Probleme mit ambulant betreutem Wohnen

  • Hallo, seit ca. 3-4 Monaten bekomme ich Hilfe vom ambulant begleiteten Wohnen. Die Behörde (Eingliederungshilfe) hat den Anbieter

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    "Ohlebusch"

    für mich ausgesucht.

    Mein Problem ist, das die Sozialarbeiterin nicht auf meine Autismus Probleme eingeht, weil sie keine Ahnung von Autismus hat. Das hat sie auch ziemlich am Anfang selbst gesagt. Ich habe es mit ihr versucht, weil ich sie menschlich sehr nett finde. Und es hätte ja trotzdem funktionieren können. Aber es funktioniert nicht und bessert sich auch nicht.

    Die Behörde hatte, bevor sie diesen Anbieter wählte, mir die Lebenshilfe als Anbieter abgelehnt. Die wären nur für geistig behinderte zuständig. Obwohl sich die Lebenshilfe scheinbar besser mit Autismus auskennt, als offenbar der aktuelle Anbieter. (Die Lebenshilfe half mir, die Eingliederungshilfe zu beantragen, daher der Vergleich). Die Behörde behauptet, es gäbe nur diesen Anbieter oder die Caritas für Autismus. Und verweigert deshalb die Lebenshilfe als Option.

    Bin ich da komplett von der Entscheidung der Behörde abhängig? Klar die bezahlen das, aber ob sie den Anbieter A oder den Anbieter B bezahlen macht doch keinen Unterschied, oder?
    Stimmt es, das die Lebenshilfe nur für geistige Behinderungen zuständig ist?

    Toleranz ist, wenn Toleranz kein Thema sein muss.

    Einmal editiert, zuletzt von Several (20. August 2020 um 17:04)

  • Stimmt es, das die Lebenshilfe nur für geistige Behinderungen zuständig ist?

    Soweit ich weiß: Ja.

    Ich kenne es so, dass es Anbieter für den G-Bereich (geistige Behinderung) und den S-Bereich (seelische Behinderung) gibt. Wenn seitens des Amtes ein Träger nur eine Anerkennung für den G-Bereich hat, darf er keine Personen betreuen, die nur Diagnosen im S-Bereich haben.

    Das hat u.a. auch mit der Fachkraftquote zu tun, im ABW des S-Bereiches müssen die Mitarbeiter i.d.R. höher qualifiziert sein als im G-Bereich.

    Surprised by the joy of life.

  • Da gibt es Unterschiede zwischen den Anbietern?

    Ich habe mich mal bei einem Anbieter für ambulantes Betreutes wohnen informiert. Der Antrag für die Kostenübernahme wird, egal von welchem Anbieter, bei dem übergeordneten sozialen Kostenträger ( i.d.R. Landesverband) gestellt. Die Betreuer sind studierte Sozialpädagogen.

    Ich bin der Meinung, dass ein Betreuer für einen geistig Behinderten Menschen eine andere und speziell darauf ausgerichtete Qualifizierung haben, als bei einer seelischen Behinderung.

    Also beide benötigen eine Spezialisierung. Ich persönlich bin der Meinung, dass es keine seelische Behinderung geben kann, weil es einen neurologischen bzw. psychiatrischen Hintergrund hat.

    Nur weil es eine unsichtbare Behinderung ist und niemand ausser Fachpersonal, interessierte Menschen vorstellen kann (man sieht nix, geistig mehr oder weniger normal), nicht akzeptieren und den Betroffenen das negativ psychisch spüren zu lassen, sagt doch alles aus.

    Mich interessiert mal, wo das Versorgungsamt die Ärzte für die Feststellung des GDB her nimmt, die einen Diagnosebericht ignorieren.

    Der Facharzt kann nur sagen, wir nehmen das aus der Diagnose, weil das ist genau und nachvollziehbar. Im Gegensatz zu der schwammigsten und nichtssagenden Verordnung, die jahre lange Prozesse und Kosten benötigt, damit mal Klarheit herrscht und sie verwendbar ist.

