Mit mir stimmt was NICHT nicht!

  • Hallo, ich bin eher zufällig auf deinen Thread gestoßen. Zuerst wollte ich nicht antworten, weil ich dann wieder über mich selbst nachdenken muss.Getriggert hat mich das Thema dann doch zu sehr. Erstens, weil ich als spät diagnostizierter Austist schon seit meiner Jugend unter Depressionen leide, die deshalb auch primäres Ziel jeder Behandlung bis zum bestätigten ASS waren. Zweitens wegen des Begriffs "Soldatenmodus", denn genau das war ich rückblickend mein ganzes Leben lang, ein Soldat im System. Immer angespannt, immer da für andere, so wenig krank wie möglich, bloß nie zu sehr auffallend, immer schön den Job ausfüllend, auch wenn es weh tut und ich den gar nicht will, dazu wenig klagen und jeden Schmerz besser stumm erdulden. Vieles weglächeln und den Körper auch im zunehmenden Alter fit halten, um bei dem Thema Verschleiß und Gewicht bloß nicht neue Depressionen zu bekommen, denn andere könnten ja lästern. Dabei die eigenen Bedürfnisse schon gar nicht mehr spüren, den Körper nur als Hülle wahrnehmen und sich selbst als Gast da drin ohne wirklichen Bezug. Ist mal was kaputt an dem Ding, lässt man es reparieren.

    Bisher habe ich leider keine nachhaltige Strategie gefunden, jedoch werde ich immer aufmerksamer und beobachte mich viel öfter selbst bei meinem Tun, umso älter ich werde. Einige Warnsignale nehme ich sogar inzwischen wahr. Nachts im Bett mit Wadenkrämpfen wache ich z.B. nur noch selten auf. Ich gönne mir mehr Pausen beim Sport und muss auch nicht mehr die ganze Welt im Blick haben. Ob mit oder sozialen Medien, die Welt mit ihren Bewohnern macht sowieso, was sie will. Und sie geht nicht unter, nur wenn ich mir Auszeiten von ihr nehme.

    Ich hätte mir so etwas wie eine Kapsel schon vor vielen Jahren auch gewünscht. Wo man nur für sich ist und sich selbst reflektieren kann. Dann wieder raus und auf ein neues in das Chaos da draußen.

    How you gonna win, when you ain't right within? - Lauryn Hill

  • Hallo Isa,

    vielen Dank für deine Beschreibung vom "anders" sein. Mir hilft es immer sehr, so etwas zu lesen. Selbst fühle ich mich auch seit 20 Jahren anders und damit ziemlich allein. Niemand in meinem Umfeld ist so wie ich. Ich habe, genau wie du, auch immer die Menschen um mich herum beobachtet, gesehen wie sie sich entwickeln, erwachsen werden. Und mich dafür verurteilt, dass ich sogar heute noch Kinderserien schaue. Es ist so merkwürdig all die typischen Entwicklungsschritte überall zu sehen, nur bei sich selbst nicht. Und immer von außen und von innen mit Zweifeln konfrontiert zu werden. Wie gern wäre ich einfach normal in die Kita gegangen, in die Schule, hätte verlässliche Freunde gefunden. Eine Gruppe, ein Verein, dann irgendwann "normale" Interessen entwickelt. Ich verarbeite das nicht über Depressionen, sondern über starke Ängste, die mich schon seit Geburt begleiten. Leider wurde ich immer nur in die Richtung therapiert und auch da immer nur in Frage gestellt, warum ich mich nicht einfach anders verhalte, warum ich die Sachen nicht lerne.
    Es ist für mich eine sehr wichtige Entwicklung, sich selbst so zu nehmen, wie man ist. Das klingt sehr leicht - für mich ist es die komplizierteste Aufgabe meines Lebens. Endlich mal alle Erwartungen fallen zu lassen. Das ist wirklich schwer.

