Therapie hilft nur bedingt

  • "- gibt es Dinge die ich deshalb gar nicht lernen kann und die deshalb nicht besser werden?"

    [...]

    Heißt das dass ich nie ein erfüllendes Sozialleben haben werde? Dass ich ewig mit Unsicherheiten wie bei einer Angststörung leben muss?
    Nein, es heißt dass man realistische Therapieziele schaffen muss.

    Dieser Denkansatz nimmt bei mir, seit dem ich hier im Forum bin, immer mehr Gestalt an. (RW) Zumal es sehr schmerzhaft, auf emotionaler Ebene, ist, sich klarzumachen, dass einige Dinge, die für "normale" Menschen völlig normal sind für mich unerreichbar sind. Keine Ahnung ob es einen Begriff für diese Übergangsphase gibt, aber ich hab im Forum vorhin was von Pacing gelesen. Und gerade dort beginnt meine Problem. Auf der einen Seite ist das kindliche/jugendliche das es einfach nicht wahrhaben will das meine Möglichkeiten limitiert sind, mit allen Irrungen und Wirrungen sowie Halluzinationen (so nenne ich mal die Einbildung die aus den Schlussfolgerungen von sozialen Situationen aufgrund von Unkenntnis/Unfähigkeit und Wunschdenken entstehen) und dem daraus resultierenden Overpacing. Es gibt teilweise Tage, da sage ich mir "jetzt geht es los" (das Lied von Juli "perfekte Welle" passt da wie die Faust aufs Auge (RW)) nur um dann Abends in einer depressiven Phase zu landen, weil das was ich mir morgens vorgestellt habe nur ein Luftschloss (RW) aus Wunschgedanken und Fehlinterpretationen war. Und gerade da muss ich lernen mich selbst zu schützen. Gerade dem Pacing kommt da sicherlich eine wichtige Rolle (RW) zu. Und dies muss ich erst irgendwie lernen. Nur das Problem ist, das Leben ist endlich. Ich weiß nicht was ist, wenn ich in zwanzig Jahren keine Fortschritte gemacht habe. Immerhin bin ich 38 und habe im sozialen/zwischenmenschlichen Bereich nichts vorzuweisen. Warum sollte es für den Rest des Lebens besser werden, wenn ich mich zum einen immer öfters pacen muss und zum anderen ja auch die Möglichkeit weniger werden. Früher, als ich noch nichts vom Autismus wusste, hatte ich schon Phasen der Selbstverletzung, weil ich dachte es liegt an mir. Im Prinzip liegt es ja auch an mir, aber aus anderen Gründen wie ich damals dachte. Ich bin kein schlechter Mensch, ich bin nicht dumm/doof, ich falle zwar aus der Reihe, aber ich bin nicht wertlos. Ich kann es nicht! Und ich werde es nie können! Und gerade sich selbst dies einzugestehen ist extrem schwer. Klar, es sagt sich einfach zu anderen wenn ich meine Situation erkläre, weil ich da auf ein entgegenkommen hoffe (RW). Aber zu mir selbst? Wie kann ich mir helfen wenn das kindliche nicht akzeptiert was die Erfahrung mich lehrt? Ich kann mir da nicht entgegenkommen und Hilfe erwarten. Ich muss mich selbst akzeptieren. Das heißt aber auch Träume aufzugeben und vielleicht auch ein Stück das Nimmerland verlassen. (Ich hatte ja mal geschrieben, dass ich gerne Autist bin und das kindliche an mir mag) "Normale" Menschen (er)wachsen in und an sozialen Kontakten/Beziehungen, ich muss durch den Verstand erwachsen werden. Keine Ahnung was ich in einem, zwei bzw. gar zehn Jahren oder schon in einer Woche über das denken werde was ich gerade geschrieben habe.

  • Wie kann ich mir helfen wenn das kindliche nicht akzeptiert was die Erfahrung mich lehrt? Ich kann mir da nicht entgegenkommen und Hilfe erwarten. Ich muss mich selbst akzeptieren

    [...] ich muss durch den Verstand erwachsen werden


    Ähnlich erlebe ich es auch, wobei ich nichtmals weiss, inwiefern es hier bei mir um Kindliches geht, es fühlt sich eher wie Lebensenergie an, ein Lebensfluss der da ist und eben einfach Fliessen will, diese Energie gibt nicht auf sondern ist einfach und sucht ihren Ausdruck.

    Doch ist die Form des sich wirklich passend anfühlenden Ausdrucks nicht gefunden bis heute, hat mich in viel Trial and error "begleitet".