    Nach dem Einlesen in die aussagefreien Verordnungen (MediVers etc) fragte ich mich, ob der Verfasser der Verordnung klar bei Verstand war als er sie geschrieben hat und wie viel er bezahlt hat, dass die durch gewunken wurden. Also fachlich kompetent, wenigsten ein wenig wird man da nicht finden. Die Richter am Sozial Gericht hätten bei so Sachen wirklich eine Idiotismuszulage verdient. Ich habe Verständnis für die Richter, die so Fälle an die Kollegen abgeben. Mich wuderts, dass die klaren Kopfes und nicht schreiend "Herr oder höhere Macht lass Hirn regnen" zum nächsten Arzt rennen. Die Anwälte haben von mir auch den Respekt, weil bei so nen Mist hilft auch das Jura Studium nicht.

    Quasi "was ich mir nicht vorstellen kann gibt es nicht und eine Diagnose ist falsch, gehäuchelt, erfunden und das kann ich als nicht Mediziner über einem Facharzt stehen, weil ich Ahnung habe und der nicht".

    Von gehört zum menschlichen Leben, ist ein Mensch ist da nix gehört oder gelesen worden, weil die Hirnregion irgendwo in der NS Zeit hängt und nicht in der Lage ist, vom Haken runter und ins hier und jetzt zu gehen, stattdessen dämlich am Haken in der Vergangenheit rum hängen und sich wundern wo alle hin sind. Wachrütteln reicht da nicht, die laute Glocke der Erkenntiss auch nicht, weil es nicht der eigenen Vorstellung entspricht.

  • Laut Google hat die Lebenshilfe auch mit Autismus zu tun. Sie haben einen Fachdienst für seelische Behinderungen. "Wir begleiten Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen. Das sind Kinder und Jugendliche im Autismus-Spektrum oder mit sozial-emotionalen Auffälligkeiten". Und online heißt es "Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit einer ASS stehen in allen Phasen der Förderung im Mittelpunkt".
    Der jetzige Anbieter schreibt auf seiner Webseite nur "Konzept für Menschen mit Behinderungen" ohne das genauer zu beschreiben.

    Kann man irgendwie die Qualifizierung herausfinden? Ich vermute, dass die Behörde mich angelogen hat.

    Tux, das mit der Qualifizierung sehe ich auch so, es ist nicht jede Behinderung gleich. Aber wenn mir die Sozialarbeiterin schon selbst sagt, keine Ahnung von Autismus zu haben, spricht das für mich nicht dafür, dass dieser Anbieter diese Qualifikation zu haben scheint.

    Toleranz ist, wenn Toleranz kein Thema sein muss.

  • Ich vermute, dass die Behörde mich angelogen hat.

    Nein, vermutlich nicht.

    Es ist so: die Abrechnung zwischen dem Anbieter und der Behörde läuft über eine Vergütungsvereinbarung. Diese Vergütungsvereinbarungen sind behinderungsspezifisch abgeschlossen. Ein Anbieter kann also eine Vergütungsvereinbarung für seelisch Behinderte oder für geistig Behinderte haben, oder auch beides.
    Wenn die Lebenshilfe dort vor Ort nur eine Vergütungsvereinbarung für geistig Behinderte hat, dann kann sie keine seelisch Behinderten betreuen.*

    Dass auf der Homepage steht, dass auch seelisch Behinderte betreut werden, kann eventuell auf das Kinder- und Jugendalter bezogen sein, und nicht mehr auf Erwachsene. Das könntest du bei der Lebenshilfe aber mal nachfragen.

    *ganz vereinzelt kann es davon schon mal Ausnahmen geben, aber das muss man dann gut begründen und mit der Behörde besprechen, am besten in einem persönlichen Gespräch (Lebenshilfe, du und der zuständige Behördenmitarbeiter).

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Aber wenn mir die Sozialarbeiterin schon selbst sagt, keine Ahnung von Autismus zu haben, spricht das für mich nicht dafür, dass dieser Anbieter diese Qualifikation zu haben scheint.

    Diese eine Person nicht, aber die haben mit Sicherheit noch mehr Personal. Sieh es mal von der Seite: Die Sozialarbeiterin hat keine Ahnung von Autismus und ist also gänzlich unbelastet. Nutze diese Gelegenheit und bringe ihr Autismus näher. Erkläre ihr wo deine Schwierigkeiten sind, wie du dich dabei fühlst, was du dabei denkst. Gib ihr die Chance zu lernen und einige ihrer Tipps wirst du auch bei dir anwenden können. Du schaffst so eine Win- Win Situtation und baust ein Vertrauensverhältnis auf. Wichtig ist dabei, dass sie sehr verständnissvoll ist.

