Warum ist Smalltalk so unbeliebt?

  • Wenn ich genau drüber nachdenke, dann fällt mir auf, dass ich eigentlich nicht weiß, was Smalltalk wirklich ist.

    Ich war ja immer der Meinung, dass Smalltalk kein Problem für mich wäre. Ich rede ja gerne. Ja, aber nur über Dinge, die mich tangieren. Meist rede ich mit Personen, zu denen ich irgendeinen Bezug habe. Eltern, Kinder oder eben mit Bekannten, die ich durch die Kinder kenne.

    Treffe ich die Nachbarn hab ich keine Ahnung was ich mit denen reden soll
    Wenn mich das Thema nicht interessiert, schweifen meine Gedanken ab. Es fühlt sich an als würden sie weggezogen.
    Selbst mein Blick gleitet davon. Wie eine plötzliche Müdigkeit.
    Schwer zu beschreiben. Aber es ist anstrengend.

  • Eine absolute Abneigung gegenüber Smalltalk habe ich nicht. Bei mir kommt es da sehr auf die Gesprächsthemen an, z.B. interessieren mich Gespräche über Modetrends überhaupt nicht.

  • Ich fühle mich beim Smalltalk überfordert, weil dort meist Inhalte sind, die mit meiner Innenwelt kaum was zu tun haben.

    Das ist ein spannender Hinweis.
    Mir fällt es schwer zu kommunizieren ohne die Innenwelt mit einzubeziehen.

    Daher wird auch ein Gespräch übers Wetter mit mir auf Dauer kaum smalltalkig bleiben.
    Eben weil es mir so schwer fällt innere Verknüpfungen und Assoziationen auszuklammern.
    Was aber eben nicht immer erwünscht ist.

  • Wenn ich genau drüber nachdenke, dann fällt mir auf, dass ich eigentlich nicht weiß, was Smalltalk wirklich ist.

    Wenn Du Dich im Park neben mich auf die Bank setzt und sagst: "puh, der dauernde Regen ist echt nervig" und ich antworte "dann musst Du aus Deutschland auswandern", hast Du Smalltalk geführt und ich es verbockt.

  • Wenn Du Dich im Park neben mich auf die Bank setzt und sagst: "puh, der dauernde Regen ist echt nervig" und ich antworte "dann musst Du aus Deutschland auswandern", hast Du Smalltalk geführt und ich es verbockt.

    Das bekomm ich hin. Wenn ich dich nicht persönlich anspreche, ist es dann auch Smalltalk?
    Übers Wetter reden ist leicht. Aber was sage ich (theoretisch) zur Ballettlehrerin meiner Tochter?! Ist es Smalltalk, wenn ich frage wie sich meine Tochter im Unterricht macht?
    Mir fiele nichts ein, was ich sagen könnte ohne persönlichen Bezug.

  • Heute auf der Arbeit unterhielt ich mich mit einigen Personen über die Gefahr einer möglichen zweiten Infektionswelle und das ignorante Verhalten vieler Menschen, z.B. der "Ballermann-Touristen". Ist das auch Smalltalk?

  • @Grübler_1988 Ich glaube, das ist kein Smalltalk, weil das Gegenüber könnte anderer Meinung sein (z.B. weil selbst "Ballermann-Tourist") und schon ist es vorbei mit dem leichten Geplauder ohne größere Reibungspunkte.

    Ich glaube, es ist grundsätzlich kein Smalltalk, wenn man etwas ernsthaft kritisiert.

  • Das bekomm ich hin. Wenn ich dich nicht persönlich anspreche, ist es dann auch Smalltalk?

    Wenn Du nicht versuchst, dadurch mit mir ins Gespräch zu kommen, ist es wohl nur laut denken oder ein Selbstgespräch. Wenn Du dabei ein Headset tragen würdest, würde ich Dich für normal halten.

    Ich bin jetzt sicher keine Autorität in Sachen Smalltalk. Die Frage, wie sich die Tochter im Unterricht macht, klingt mir aber äußerst bedeutsam, ich würde das nicht als Smalltalk einstufen.

    Der Kontext ist halt m.M.n. wichtig. Das, was @Grübler_1988 mit Corona beschreibt, wäre für mich im Kontext einer Arbeitspause generell auch Smalltalk. Zumindest taugt das Thema dazu, das ist ebenso wie ein Endspiel einer Fussball-WM o.ä.: jeder weiß Bescheid und kann mitreden. Wenn er dieselbe Unterhaltung über Corona bei Anne Will führen würde, wäre es aber kein Smalltalk mehr.