  • @Diagnose 2015 @Sonne8

    Es geht wohl darum, gut auf sich selbst aufzupassen. Und bloß man selbst kann rausfinden, was für einen das Richtige ist. Zumindest ich habe nach zahlreichen Versuchen Therapie für mich abgeschrieben. Ich hatte da aber auch wirklich Pech, immer wieder an äußerst inkompetente Leute zu geraten. Es ist bloß eben gar nicht so einfach, so 'selbst-achtsam' zu werden. Doch ich möchte wirklich nicht mein Leben lang zwischen Überforderung und Komplettzusammenbruch schwanken.

    Ich denke schon, dass ich dazu lerne, wie ich besser auf mich achten kann. Es geht eben sehr langsam. Weil man auch leicht fehlgeführt wird, wenn man sich voller Kraft fühlt, dann zu wissen, wann ist es genug. Wichtig ist es denke ich kleine Signale des Körpers wahr-und ernst zu nehmen. Denn man befindet sich ja nicht im Krieg und von dem kurzzeitige Hochleistungsfunktionieren hängen Leben ab. Man muss nicht den Held spielen. Das ist eben die Crux, wenn der Kopf viel schneller ist als der restliche Körper. Das eine funktioniert ohne das andere nicht.

  • Es ist für mich eine sehr wichtige Entwicklung, sich selbst so zu nehmen, wie man ist. Das klingt sehr leicht - für mich ist es die komplizierteste Aufgabe meines Lebens. Endlich mal alle Erwartungen fallen zu lassen. Das ist wirklich schwer.

    Selbstakzeptanz, Selbstliebe ist, wie die ganze Persönlichkeitsentwicklung enorm wichtig. Anfangs ist es schwer, aber mit regelmäßigem Training wird es leichter und es macht spass. Wichtig ist, dass du dir selbst die notwendige Zeit gibst und dir auch bewusst ist, dass es Zeit braucht. Kopf hoch du schaffst das.

    Ein guter Anfang ist sich der eigenen Stärken und Schwächen bewusst zu werden. Nimm dir dafür 15- 30 Minuten Zeit und schreibe beide auf. Scheue dich nicht Freunde o. Familie zu fragen, was sie an dir mögen und schätzen.

    Danach gehst du deine vermeindlichen Schwächen nacheinander durch und stellst dir folgende Fragen;

    Ist das wirklich eine Schwäche?
    Warum ist das eine Schwäche?
    Kann ich daran etwas ändern und wie?
    Kann ich sie annehmen und akzeptieren, dass sie ein Teil von mir ist?

    Danach legst du dir ein Tagebuch an und schreibst die Situationen auf, wo deine Stärken und vermeindlichen Schwächen aufgetreten sind. Überlege dir was war gut, was nicht so gut und schreibe es in eine zusätzliche Spalte.

    Abends liest du dir mehrmals deine Stärken laut vor.

    Nach einer Woche gehst du alle Einträge, die vermeindliche Schwächen beinhalten, durch und überlegst dir, ob du etwas ändern und was du ändern kannst. Wenn du nichts ändern kannst, dann akzeptiere das.

    Wichtig: Vergleiche dich nicht mit anderen.

    Im nächsten Schritt sind die negativen Grundannahmen dran. Glaubensätze und negative Gedankengänge. Sag Bescheid wenn du so weit bist.

    2 Mal editiert, zuletzt von Tux (7. September 2020 um 06:44)

  • Interessant, ich habe bis jetzt auch nur schlechte Erfahrungen mit Therapie gemacht. Hab auch einiges durch: Verhaltenstherapie, Psychoanalyse...das auch nicht nur einmal. Ist das Pech....? Andere Menschen in meinem Umfeld scheinen mehr Glück gehabt zu haben.

    Klar kann man sich immer wieder reflektieren und auch viel lernen (zum Beispiel auch über die Fragen von Tux (vielen Dank!)), ich habe das schon in jungen Jahren gemacht/ gelernt. Wie Isa schon sagt, man muss nicht den Helden spielen und ich denke, dass diese Erkenntnis sehr wichtig ist für die Gesellschaft.

    Ich habe schon oft das Gefühl, dass die Menschen Diagnosen brauchen, um das eigene Verhalten zu entschuldigen und den Leistungsdruck fallen zu lassen. In dieser Gesellschaft ist das verständlich, aber wäre es nicht erstrebenswert, dass wir keine Diagnosen mehr brauchen, weil Neurodiversität erwünscht ist und man damit nicht mehr auffällt?

