Ob meine Essstörung von meinem (vermuteten) Autismus kommt oder von dem meines Vaters sei dahingestellt^^,
Denn es kommt ziemlich sicher davon, dass mein Vater, ein großer Freund der Mathematik und der Algirithmen, jeden Einkauf und jede Mahlzeit, seit er Kinder hat, bis auf den letzten Krümel perfekt durchgeplant hat.
Also er hat uns nie verboten, viel zu essen. Wenn wir Nachschlag wollten, bekamen wir den auch. Das Problem war mehr der Abstand zwischen den 2-3 täglichen Mahlzeiten, die erste meist um 07:00 und das Abendessen auch gerne mal um 20 oder 21 Uhr, Mittagessen nur manchmal.
Wir durften nie Zwischenmahlzeiten essen oder alleine an den Kühlschrank gehen. Ich hatte Hunger als Kind. Ich wusste nicht, dass es nicht normal ist. Und meinem Vater fehlte einfach das Verständnis. Heute weiß ich, nach vielen Gesprächen mit ihm, dass er es wirklich aus Liebe getan hat. Er hatte Angst um uns, wollte nicht, dass wir übergewichtig werden. Die Angst war so groß, dass er so überrational gehandelt hat, dass es irrational wurde.
Im Dezember 2011, in meinem ersten Schuljahr am Gymnasium im nächstgrößeren Ort, wo ich als einzige aus 'nem "Kaff" mit dem Fahrrad hinfuhr, bekam ich mein erstes Taschengeld von meiner Mutter. 15 Euro, in bar. Nach wenigen Tagen war alles für Süßkram ausgegeben. Dinge, die ich noch nie in meinem Leben gegessen hatte. Bei uns gibt es keinen Supermarkt, also ging ich jeden Tag nach der Schule im dortigen Supermarkt einkaufen.
Ich habe noch nie Geld gespart. Alles, was ich jemals hatte, habe ich für Süßkram ausgegeben. Habe dafür sogar von meiner Schwester gestohlen, meine Eltern angelogen, auf ein neues Fahrrad und einen Führerschein verzichtet, für welche ich sicher ausreichend Geld geschenkt bekam. Ich wollte nicht darauf verzichten, es ist einfach so passiert. Es tut sehr weh, darüber nachzudenken.
Ich wurde nie übergewichtig. Ich habe meine Fressanfälle durch meine grundsätzliche Unterernährung ausgeglichen.
Eine Sozialarbeiterin empfahl mir im Frühjahr, einige Tage lang Kalorien zu zählen, einfach nur, damit wir wissen, womit genau wir es zu tun haben. Das war Ende März, als ich mir keine Lüge ausdenken konnte, die meinen Eltern erklärt, warum ich in den nächstgrößeren Ort fahren sollte. Heißt, ich aß nur meine normalen Mahlzeiten, ohne "binges". Ich kam täglich auf etwa 300-700 Kalorien zu wenig. Kein Wunder also, dass ich 1. immer noch schlank bin und 2. nicht aufhören kann, zu bingen.
Ich versuchte also, mehr zu essen. 2 Brötchen (/Semmeln^^) zum Frühstück statt einem halben. 2 Teller Nudeln statt einem, und die Falafel in reichlich Fett anbraten, ich kann es mir ja leisten. Die Kalorien reichten trotzdem nicht, denn ich schaffte es nicht, mit nur 3 Mahlzeiten genug zu essen, ohne dass mir schlecht wurde.
Ich denke, ich gehöre zu dem Typ Esser, den man im englischen Sprachraum "grazer" nennt, also Leute, die am besten 4 oder 5 kleinere Mahlzeiten essen sollten. Mein Vater dachte, das sei ein gewählter und undisziplinierter Lebensstil, der immer zu Übergewicht führt. Es tut sehr weh, wegen so einer simplen Sache in eine Essstörung reingerutscht zu sein, aber er wusste es ja wirklich nicht besser.
Ihr denkt vielleicht, ich habe keine Essstörung sondern nur einen falschen Lebensstil, und wenn mein Vater mich "grazen" lässt, wird alles wieder gut. Das dachte ich nämlich auch. Aber leider sind mein Hunger- und Sättigungsgefühl fast nur noch emotional und nicht körperlich bedingt und ob ich satt bin oder nicht, Gedanken an Essen bestimmen mein Leben und mein Handeln. Lügen über Essen, heimliche Einkäufe, die Suche nach Selbstkontrolle, über was in meinen Körper kommt.
Süßkram mit meiner Familie zu essen, ist nicht das selbe. Meine Stiefmutter buk letztens handflächengroße Nussschnecken und im Eifer des Gefechts aß ich ganze 6 davon. Danach hatte ich trotzdem den Drang nach einem Fressanfall, trotz Bauchschmerzen. Weil ich die Nussschnecken mit meiner Familie beim Kaffeekränzchen gegessen hatte, und nicht heimlich und alleine, so, wie es sich "gehört".
Nun ja, ich hoffe, dass ich hier nicht die einzige bin (und eigentlich hoffe ich es doch, weil ich so etwas niemandem wünsche).