    Ich muss mich immer wieder neu akzeptieren wie ich bin, dann spüre ich diesen Lebensfluss, doch bringt dies viel auch das Spüren von Schmerz, Trauer, Wut mit sich.
    Doch auch wenn es sich mal nicht gut anfühlt ist das dann immer noch besser als stagnierende Angst und Stau zu spüren , womit ich auch immer wieder viel zu tun hatte und ab und an habe.

    Ab und an frage ich mich auch, ob ich mich nur via Verstand in einen anderen, funktionaleren(?) Lebensausdruck "reingeballert" bekomme, aber es gibt da andere, innere Instanzen in mir, die mich spüren lassen wo Energie fliessen kann und wo nicht, auch wenn der Verstand anderes denkt.
    Entgegen dieses Innere zu handeln, ich wüsste nicht wie das funktionieren kann, da mein Inneres da dann nicht mitmacht... weiss nicht wie ich es anders ausdrücken könnte und ob es so verständlich ist :roll: .

    Einmal editiert, zuletzt von ifi (24. November 2020 um 06:22)

  • Ich muss mich immer wieder neu akzeptieren wie ich bin, dann spüre ich diesen Lebensfluss, doch bringt dies viel auch das Spüren von Schmerz, Trauer, Wut mit sich.

    Das ist bei mir auch schwer. Zumal, wenn ich einige Zeit (Tage/Wochen) nur für mich bin, dann vergesse ich auch die ganzen Probleme mit der sozialen Interaktionen. Irgendwann komme ich dann wieder auf die Idee irgendwas zu unternehmen um "unter Leute zu kommen". Naja und dann kommt dann dieses Overpacing, ich mache mir Erwartungen und stelle mir vor wie etwas passieren wird, aber dann trifft nichts von dem zu. Und dann bin ich auch wieder am Anfang. Irgendwie muss ich da auch lernen schon am Anfang die Dinge nüchterner zu betrachten. (RW) Ich habe auch aufgrund der Aussage

    Ich hatte 12 Jahre Therapie in denen gedacht wurde ich hätte bloß Sozialphobie und hätte mangels Freunden im Teenageralter nicht gelernt wie man ein befriedigende Sozialleben erhält.

    in diesem Thread geantwortet. Ich wusste ja auch nicht was mit mir los ist und warum ich kein Sozialleben habe. Ich habe ja auch die Erfahrungen gemacht, dass mir alles mögliche an Störungen von ärztlicher Seite angedichtet wurde. (RW) Ich möchte manchmal, wenn ich drüber nachdenke, schreihen "ich will mein Leben wieder, ich will ein Leben haben", aber das bringt ja nix. Gerade wenn, wie jetzt, im Dunkeln durch die Stadt gehe und das Familienleben durch die Fenster in den erleuchten Wohnungen sehen und mir dann meine Wohnung und die Einsamkeit in den Sinn kommt, ist das schon schwer. Naja.. Nun kann ich mich zwar einordnen, jedoch stellen sich damit mir ja auch ganz andere Fragen. Also wenn ich es nicht kann und ich mache mir aus Selbstschutz klar, dass ich mich in meinem Leben halt so einrichten muss (RW), damit ich alleine zurecht komme, dann hat das für mich auch so eine Art Entgültigkeit. Diese Gedanken machen mich extrem depressiv. Also nicht das alleine sein, sondern diese Entgültigkeit der Entscheidung. Die Angst die ich dabei habe ist, dass wenn jemand dann irgendwann doch Interesse, vorallem mit den entsprechenden Nerven (kann das gerade nicht anders ausdrücken), hat, dann bin ich in meinem Leben so festgefahren, dass ich das gar nicht zulassen könnte. Mal unabhängig davon das ich das sowieso nicht mitbekomme wenn jemand mit mir flirtet. Dieses Problem betrifft so viele meiner Lebensbereiche und Entscheidungen.

  • Gerade wenn, wie jetzt, im Dunkeln durch die Stadt gehe und das Familienleben durch die Fenster in den erleuchten Wohnungen sehen und mir dann meine Wohnung und die Einsamkeit in den Sinn kommt, ist das schon schwer.


    Dieses "erleuchtete Wohnungen und Häuser Phänomen", die Auswirkung auf die eigene Psyche kenne ich durchaus auch.

    Sie dienen leicht den eigenen Projektionen von einem heilen Zuhause erscheint es mir,
    können damit aber auch helfen immer wieder selber zu schauen, was kann ich an Schritten oder Minischrittlein gehen,
    um meine Lebenssituation in meinem Sinne zu gestalten.

