Bitte um Meinung/Rückmeldung: Teamleiter als Asperger

  • Guten Morgen zusammen,

    ich bin schon lange Leser des Forums, habe nun aber selbst ein wichtiges Anliegen, zu dem ich händeringend um Hilfe suche. Aufgrund der etwas komplizierten Situation und meiner Hilflosigkeit wende ich mich hoffnungsvoll an euch:

    Zu mir: Ich bin männlich, 35, habe seit Ende letzten Jahres die "Verdachtsdiagnose" ASS (Asperger, High Functional) bekommen und mich nach einem Moment der Verdauung Mitte Februar um einen Diagnosetermin bemüht. Aufgrund der Corona-Situation wurde der ursprüngliche Termin abgesagt, so dass ich nun einen neuen Termin für Mitte September bekommen habe. Mein Vater ist diagnostizierter Asperger, das war mir aber so nicht bewusst, war auch nie Thema. Ich habe also (noch) keine Diagnose, bin aber "wahrscheinlich" Asperger. Auch wenn ich weiß, dass das dem einen oder anderen nicht passt, bitte ich euch das für den Moment zu akzeptieren.

    Zu meiner Situation: Ich hatte schon immer Probleme im sozialen Umgang, mit Fragen und Antworten, Kommunikation generell, Schulaufgaben, Unterricht, etc. Ich habe trotzdem Kindergarten, Grundschule und Gymnasium mit (nicht so gutem) Abitur geschafft. Ausbildung und berufsbegleitendes Studium (zu meinem Vorteil mit sehr wenig physischer Anwesenheitspflicht) konnte ich auch noch anhängen. Danach ging es mir erst mal 2 Jahre körperlich nicht gut. Habe dann auch den Arbeitgeber gewechselt. Vor 5 Jahren habe ich nochmal den Arbeitgeber zu einem großen IT-Konzern gewechselt. Nun habe ich über 10 Jahre Berufserfahrung, die Firma wird intern neu strukturiert (wir werden "agil") und ich soll ein "Product Owner" werden. (Kurz erklärt: Mir "gehört" das Produkt Server, ich soll es weiterentwickeln, mit den davon abhängigen Abteilungen abstimmen, viel in Meetings unterwegs sein, reisefür Fortbildungen reisen, etc pp. Früher hätte man darunter vielleicht einen "Fachverantwortlichen" verstanden. Der disziplinarische Teil fällt raus, weil es einen "Team Coach" geben soll, der sich um die Kollegen und das Erfüllen der Aufgaben kümmern soll. Das zur Einordnung...). Sprich: Ich soll vom "Administrator" zum "Fachverantortlichen" werden, was eine Beförderung bedeutet.

    Zu meiner Vergangenheit: In den letzten 5 Jahren bin ich immer mehr mit Aufgaben betraut worden, die Richtung Führungskraft ging. Die soziale Komponente dabei fiel mir immer sehr schwer. Meetings, Telefonate und vor allem das "Immer zur Verfügung stehen müssen" machten mir zu schaffen. Insbesondere auch in Eskalations- und Problemzeiten immer präsent sein zu müssen, um die Stabilität unserer Umgebung zu gewährleisten und die Teamkollegen am Arbeiten zu halten, setzen mir zusehens zu. Ich habe bereits körperliche Auswirkungen (Herzstolpern, Verspannung, Schwindel, fühle mich immer "vergesslicher" und überlastet). Mein Herz hängt an der "Administration der Server", meine Fähigkeiten der Firma werden bei der Weitsicht und der Stabilitätsverantwortung von mir geschätzt. Für mich ist das jetzt eine riesen Chance, aber ich befürchte ich bin ihr nicht gewachsen. Von Außen merkt mir das anscheinend keiner an, weil ich sehr gut im Kompensieren geworden bin. Nach Feierabend bin ich zu Hause aber nicht mehr in der Lage zu Kochen oder etwas zu unternehmen. Ich lebe so schon sehr zurückgezogen und gehe kaum unter Leute, weil mich das fertig macht. Aber so komme ich nicht mehr zu meinen normalen Lebensaufgaben, geschweide denn zu Hobbys.