  • Shenya, ich habe die Aussage der Behörde "Die Lebenshilfe ist nur für geistig beinderte zuständig" vermutlich zu wörtlich genommen. Mit einer zusätzlichen Erklärung, so wie von dir oder Suprised zum Beispiel, hätte ich die Hintergründe vermutlich eher verstanden. Wenn ich dann auf der Webseite lese, dass sie Menschen mit Autismus begleiten und fördern, verstehe ich das als Widerspruch zu der Aussage der Behörde. Ich wusste nicht, dass ich das anscheinend nicht korrekt verstanden hatte, dass es wohl einen Unterschied zwischen Kindern-/Jugendlichen- und Erwachsenen Autisten gibt.

    Tux, ich kann ihr das nicht erklären. Ich überfordere mich manchmal selbst, bei Überforderungen im Alltag brauche ich jemand der helfen- und reagieren kann. Ich habe die Reflexion nicht das selbst zu erkennen. Ich brauche erst Mal die Hilfe als Grundlage um überhaupt im Alltag mit Situationen und teilweise mit mir selbst klar zu kommen.

    Die Sozialarbeiterin kann sich auch in das Thema einlesen/informieren. Das würde ich als ihre Pflicht betrachteen.

    Ja das würde ich auch wünschenswert finden. Von dem wie sie mit mir umgeht und Situationen händelt, hat sich seit Beginn der Hilfe leider nichts gebessert.

    Toleranz ist, wenn Toleranz kein Thema sein muss.

  • Ich überfordere mich manchmal selbst, bei Überforderungen im Alltag brauche ich jemand der helfen- und reagieren kann. Ich habe die Reflexion nicht das selbst zu erkennen. Ich brauche erst Mal die Hilfe als Grundlage um überhaupt im Alltag mit Situationen und teilweise mit mir selbst klar zu kommen.

    Kannst du ein wenig detailierter werden, wie und in welchen Situationen du dich unbewusst selbsts überfordert?
    Was brauchst du, damit eine selbst Überforderung nicht stattfindet?

    Locker bleiben, Kopf hoch du schaffst das. Ich unterstütze dich gerne dabei.

  • Vielleicht gibt es einen Kollegen/ eine Kollegin vom gleichen Anbieter, der sich besser auskennt oder es intuitiv einfach besser kann?

    Ich hatte auch mal eine "nette und engagierte" Sozialarbeiterin, die es aber auch einfach nicht hinbekommen hat (trotz nachlesen und unendlich vielen Erklärungen). Ich glaube, es ist nicht jeder für den Umgang mit Autisten geeignet. Das ist nicht abwertend oder negativ gemeint. Bei mir hat nur ein Wechsel geholfen.

    Meine momentane Hilfe hatte auch keine autismusspezifische Ausbildung, ist aber ganz gut darin, mir überhaupt erstmal Zeit zu lassen. Das hilft oft auch schon sehr. Sie versucht sich in mich hineinzudenken und hat viel Interesse an meiner Sichtweise. Ich habe ihr ein Buch gegeben (das vom Riedel) und versuche viel zu erklären. Sie ist bemüht, macht immer wieder fehler, aber ich denke, wir sind auf "einem guten Weg". Es gibt noch viel zu verbessern aber es ist erstmal besser als viele andere, die ich schon hatte.

    Ich würde zuerst versuchen, mit der jetzt vorhandenen Sozialarbeiterin zu sprechen. Vielleicht sieht sie die Schwierigkeiten auch und ist bereit eine Lösung zu suchen. Wenn sie nicht kooperationsbereit ist, würde ich dann ihre Cheffin ansprechen. Wenn auch das nichts bringt, dann den Anbieter wechseln. In städtischen Regionen gibt es meist mehr Hilfen als in ländlichen. Aber bedenke, dass egal, was auf der Homepage steht, es kommt auf den individuell zuständigen Mitarbeiter an, den du bekommst.

  • Danke Suprised für den Buchtipp im anderen Thread.

