"Frühkindliche Traumatisierung und mögliche Folgen"

  • Hallo,
    in einer Bachelor Arbeit der Universität Hamburg zum Thema "Frühkindliche Traumatisierung und mögliche Folgen" laß ich folgende Aussagen:

    Damit will ich weder sagen, dass Autismus traumabedingt wäre, noch irgendwelche anderen Rückschlüsse ziehen.

    Ich habe das deshalb geschrieben, weil es beides (Trauma und Autismus) Diagnosen sind, die nicht einfach zu diagnostizieren sind. Gerade, wenn man die Diagnose erst mit 30, 40, 50...bekommt, nachdem man sich sein Leben lang diverse Strategien angeeignet hat. Teilweise kommen beim frühkindlichem Thema Trauma Symptome vor, die Ähnlichkeiten mit Symptomen haben, die bei Autismus auch vorkommen können, oder umgekehrt. Ein Trauma Therapeut wird kein Autismus Experte sein, genauso wie ein Autismus Facharzt kein Trauma Experte sein wird.

    Zitat von Frühkindliche Traumatisierung und mögliche Folgen

    Maßgeblich für die Diagnose PTBS sind die Klassifikationen des ICD-10 und der DSM-IV. Eine Unterteilung in Altersgruppen wird bei beiden Klassifikationssystemen nicht gemacht. Eine entsprechende diagnostische Einordnung von Menschen, die eine frühe Traumatisierung erlebt haben, ist so häufig nicht möglich. Der Forscher Bessel van der Kolk hat den Begriff der „entwicklungsbezogenen Trauma-Folgestörung“ in die Wissenschaft eingeführt.

    In gewisser Weise findet bei einem frühkindlichen Trauma ja auch eine Störung der Entwicklung statt, aber eben nicht wie bei Autismus wo es angeboren ist. Nur wird man das später nach x Jahren vermutlich nicht so einfach unterscheiden können, ob jemand eine angeborene Entwicklungsstörung hat, oder eine traumabedingte Entwicklungsstörung. Vielleicht anhand des Gehirns, aber zumindest bei meiner Diagnostik wurde das nicht gemacht.

    Jedenfalls ging es mir bei dem Thema um die teilweise Ähnlichkeit und der Schwierigkeit, das vielleicht eindeutig unterscheiden zu können. Es vermeiden ja auch nicht alle Autisten den Blickkontakt so extrem, dass es eindeutig auffällt. So kann vermeidender Blickkontakt auch mit Angst oder Hemmung zu tun haben, je nachdem was ein Kind erleben musste. Ich möchte damit keinem seine Autismus Diagnose anzweifeln, es sollte einfach nur ein allgemeiner Hinweis auf die Thematik sein.

    Toleranz ist, wenn Toleranz kein Thema sein muss.

  • Bei mir ist es z. B. So, ich wurde als Kind, jedoch mit 9, sexuell missbraucht, ich denke eben weil offensichtlich war, dass ich anders war, möglicherweise als leichtes Opfer gesehen wurde.
    Ich konnte das (im Verwandtenkreis geschehen) meinen Eltern nicht sagen, da ich bereits zuvor das Vertrauen verloren hatte, bzw mich bereits zuvor so anders gefühlt hatte, dass ich Angst hatte komplett ausgestoßen zu werden oder mir nicht geglaubt wird.
    Das war selten und nicht so extrem, also ich wurde nicht vergewaltigt.
    Ich habe mich danach schlecht gefühlt, aber das Gefühl des Augenkontakts ist aus meiner Sicht (bitte das nicht falsch verstehen, ich möchte niemand seine eigene Erfahrung bzw Meinung absprechen), auf einer anderen Ebene.

    Für mich war dieses Gefühl aber komplett anders, also für mich persönlich ist Augenkontakt eigentlich sehr unangenehm (war es auch zuvor), es tut mir nicht weh, aber es löst in mir Unruhe und unangenehme Gefühle vor.

    Das ist bei dieser Situation danach anders gewesen, ich habe mich schlecht Gefühlt, oder hatte Angst dass mir jemand etwas ansieht, mich fragt, ich wusste nicht wie ich reagieren sollte. Das war aber Vermeidung, wie schon geschrieben, aus Angst und Scham. Das waren Blitzgedanken sozusagen, die kamen, die mir sagten dass ich den Augenkontakt besser vermeide, sozusagen aus unterbewussten Gefühlen habe ich bewusst gehandelt.

    Das tieferliegende, unangenehme Gefühl habe ich aber auch, wenn ich bewusst Augenkontakt aufnehme, die anderen Punkte treffen dann ja nicht zu( tun sie mittlerweile sowie nicht mehr bei mir, aber damals meine ich jetzt).