    Annäherung an mein Problem: Ich konnte gefühlt im ganzen Internet niemanden finden, der mit Asperger-Grundvoraussetzung versuchte eine Führungsposition zu bekleiden. Auch keinen, der versucht "sich zu optimieren" oder eine Therapie macht, um das zu erreichen. Ganz im Gegenteil: Ich konnte nur Leute finden, die versuchen "ihr normales Leben" in den Griff zu bekommen, die versuchen einen festen Job zu bekommen und "zu ertragen", etc. Das fällt mir auch alles schwer, aber irgendwie funktioniert es, zum Teil auch weil ich mich selbst (körperlich) in den Hintergrund stelle um für den Job alles zu geben. Ich kompensiere auf Kosten meiner Gesundheit und bin damit (bis auf den gesundheitlichen Schaden) auch ziemlich erfolgreich.
    Meine kurzfristigen Anfragen bei psychologischer Hilfe wurden aktuell alle abgelehnt, weil ich noch keine Diagnose habe und die "Stammpatienten", die sicher diagnostiziert sind, Vorrang haben. Somit bleibt mir nur Selbstrecherche - und eben hier "die Betroffenen" um Austausch zu bitten.
    Alle Therapieangebote, die ich grundsätzlich finden konnte, drehten sich um die alltäglichen Probleme. Ich konnte keinen Therapeuten finden, der sich auf "Wie gehe ich als Autist/Asperger mit Verantwortung und Druck in Führungspositionen um" spezialisiert hätte.
    Mein Osteopath, den ich auch erst seit Anfang des Jahres besuche, stellte bisher diverse Verspannungen (Rücken, Nacken, Tinnitus, Schwindel, etc) fest und meinte, dass bei mir grundsätzlich was im Argen sei. Da er keine Spezialisierung Richtung Autismus hat, kann er nur die körperlichen Symptome abfedern bzw bewerten. Seine einzige psychologische Aussage war, dass ich anscheinend ein Problem mit dem Thema Abgrenzung habe und zu sehr Erwartungen anderer erfülle und mich selbst vernachlässige. Sein eindringlicher Hinweis: Nicht so weitermachen wie bisher :prof:

    Meine Fragen:
    - Gibt es eine Möglichkeit, als Asperger der schon unter "Alltagsproblemen" leidet, eine Therapie/ein Coaching zu erhalten, was einem den Umgang mit den Aufgaben/Herausforderungen einer Führungskraft vereinfacht?
    - Gibt es dafür Spezialisten?
    - Sind meine Ansprüche zu hoch? Sollte ich mich eher um meine "normalen" Aspie-Probleme kümmern?
    - Ist es ein "Versagen", wenn man Dinge rein fachlich/kognitiv kann, aber nicht aushält?

    Erkenntnisse während des Schreibens des Beitrags:
    - Frage ich das alles wirklich? Während des Schreibens kommt es mir so dumm vor nicht einfach einzusehen, dass ich der Firma auf Kosten meiner Gesundheit vorrübergehend helfen will :m(:
    - Ich denke ich sollte lieber froh sein, dass ich mein Leben halbwegs auf die Reihe bekomme.
    - Ich sollte meine Gesundheit in den Vordergrund stellen und auf meiner bisherigen Position "zur Ruhe kommen" und mich privaten Dingen (wieder normal Essen, Freunde finden, Hobbys genießen) widmen

    Jetzt schäme ich mich schon fast den Text abzuschicken, weil er so überrumpelt, undurchdacht und im Ergebnis viel offensichtlicher ist, als er vorher noch in meinem Kopf war. Ich nehme trotzdem Mal meinen Mut zusammen, denn zu verlieren habe ich nichts.

    Viele Grüße vom Schatten

  • Nee, dein Text ist schon strukturiert.

    Du solltest dir auf jeden Fall einen Therapeuten nehmen, der entsprechende Erfahrungen mit Asperger hat, da man sonst schlicht und einfach aneinander vorbeiredet.

    Zur beruflichen Situation kann ich nur erzählen, wie es bei mir war. Bevor ich die Diagnose bekam, wechselte ich bei uns auf eine andere Stelle, die allerdings meinen Neigungen und meinem Verhältnis zu anderen Menschen überhaupt nicht entsprochen hatte. Vor allem wurde innerhalb des Teams das Thema der "Gruppendynamik" sehr geschätzt, und diesbezüglich konnte ich natürlich nur scheitern, ohne jedoch zu wissen, worin das tatsächlich begründet ist.

    Jedenfalls hatte mich die ganze Sache in eine massive Depression geschoben, aus der ich - auch durch meine bis dahin unerkannten Besonderheiten - trotz teilstationärer Therapie nur sehr schwer wieder herausgefunden hatte.

    Mittlerweile weiß ich ja, dass ich einige Besonderheiten aufweise - die ja allerdings bei jedem Aspie unterschiedlich gelagert sein können - und kann mich deshalb selbst besser einschätzen, und dazu gehört bei mir zum Beispiel, dass ich auf Grund dieser für eine Führungsposition gänzlich ungeeignet bin, was aber nicht an mangelnder Intelligenz liegt, sondern an zwischenmenschlicher Wahrnehmung, hier besonders das Verständnis von für mich unstrukturierten Arbeitsanweisungen/Besprechungen.

