Fordere Transparenz! Die Menschen, die Erwartungen an dich stellen, sollen diese genau benennen! Wenn sie das nicht können, dann wollen sie wahrscheinlich einfach nur grundlos rummeckern und ihren Status damit erhöhen, dass sie andere niedermachen.

    Ich hoffe, du kannst damit ein wenig was anfangen.

  • Gibt es in deiner Gegend vielleicht einen Musikverein? Dort unterrichten teilweise Profis, teilweise Laien den Nachwuchs. Wenn du freundlich fragst, kannst du sicher Mal einer Lehrstunde dabei sein.

  • Dort unterrichten teilweise Profis, teilweise Laien den Nachwuchs.

    Dazu ist mir noch was eingefallen.

    Ich war früher mal in einem Musikforum (online) wo u.a. auch als Instrumentenlehrer arbeitende Mitglieder dabei waren. Sowohl langjährige Profis, wie auch selbst Schüler (oder Studenten) die ihr Wissen weiter gegeben haben. In so einem Forum könntest du deine Fragen stellen, denn jeder dort war mal in deiner Situation und hatte irgendwann mal angefangen zu unterrichten.

    Eine weitere Idee war, bei anderen Instrumentenlehrern direkt nachzufragen, wie ihre Anfänge waren.

    ich studiere ein Instrument

    Vermutlich wirst du früher auch selbst Musikunterricht genommen haben? Falls ja, erinnerst du dich vielleicht wie dein Lehrer vorgegangen ist. Was du gut fandest, was nicht so gut.

    Toleranz ist, wenn Toleranz kein Thema sein muss.

  • Bezüglich Musikunterricht aus Lehrersicht habe ich persönlich keine Erfahrungen, aber ein paar Gedanken:
    Wenn du selbst das Instrument spielst und es gewissermassen ein Spezialinteresse von dir ist, dann sollte dir das Unterrichten (gerade als Autist) zumindest leichter fallen, als jemand anderem ein x-beliebiges Thema ohne persönlichen Bezug nahezubringen. Mein mit hoher Wahrscheinlichkeit auch autistischer Grossvater hat trotz seiner Schwierigkeiten im Umgang mit Menschen im örtlichen Musikverein viele Jahre lang den Nachwuchs unterrichtet - und seine Sache offenbar nicht so schlecht gemacht. Eben vermutlich deswegen, weil er dabei voll und ganz "in seinem Element" war.

    Ich wurde ungefragt auf diesem Planeten abgesetzt - und dann haben sie mir nicht mal ein Handbuch mitgegeben...

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!