    Und dazu gehört halt auch immer wieder viel Erkennen und Erfahren - so und so geht es halt für mich nicht...

  • Und dazu gehört halt auch immer wieder viel Erkennen und Erfahren - so und so geht es halt für mich nicht...

    Erkennen und Erfahren kann ich mittlerweile gut, wenn du die Selbstreflextion meinst. Ich habe aber ein Problem mit dem Akzeptieren. Nur wenn ich immer auf die Fresse falle (RW), dann kann das ja auch nicht so weiter gehen.

  • Ich habe aber ein Problem mit dem Akzeptieren. Nur wenn ich immer auf die Fresse falle (RW), dann kann das ja auch nicht so weiter gehen.


    Ich weiss nicht, ob ich irgendwann mal aufgebe und wirklich einfach akzeptiere in dieser Gesellschaft eingebunden zu sein, nicht wirklich zurechtzukommen und letztlich somit auch allein zu sein -
    oder ob irgendwann mal doch sowas wie ein Druchbruch passiert und ich mein Umfeld so mit anderen mitgestalten kann, dass es für mich und andere passt.

    Dabei schlage mir immer auch immer wieder die Nase an bei Versuchen(RW) .


    Mich dabei kennenlernen, dazuzulernen und auch Akzeptanz so zu sein wie ich bin ist dabei immer wieder wohl das Wichtigste.
    Dabei entsteht ein Schwanken zwischen Resignation und Motivation :? .

  • Warum sollte es für den Rest des Lebens besser werden, wenn ich mich zum einen immer öfters pacen muss und zum anderen ja auch die Möglichkeit weniger werden.

    Weil Pacing irgendwann selbstverständlich wird.

    Beispiel: Wenn ich 2-3x pro Woche meine Wohnung verlasse, ist meine psychische Verfassung annehmbar. Also habe ich einen Kalender, um meine Wochen 2-3 Wochen im Vorraus zu planen.

    Will ich 2x pro Woche Sport machen, muss ich mir gut überlegen, wofür ich das dritte Mal rausgehen benutze. Muss ich einkaufen? Möchte ich mich mit jemandem treffen? Habe ich vielleicht sowieso einen Arzttermin?

    Der "Trick" ist, nicht darüber zu verzweifeln dass ich nur so wenig rausgehen kann. Ich hoffe in der Lockdown-Zeit haben viele Leute gelernt wie man sich zu Hause zufriedenstellend mit Hobbys beschäftigt, vielleicht auch wie man passende Hobbys findet.

    Welche Möglichkeiten werden denn weniger?

    Ich habe aber ein Problem mit dem Akzeptieren. Nur wenn ich immer auf die Fresse falle (RW), dann kann das ja auch nicht so weiter gehen.

    Aus dem Akzeptieren muss auch folgen dass man sich sein Leben entsprechend einrichtet und dadurch sich anpasst bzw individuelle Lösungen findet. Siehe das Beispiel mit dem Kalender oben.
    Die Akzeptanz von "Ich bin Autist und deswegen ist das alles so schlimm und ich bin nicht zufrieden" ist mMn selbstschädigend, da man damit Selbstmitleid auslöst, und keine Lösungswege findet.

  • Welche Möglichkeiten werden denn weniger?

    Berufliche und private Entwicklungsmöglichkeiten. Wobei mich die beruflichen nicht so stören. Ich habe nicht mehr den Anspruch eine ordentliche Karriere zu machen. Ein Job mit wenig Stress und normalem Einkommen reicht mir schon.

  • Ich habe nochmal einiges an alten Threads hier gelesen und das Problem mit dem Versuch vom Aufbau sozialer Kontakte über wortlose Zurückweisung bis hin zu Selbstzweifel ist ja nicht neu. Und in keinem Thread habe ich gelesen, dass es dann hieß es sei alles nur ein Missverständnis gewesen. Nein, am Ende blieb man immer ratlos und allein zurück. Mein Problem ist wirklich das Akzeptieren. Ich kann mir schon denken, dass wenn ich wortlos zurückgewiesen werde, dass keine Interesse an mir besteht, unabhängig von meiner Wahrnehmung. Aber irgendwie kann ich da keinen Schlusspunkt setzen. Es geht vielleicht auch nicht primär darum welche Möglichkeiten ich habe und welche nicht. Dieser Gedanke ist kommt ja meist wenn ich richtig niedergeschlagen bin. Ich denke daran muss ich arbeiten um zufrieden zu sein.

    2 Mal editiert, zuletzt von platzhalter (26. November 2020 um 22:14)

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