    Du kannst nur schauen, was dich besonders an dieser Aufgabe belasten könnte und überlegen, ob und wie du damit umgehen kannst.

  • Ich konnte gefühlt im ganzen Internet niemanden finden, der mit Asperger-Grundvoraussetzung versuchte eine Führungsposition zu bekleiden.

    Hier gibt es einige. Ich war einige Jahre bei der Bank Gruppenleiter in der Kreditabteilung, ansonsten fällt mir sofort @zaph ein, außerdem @aphylla als Arzt mit eigener Praxis, aber es gibt sicher noch mehr. Grundsätzlich geht das schon - aber natürlich nicht bei jedem, sowenig wie jeder Aspie Beziehung kann. Ob es bei Dir machbar ist, kann ich Dir deshalb nicht sagen, es fällt Dir aber offenbar schwerer als mir damals. Deshalb ist es auch schwer zu sagen, ob sich da therapeutisch etwas erreichen lässt - da wissen sie aber am ehesten bei der Diagnosestelle etwas (zumindest wenn es eine Spezialambulanz ist, die haben z.T. selbst entsprechende Angebote). Ich glaube aber nicht, dass es etwas so spezielles wie "Führungskraft lernen als Aspie" gibt, nur allgemeine therapeutische Hilfen, um mit den spezifischen Schwierigkeiten umgehen zu können. Allerdings dürfte Dir bereits die Erkenntnis dabei helfen, besser damit umzugehen, weil Du jetzt besser verstehst, wo das Problem liegt und Schwierigkeiten evtl. auch mal antizipieren kannst. Insofern besteht sogar ohne Therapie Hoffnung darauf, mit der Situation zukünftig besser zurechtzukommen.

    - Ist es ein "Versagen", wenn man Dinge rein fachlich/kognitiv kann, aber nicht aushält?

    Nein, und das war für mich fast der größte Vorteil an der (späten) Erkenntnis von AS: ich habe begriffen, dass manches, das ich bisher als Versagen betrachtet hatte, unvermeidliches Scheitern an AS war.

  • Vielen herzlichen Dank schon mal für die Rückmeldungen!

    Ich habe den Therapieansatz und das Asperger-Dasein immer so verstanden, dass Asperger nicht heilbar ist (soweit klar), aber man in der Therapie auch eher nur lernt zu Kompensieren bzw. sich der Notwendigkeit des "Entspannens" bzw. Ausgleichs bewusst zu werden. Die Therapie löst doch nicht meine Wahrnehmungsabweichungen, oder?
    Daraus würde ich folgern, dass ich mit meinem "normalen" Beruf in Kombination mit Entspannung ganz gut zurecht käme, aber meine Asperger-Probleme als Führungskraft (Schwierigkeiten bei Kommunikation, Kollegen "überreden/überzeugen", die politischen Machtspielchen ertragen, immer verfügbar sein tu müssen, etc) das Entspannungspotential überschreiten würden. Also dass die Entspannungsmöglichkeiten nicht mehr reichen die täglichen Anspannung auszugleichen.

    Da der neue Job ab Sommer losgehen würde, ich aber erst frühestens im Herbst eine Diagnose habe und dann optimistisch geschätzt vermutlich erst ab Winter eine Therapie beginnen könnte, wird das zeitlich eh nichts. Ich laufe schon seit zwei Monaten auf dem Zahnfleisch, weil aktuell so eine Übergangsphase ist, in der ich schon fast das mache, was ich zukünftig fest machen soll. Ich traue mir das gesundheitlich nicht bis sagen wir mal Frühjahr 2021 zu, in Vorleistung zu gehen, bis eine Therapie erste Wirkung zeigt. Und die würde vermutlich auch erst mit den Basics anfangen (Eltern besuchen lernen, soziales Umfeld aufbauen, etc). Geschweige denn in wenigen Wochen gleich zur Führungskraft aufbauen...

    Dass da nicht jeder gleich ist, ist mir auch bewusst. Aber insbesondere von denen mit Therapieerfahrung würde mich interessieren, ob das Therapieergebnis ist, mit dem Alltag klar zu kommen, oder ob man in der Therapie sprichwörtlich "über sich hinaus wachsen" lernt, und auch zu Dingen befähigt wird, die man sich vorher nicht hat erträumen können.

    Stand jetzt bin ich sehr skeptisch die Position anzunehmen. Ich mag aber auch nicht aus falscher Vorsicht zögern und die Chance vergehen lassen. :(

  • aber man in der Therapie auch eher nur lernt zu Kompensieren bzw. sich der Notwendigkeit des "Entspannens" bzw. Ausgleichs bewusst zu werden. Die Therapie löst doch nicht meine Wahrnehmungsabweichungen, oder?