    Integration ist eine schwierige Sache und betrifft eigentlich jeden. Auch bzgl. eigener Anteile.

  • Es geht wohl darum, gut auf sich selbst aufzupassen. Und bloß man selbst kann rausfinden, was für einen das Richtige ist. Zumindest ich habe nach zahlreichen Versuchen Therapie für mich abgeschrieben. Ich hatte da aber auch wirklich Pech, immer wieder an äußerst inkompetente Leute zu geraten. Es ist bloß eben gar nicht so einfach, so 'selbst-achtsam' zu werden. Doch ich möchte wirklich nicht mein Leben lang zwischen Überforderung und Komplettzusammenbruch schwanken.

    Ja, es geht tatsächlich genau darum. Ich habe das selber noch nicht so richtig raus, aber mache zumindest stetig Fortschritte. Manche Dinge, die mir noch vor ein paar Jahren schwer gefallen sind, wurden fester Teil meines Lebens. Wie zum Beispiel Selbstbeobachtung und Reflexion. Das eigene Leben ist nie vorgezeichnet. Es kommt einem nur manchmal so vor, wenn eine schlechte Phase scheinbar nicht enden will. Wir alle haben Muster, denen wir nur zu gerne folgen, weshalb die von dir genannte Selbstachtsamkeit ein guter Weg sein kann. Was die inkompetenten Leute angeht, auch Therapeuten sind nur Menschen. Ich selbst habe unzählige Stunden bei einer Psychologin verbracht, die alles mögliche an mir therapieren wollte, jedoch in zwei Jahren nie mein Problem erkannt hat. Sie zweifelte mein an der Uniklinik Freiburg festgestelltes AS sogar an, bezeichnete es als Mode-Diagnose, dazu die Ärzte dort als oftmals angelernte Assistenten auf dem Gebiet. Damals wurde mir spontan klar, wer wirklich inkompetent ist.

    Eine durchdachte Strategie wie @Tux habe ich nicht, finde seine aber nicht schlecht. Wie auch immer, du wirst deinen Weg sicher finden. Warum ich das glaube? Du denkst viel über dich und deine Situation nach, was immer den Anfang einer Veränderung bedeutet. Bleibst du dabei, wirst du irgendwann deine Überforderung rechtzeitig erkennen, bevor es zu einem Zusammenbruch kommen kann.

    How you gonna win, when you ain't right within? - Lauryn Hill

  • Hänge gedanklich nach dem Lesen eurer Beiträge noch an dem Thema Therapie. Warum mir das so wenig gebracht hat oder es sogar das Gegenteil von Hilfe war. Möglicherweise auch da ich mich sowieso schon (zu) selbstkritisch betrachtet und viel analysiert hab und mich das nicht weiter brachte. Ja genau, ich glaube es ist dieses Extrem-Kopfmensch sein, was einen auch dahin bringt, immer wieder über seine Grenzen zu gehen. Sinnvoller als durch das Gerede in der Therapie, was einen wieder so in den Kopf bringt, wären wohl eher Dinge, die einem helfen, den Körper bzw. die Gefühle besser wahrzunehmen. Sport, Tanz, vielleicht auch so Wellness Dinge, wie warme Bäder in der Therme oder als Kind mochte ich im Park gerne das 'Wassertreten', also wo man barfuß durch kaltes Wasser geht. Oder auch auf der Wiese oder im Sand laufen. Musik machen, Tiere streicheln... Naja alles Dinge eben, die auf die Sinne wirken. Mehr Konkretes fällt mir nicht ein, aber heute weiß ich, das ist es was ich brauche und nicht überlegen, was stimmt mit mir alles nicht.