    Mittlerweile ist das auch über 25 Jahre her, ich bin vielleicht auch nicht früh genug, beziehungsweise stark genug traumatisiert worden, als dass das die Autistischen Punkte bei mir erklärt, denn diese begannen schon viel früher.
    Aber vielleicht ist es ja trotzdem interessant, bei mir ist das Gefühl vom Augenkontakt eben sehr anders.

    Das Gefühl des Augenkontakts wegen Trauma sozusagen, lässt sich meiner Meinung nach verbessern oder verändern, bei mir nicht bzw eben wieder so dass es nur "unangenehm" ist bzw mich zerfrisst, ich habe aber nicht mehr das Gefühl ertappt zu werden, jemanden zu verraten etc..

    Also ich denke dass man das unterscheiden kann, aber wenn jetzt eine Traumatisierung viel früher stattfindet, ohne ein Bewusstsein dafür zu haben sozusagen, mag das auch ganz anders sein, und darum geht es ja hier.
    Jedoch sind die Copingstrategien damals auch darauf bezogen gewesen, eine solche Situation zu vermeiden, nicht mit den Problemen umzugehen, wie es bei den anderen Sachen ist.
    Ich habe ja auch kein frühkindliches Träume und war bereits zu alt (sorry, das klingt wirklich beschissen), aber vielleicht ist es ja interessant.

    8 Mal editiert, zuletzt von Backnetmaster (11. September 2020 um 16:51)

  • Leiden die Traumatisierten auch an einer Reizfilterschwäche, sensorischer Überempfindlichkeit, Gesichtsblindheit( mir fällt der Fachbegriff nicht ein) und Overloads etc ? Und haben sie Spezialinteressen sowie kein Rollenverständnis sowie Identitätsgefühl? Nach dem Lesen deines Beitrags frage ich mich wieder ob ich immer schon so war wie ich bin, es durch Traumata so kam oder beides :( . Eines ist aber sicher , ich habe eine Störung die mir Probleme macht egal wie sie heißt.

  • Hast du keine Erinnerungen an die Zeit davor?
    Ich würde vermuten, wenn jemand traumatisiert wird, oder wurde während man das soziale Leben frühkindlich erlernt, kann es ähnliche Auswirkungen haben, wie oben beschrieben, aber bei Spezialinteressen, Reizüberflutung (also jetzt optisch beispielsweise) würde ich persönlich dann eher auf Autismus schließen, der möglicherweise die traumatisierenden Erfahrungen begünstigt hat.
    Also "Wellen", Bewegung in Fliesen, Koofsteinflaster beispielsweise, meine ich.

    2 Mal editiert, zuletzt von Backnetmaster (12. September 2020 um 21:09)

  • Meine frühesten Erinnerungen sind dass ich schon immer ängstlich reagierte im Bezug auf Lärm und neue Situationen . Veränderungen im Verhalten von Personen auch Familienmitglieder machten mir Angst. Ich erinnere mich an mein erstes Zimmer, es war wie Ende der 70er modern sehr bunt, für mich zu bunt. Ich hatte Nachts Alpträume von der blauen Tapete mit den weißen Wolken und gelben Enten. Ich hatte Alpträume von Lärm.

  • Meine liebsten Spiele waren Knöpfe sortieren und Dinge anordnen sowie Häuser und Figuren aus Pappe basteln . Ich konnte mir 2 Jahren sprechen in ganzen richtigen Sätzen und kam deshalb früh in den Kindergarten wo ich große Angst hatte. Ich hatte als kleines Kind extreme Schlafstörungen und ständig Nasennebenhölentzündung. Ich erinnere mich an fast alles zum Beispiel auch wie sich etwas angefühlt hat, Decken , Tapeten, die Hände vom Opa :)

  • Reizfilterschwäche, Überempfindlichkeit, kann bei Traumatisierung auch vorkommen. Gesichtsblindheit und Spezialinteressen sind meines Wissens bei Autismus kein Muss. Sogar Defizite im "Theory of Mind" können laut Google auch bei psychischen Störungen vorkommen und nicht nur bei Autismus. Ich vermute, dass es selbst für Ärzte schwer ist das eindeutig unterscheiden zu Können, vor allem falls jemand mehrere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen hat.

    Toleranz ist, wenn Toleranz kein Thema sein muss.

  • Dann ist es auch egal wie das jemand nennt. Da es ja auch " den typischen Autisten" nicht gibt und Autismus ein Spektrum ist .
    Ich habe gelesen dass psychische Störungen allgemein mehr wie ein Spektrum betrachtet werden sollen und das kategorisieren nicht mehr aktuell ist.
    Ich finde es zwar sehr angenehm alles sicher zu wissen , also entweder schwarz oder weiß aber das funktioniert in diesem Kontext eben nicht.
    Vielleicht sollten wir uns auf das Positive fokussieren und weniger Energie auf das Analysieren verwenden. :)
    Einen schönen Sonntag wünsche ich allen!

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!