    Tux, menschich finde ich die Sozialarbeiterin gut. Wenn ich ihr von einem Problem erzähle, kann sie gut reflektieren. Sie kann mir das Problem aus anderen Sichtweisen erklären, sodass ich es besser verstehe. Aber das betrifft nur allgemeine Probleme, die andere Menschen auch haben. Wenn es um Probleme geht die mit Autismus zu tun haben (Overload, Regeln, Kommunikation, usw.) ist sie im Alltag keine Hilfe. Ich kann z.B. bei einem Overload draußen nicht noch sagen "ich habe einen Overload" das müsste sie selbst vermuten/erkennen und selbstständig auf mich eingehen.

    Es hilft mir nicht, wenn ich in einer Situation überfordert bin und schweige und sie da sitzt und auch schweigt und nichts macht. Ich kann ihr nicht sagen wie sie mich aus der Situation herausbekommt, das weiß ich selbst nicht. Ich habe auch nur Hobbies die ich alleine mache. Bei Vorschlägen von ihr lehne ich alles ab, weil es neu ist und ich Angst habe. Sie sucht keine Möglichkeiten mich zu animieren oder andere Wege zu finden wie ich mich doch auf etwas einlassen könnte. Wenn ich etwas ablehne, ist das für sie erledigt und dann schweigen wir uns wieder an. Oft versucht sie es in längeren Gesprächspausen mit Smalltalk, aber das ist auch nicht die beste Idee finde ich.

    Sie hat auch gesagt, das es ihr helfen könnte wenn sie mit zu meiner Autismus Therapie (noch nicht genehmigt) geht um dort zu lernen/erfahren worauf sie achten muss und wie sie auf mich eingehen kann. Ich brauche die Hilfe von ihr aber schon jetzt und nicht erst wenn sie es irgendwann gelernt hat. Bisher hat sie auch nicht von sich aus gefragt, weder ob ich zufrieden bin, noch über das Thema Autismus oder ob sie etwas anders machen könnte. An sich bemüht ist sie schon, aber ihre Versuche sind vielleicht eher hilfreich für nicht Autisten. Letztlich sind wir vermutlich beide frustriert, sie weil ihre Mühe nicht funktioniert und ich weil sie mir keine Hilfe ist.

    Der soziale Kontakt an sich war anfangs für mich auch eine Besserung. Bis sie anfing immer öfter zu erwähnen "wir können den Termin auch abkürzen" wenn sie wieder nichts mit mir anzufangen wusste. Das machte mir irgendwann den Eindruck, das sie nicht kommen will. Kann sein das es nur nett gemeint war, aber sie kommt ja nicht um Termine abzukürzen wenn sie nicht weiter weiß. Ich finde es auch nicht gut, dass sie auf meine Emails immer per Anruf antwortet. Für sie ist das vielleicht praktischer oder sie telefoniert gerne. Aber ich würde mir im Umgang mit mir schon ein Bisschen Grundwissen über Autismus wünschen.

    Enttäuscht war ich dann an einem Termin, wo sie anrief ob sie früher kommen könnte um 11 anstatt 14 Uhr. Für mich war das okay, wir gingen spazieren wie oftmals. Sonst sind wir nach der Runde immer noch zu mir nach Hause und haben noch 30-45 Minuten geredet. Ein Termin dauert ungefähr 60-90 Minuten. An dem Tag verabschiedete sie sich unerwartet aber sofort nach dem Spaziergang. Ich war sehr verärgert, sie wollte früher kommen. Wenn sie keine ausreichend Zeit hat, hätte sie doch um 14 Uhr kommen sollen wie ursprünglich vereinbart. Oder zumindest während dem Spaziergang schon sagen sollen, das sie diesmal nicht noch mit rein kommen kann.

    Kastenfrosch, mir dauert das eigentlich zu lange zu warten, bis sie das gelernt hat. Seit Beginn der Hilfe hat sie sich aus eigenem Interesse nicht über Autismus informiert. Obwohl für Grundlagen schon Google reichen würde. Es mit ihr direkt klären kann ich nicht, da bleibt dann wohl nur die Chefin um einen Wechsel der Person zu bitten.

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    Einmal editiert, zuletzt von Several (23. August 2020 um 13:25)

  • @Seelenlos

    Ich kann nicht einschätzen, ob das etwas bringt, aber an ihrer Stelle würde mir dein gerade geschriebener Beitrag schon viele Hinweise geben. Du könntest ihr den einfach mal schicken, falls du keine weitere Möglichkeit siehst.