  • Ok, dann habe ich wohl keine nennenswerten Schwierigkeiten mit Smalltalk.

    Hast du nur kein Problem damit, auf eine Smalltalk-Äußerung zu antworten, oder hast du auch kein Problem damit, die erste Smalltalk-Äußerung zu machen?

    Das ist bei mir ein Riesenunterschied. Kollege 1: "Boah, ist es heute schwül. Mir klebt alles." - Ich: "Ja, so richtig eklig." Das geht immer, langweilt mich nur und ich werde schnell einsilbig. Bloß umgekeht, also wenn ich anfangen müsste, das geht nur mit Riesenanstrengung, und wenn ich mich drücken kann, tu ich es.

    "Ich kämpfe nicht, ich behaupte mich." - "Ich will nicht siegen, ich will sein." (Georg Kaiser)

  • Hast du nur kein Problem damit, auf eine Smalltalk-Äußerung zu antworten, oder hast du auch kein Problem damit, die erste Smalltalk-Äußerung zu machen?

    Sowohl als auch, würde ich sagen. Ich habe eher Probleme damit, Smalltalk am Laufen zu halten. Aber auch da kommt es bei mir sehr auf das Gesprächsthema an.

    Ich finde die Definition des Smalltalks ziemlich "schwammig". Ich weiß oft nicht, wo Smalltalk beginnt bzw. aufhört. Ich habe z.B. mehrmals die Beobachtung gemacht, dass einige Autisten vor Beginn und nach Beendigung der Selbsthilfegruppe bzw. Gruppentherapie smalltalken, zumindest das, was ich unter Smalltalk verstehe. Möglicherweise wird die Definition des Smalltalks in der Fachwelt enger gefasst.

  • Wie wäre es mit: "Gespräch, das nicht des Inhalts wegen geführt wird"

    Dazu habe ich eine Verständnisfrage. Wenn ich z.B. einer Arbeitskollegin erzähle, dass ich letzten Sonntag mit meinem Vater eine Radtour durch die Wahner Heide bis zum Flughafengelände gemacht und mit ihm die Flugzeuge beobachtet habe, ist das dann auch kein Inhalt? So eine Information ist für meine Arbeitskollegin zwar nicht wichtig, aber möglicherweise interessant. Ist es nur dann ein Inhalt, wenn es eine wichtige Information ist?

  • @Grübler_1988 Das Smalltalk-Gespräch wird nicht WEGEN des Inhalts geführt, das heißt nicht, dass es keinen Inhalt haben darf.

    Aber ich habe das Gespräch in diesem Fall doch auch wegen des Inhalts geführt, nämlich

    dass ich letzten Sonntag mit meinem Vater eine Radtour durch die Wahner Heide bis zum Flughafengelände gemacht und mit ihm die Flugzeuge beobachtet habe,

    oder was meinst Du mit "wegen"?

  • Einen inhaltlichen Austausch über Flugzeuge, Radtouren usw. wolltest Du ja nicht?

    Das stimmt, das wollte ich nicht.

    Meine bisherige Beobachtung ist, dass es auch einige Autisten gibt, die smalltalken. Aber das Spektrum ist ja bekanntlich groß.

  • @Grübler_1988 Das heißt, dass der Inhalt nicht der eigentliche Grund für das Gespräch ist, der eigentliche Grund ist, diesen sozialen Schmierstoff zu erzeugen, oder wie das heißt :lol: Sich gegenseitig versichern, dass man kein Feind ist und so.

  • @Grübler_1988 Das heißt, dass der Inhalt nicht der eigentliche Grund für das Gespräch ist, der eigentliche Grund ist, diesen sozialen Schmierstoff zu erzeugen, oder wie das heißt :lol: Sich gegenseitig versichern, dass man kein Feind ist und so.

    Ich habe den Eindruck, dass ich mir das gefühlt eine Miliarde mal anhören und durchdenken kann ( das wurde mir schon als ich noch längst nichts von Autismus wusste mal von einem Partner erklärt, als ich ihn fragte, weshalb andere Leute gerne so oberflächliches Zeugs austauschen), für mich funzt das einfach nicht als "Schmierstoff", für mich ist es eher "Sand im Getriebe",
    bei purem smalltalk, in dem es wirklich so gar nicht um den Inhalt geht werde ich eher total nervös.
    Binnischnichfür gemacht vermutlich :d .

    Einmal editiert, zuletzt von ifi (14. Juli 2020 um 00:42)

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