    Genau, denn der andere Punkt, Selbstakzeptanz, die wird auch nicht besser, wenn man von so einem Therapeuten behandelt wird wie ein besonders spannendes Exemplar von exotischer Pflanze. Mich hat ein Arzt geradeheraus einmal 'Faszinosum' genannt, fand ich schräg, doch er war wenigstens ehrlich. Ansonsten ist es immer so ein erstaunter Blick und es kommen ganz viel neugierige Fragen, die einem persönlich dann aber auch nicht helfen. Eher verstärkt so eine 'Begutachtung' doch dann unterschwellig das Gefühl von 'Falschsein', 'Komischsein',... Das heilt einen also nicht... Lieber doch dann einen Ort finden, wo man sich akzeptiert fühlt, bzw. eben solche meiden, wo man sich nicht akzeptiert, verstanden und wohl fühlt.

  • Was und wie du, @Isa es in deinem letzten post schreibst, wirkt auf mich fast schon wie Teil einer öffentlichen Therapie von der Therapie. Weg von all der Selbstkritik, von dem Kopfmensch, der ewigen Analyse des Selbst hin zu mehr Gefühl, zu mehr Körper, mehr Natur auf der Suche nach Befreiung. So viel Selbstreflexion finde ich ehrlich bemerkenswert. Und ja, die Dinge, die auf unsere Sinne wirken, heilen mehr als all die immer schlauen Worte eines jeden Therapeuten. Davon bin ich auch überzeugt. Aber wie schon festgestellt, die Therapeuten sind auch nur Menschen. Wenn sie einem nicht gut tun, muss man halt gehen. Begutachtung und Bezeichnung als Faszinosoum durch die Person, die einem helfen soll, ist allerdings nicht hinnehmbar. Ein absolutes "no go".

    Eher verstärkt so eine 'Begutachtung' doch dann unterschwellig das Gefühl von 'Falschsein', 'Komischsein',... Das heilt einen also nicht... Lieber doch dann einen Ort finden, wo man sich akzeptiert fühlt, bzw. eben solche meiden, wo man sich nicht akzeptiert, verstanden und wohl fühlt.

    Du weißt ja selber, dass man Autismus nicht heilen kann, verstehe aber, was du sagen willst. Diese Sehnsucht vergeht ja irgendwie nie. Diesen von dir gesuchten Ort suchen Millionen anderer Menschen mit den unterschiedlichsten Problemen auch. Ich zum Beispiel seit bald 54 Jahren. Inzwischen glaube ich aber, dieser Ort ist in mir selbst und die Welt vor der Haustür oder im Smartphone sind immer nur Momentaufnahmen. Wir alle tragen so viel Ballast mit uns rum, weil uns beigebracht wurde, es mit uns zu schleppen. Du hast recht, wenn du meinst, es ist unnötig. Um es loszuwerden, braucht es deshalb eine gute Umgebung mit guten Menschen, die einen so akzeptieren, wie man ist. Einen bestimmten Ort braucht man aber meiner Meinung nach nicht. Wie du schon sagtest, der ist da, wo man sich wohlfühlt.

    How you gonna win, when you ain't right within? - Lauryn Hill

  • wo man barfuß durch kaltes Wasser geht. Oder auch auf der Wiese oder im Sand laufen. Musik machen, Tiere streicheln... Naja alles Dinge eben, die auf die Sinne wirken. Mehr Konkretes fällt mir nicht ein, aber heute weiß ich, das ist es was ich brauche und nicht überlegen, was stimmt mit mir alles nicht.

    Danke hierfür! Das sind alles Dinge, die auch mich glücklich machen, ich staune, wie schnell es geht, dass ich wirklich glücklich (!) bin, wenn ich ein wenig barfuß über Rasen oder in kaltes Wasser gehe oder wenn ich Kontakt mit einem Tier aufnehmen kann. Da sich solche Dinge aber nicht allzu oft ergeben, vergesse ich es im Alltag und gerate dann wieder in so düstere Grübelgedanken, sobald es mal wieder eine nicht so gute soziale Situation gab.
    Deshalb schrieb ich Danke - für das Bewusstmachen.
    (Zum Streicheln hab ich zuhause jetzt immerhin eine Art Kuscheltier, das mit einem Tierfell hergestellt wurde - fühlt sich an, als würde man ein lebendes Tier streicheln - nur ohne "Feedback" ;) ).

    Einmal editiert, zuletzt von Lefty (12. September 2020 um 22:46)

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