  • Ihr deinen letzten Beitrag zu zeigen, finde ich auch eine gute Idee. Vielleicht noch vorher sagen, dass nix gegen sie persönlich ist (sollte logisch sein, aber NTs denken irgendwie nicht so).

    Ich habe die Vermutung, dass die üblichen google-Beiträge nicht wirklich hilfreich sind für einen NT-Sozialarbeiter um in der Praxis einen Autisten wirklich besser zu verstehen. Ich habe den Eindruck, dass für viele NTs das Denken von auisten schwer nachzuvollziehen ist und auch durch Literatur erstmal sehr abstrakt erscheint weil es so aus der Intuition und dem Gewohnten Denken heraus ist. Manche NTs sind sich nichtmal darüber bewusst, wie sehr sie intuitiv arbeiten (auch Ärzte nicht, sie würden bei direkter Nachfrage behaupten, sie beurteilen den Patienten nach Symptomen, tatsächlich beurteilen sie auch sehr viel nach Bauchgefühl (die Quelle zu diesr Aussage weiß ich leider gerade nicht mehr))
    Etwas mehr nachfragen wäre aber tatsächlich vielleicht hilfreich. Vielleicht ist sie aber auch zurückhaltend weil sie dich nicht überfordern will oder selbst etwas überfordert ist.

    Jetzt gerade bin ich mit meiner Betreuerin auch sehr unzufrieden und traurig und frustriert darüber - obwohl ich sie verhältnismäßig ok finde. Ich habe sehr viel geweint deswegen. Mein Therapeut wies mich aber auch darauf hin, dass ich scheinbar doch auch vieles irgendwie nicht so kommuniziert bekomme (eine Erklärung ist mir gerade zu schwierig). Man muss vieles scheinbar ständig wiederholen weil die NTs ein "Gehirn wie ein Sieb" (RW) haben, mir fällt es aber auch sehr schwer, mich spontan mitzuteilen und meine Bedürfnisse gut zu platzieren. Sich aktiv mitteilen müssen kommt in meiner Therapie immer wieder vor. Das mache ich scheinbar viel zu wenig (gefühlt mache ich es ständig).

  • Wenn man sich zu wenig aktiv mitteilt, was ich von mir auch kenne, sehe ich das aber auch als Aufgabe des Sozialarbeiters darauf einzugehen. Wissentlich, dass das eben ein typisches Problem von Autisten sein kann. Dass jemand mit Problemen bei der Mitteilung dem Sozialarbeiter vieles mitteilen soll/muss, finde ich nach meinem Verständnis widersprüchlich.

    Ich habe ihr den heutigen Termin abgesagt, weil ich ihre Besuche im Moment emotional eher als Belastung empfinde. Weil es mich überfordert, mit der Situation umzugehen. Ich möchte die Zeit nutzen, um eine Email zu formulieren und ihr zu schicken.
    Kann ich euch den Text hier posten zum beurteilen?

    Toleranz ist, wenn Toleranz kein Thema sein muss.

  • Ich habe versucht mich so kurz und sachlich zu fassen wie möglich.

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    Hallo Frau ...,

    Ich habe autistische Schwierigkeiten, für die ich einen anderen Umgang brauche. Ein Problem ist meine mangelnde Mitteilungsfähigkeit. Ich sage nicht automatisch was ich brauche oder möchte, sondern man muss mich so zusagen ausfragen. Ich kann nicht einschätzen, welche Informationen für den Gegenüber wichtig sind. Manchmal erfasse die Situation auch nicht und kann nicht Wissen, was für Optionen ich habe. Oft unterdrücke ich die Belastung (Overload, Meltdown, Shutdown) um zu funktionieren, zwinge mich Situationen auszuhalten oder können zu müssen, (z.B. Autofahren) anstatt etwas zu sagen. Bis es zu viel ist und ich so erschöpft bin das gar nichts mehr geht.
    Es ist wichtig für mich, das jemand erkennt ob mir eine Situation Probleme machen könnte und dann auf mich eingeht.

    Die langen Gesprächspausen überfordern mich, weil ich damit nicht umzugehen weiß. Sie sind zwar immer bemüht ein Thema zu finden, aber Smalltalk funktioniert bei mir nicht. Auch wenn es mühsam ist, bräuchte ich dann mehr Animation zum Reden. Oder eine alternative Aktivität, bei der man nicht zwangsläufig permanent reden muss. Es ist auch normal, das ich pauschal erst Mal alles ablehne was für mich neu und unbekannt ist. Ich kann aber verstehen, dass es eine Gradwanderung ist, zwischen animieren einerseits aber auch nicht zu sehr drängen andererseits. Wenn ich gedanklich an einem negativen Erlebnis festhänge und mich x-Mal widerhole, brauche ich jemand der mir die Situation aus anderen Sichtweisen erklärt. Ich sehe nur meine Wahrnehmung, kann mich aber nicht in die Person hinein versetzen. (Theory of mind) Und komme deshalb selbst nicht auf mögliche Erklärungen, die mir zu mehr Verständnis oder Nachsicht verhelfen würden.

    Es gäbe noch mehr über Autismus zu Wissen, aber das kann ich nicht alles erklären. Vielleicht war es schon ein Problem, dass Frau (von der Eingliederungshilfe) meinen Hilfebedarf unterschätzt hat, oder ich das nicht richtig kommuniziert habe.
    Wie es weiter geht würde ich Ihnen überlassen. Ich würde es mit Ihnen weiter zusammen versuchen, könnte aber auch verstehen wenn Sie das nicht möchten.

    Ich wollte ihr keine Vorwürfe machen, sondern nur meine Probleme schreiben und was ich brauche. Damit sie für sich selbst entscheiden kann, ob sie das einerseits erfüllen könnte und andererseits ob sie das überhaupt möchte. Sie kann ja genau so sagen "ich komme damit nicht klar" wenn das von ihrer Seite aus nicht passt oder für sie zu viel ist. Durch die Fachbegriffe (Meltdown, Overload, Theory of mind, etc.) wollte ich Hinweise geben, worüber sie sich informieren könnte. Vielleicht merkt sie dadurch auch selbst, dass sie mehr über Autismus wissen sollte um mir helfen zu können.

    (Der Spoiler ist, damit man den Text beim Googlen vielleicht nicht findet).

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  • Ich finde deinen Brief total super. Sehr sympathisch formuliert.

    Wenn es dir möglich ist, aber das könnte dann auch in einem persönlichen Gespräch geschehen, könntest du ihr vielleicht Tipps geben, was für dich hilfreich wäre. Also wenn du das selber weißt und benennen kannst.

    Z.B. hinsichtlich der Belastungen ob du ihr da eine Art Liste erstellen kannst, was sehr bzw. zu belastend ist, also z.B. Autofahren. Damit sie dann weiß, dass sie hier besonders rücksichtsvoll sein muss. Oder ob es dir helfen würde, wenn ihr zusammen prüft, wie "geladen" noch deine "Batterie" ist. (Im Downloadmaterial von Silke Lipinskis Selbsthilfebuch für Autisten https://psychiatrie-verlag.de/product/autismus/ gibt es dazu ein tolles Arbeitsblatt.)

    Oder z.B. in Bezug auf Reden. Ich kenne eine Autistin die mit ihrer Therapeutin Körbe geflochten hat, weil dann konnte man reden und wenn einem grad nichts einfiel sich aufs Flechten konzentrieren. Oder ein Autist, der klassische Musik im Hintergrund laufen ließ während Gesprächen. Vielleicht kannst du auch da etwas benennen was für dich hilfreich wäre.

    Übrigens finde ich lange Gesprächspausen und zusammen Schweigen total super. Machst du dir da Stress weil das nicht den Konventionen entspricht oder stressen dich längere Pausen tatsächlich?

    Surprised by the joy of life.

  • Bei langen Gesprächspausen fühle ich mich indirekt gezwungen, etwas sagen zu Müssen. Wir sitzen uns am Tisch gegenüber und es ist für mich dann eine seltsame Situation, wenn keiner mehr etwas sagt. Alternative Tätigkeiten ist dann auch nicht, weil ich eben alles Neue ablehne und sie mich nicht animieren kann, etwas auszuprobieren oder mich darauf einzulassen. Hobbies habe ich nichts, was man zusammen machen könnte.

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