    In der Therapie lernst du den Umgang damit. Methoden und Techniken um deine Stärken zu nutzen und mit deinen Schwächen umzugehen, Workarounds und Hilfsmittel zu nutzen.

    Und für eine Ergotherapie brauchst du keine Diagnose, nur eine Verschreibung vom Hausarzt.

  • Die Therapie löst doch nicht meine Wahrnehmungsabweichungen, oder?

    Nein, das wäre ja gewissermaßen Heilung. Sie erleichtert im Erfolgsfalle den Umgang - aber dazu können andere Dir Erfolgsberichte geben.

    Asperger-Probleme als Führungskraft (Schwierigkeiten bei Kommunikation, Kollegen "überreden/überzeugen", die politischen Machtspielchen ertragen, immer verfügbar sein tu müssen

    Das hängt v.a. davon ab, wie ausgeprägt das jeweils ist, und das ist teils jobabhängig, teils hängt es am Umfeld, und nur zum (womöglich kleineren) Teil an Dir, weshalb es schwierig ist, von außen etwas dazu zu sagen. Ich höre bei Dir aber v.a. die Sorge vor dem Scheitern heraus und einen allzu starken Fokus auf möglichen Therapieerfolgen. Wie wäre es, wenn Du umdenkst und den Schwerpunkt einstweilen mehr drauf legst, Deine AS-Eigenheiten und ihre Folgen in der Kommunikation zu verstehen und entsprechend zu berücksichtigen? Das wäre eine sofortige Maßnahme, während die Therapie ein Hoffnungswert wäre, wobei dann noch die Gefahr besteht, dass Du (bewußt oder unbewußt) zu große Erwartungen in schnelle Erfolge setzt, die dann - auch wegen des Dir damit selbst auferlegten Erfolgsdrucks - nicht im erhofften Maße in der erhofften Kürze der Zeit eintreten. Ich habe damals übrigens immer einen sehr langen Urlaub (1 Monat) gemacht, um komplett rauszukommen, vielleicht kannst Du das ja auch machen. Ich habe die Zeit dann z.B. teilweise an meiner alten Uni verbracht, habe dort in der Bibliothek die Neueingänge durchgestöbert u.ä., also ganz andere Welt als der Job.

    Stand jetzt bin ich sehr skeptisch die Position anzunehmen. Ich mag aber auch nicht aus falscher Vorsicht zögern und die Chance vergehen lassen.

    Vielleicht wäre es eine Option, mit den Personalverantwortlichen zu sprechen und Bedenken zu äußern, ob Du der Führungsaufgabe zum jetzigen Zeitpunkt schon gewachsen bist. Das kommt u.U. sogar gut an (der Mann weiß um seine Schwächen), evtl. kkönnte dann auch ein Führungsnachwuchs-Coaching seitens des Arbeitgebers angestoßen werden, wenn sie Dich auf der Position dringend haben wollen.

    Einmal editiert, zuletzt von HCS (19. Mai 2020 um 14:58)

  • Um zu Führen braucht man Führungskompetenzen.
    Diese sind relativ klar definiert, und je größer und bewusster der Methodenpool, desto besser kommt man auch mit "Unerwartet" klar.

    Dabei kann ein Kompetenzenteil eine Schwachstelle bei anderen ausgleichen. Sachlichkeit und fachliche Kompetenz, die manchen in solchen Positionen fehlen, wird versucht mit "Empathie" aus dem "Alltagssozial" auszugleichen. Manchen gelingt das, aber vor allem, wenn das unter dem Unsicherheits-Aspekt "gemocht werden wollen" passiert, geht es gründlich schief.

    Ein Bekannter von mir stottert extrem in Alltagssituationen. Sobald er sich aber in der Rolle "Leitung" befindet, ist das Stottern völlig weg.

    Wie viel hast du dich mit Führung und Leitungmethoden schon beschäftig?
    Wenn du nicht schon in dem Bereich irgendwelche Kompetenzen gezeigt hättest, könntest du gar nicht machen, was du jetzt schon machst. Und man hätte dich auch nicht machen lassen.

    Die Fragen sind also:
    "Will ich a) das überhaupt - oder will ich b)wieder zurück auf die alte Position?"
    Bei a) wäre dann zu Fragen "
    1. Was bringe ich an Kompetenzen mit (Kompetenzenliste - und ja, diese hat man nicht immer und jederzeit bei allem, trotzdem sind sie da).
    2. Welche sollte ich noch ausbauen oder dazu lernen
    3.Wie kann ich gesichert meine Schwächen bei einer Kometenz durch Methoden einer anderen ausgleichen, damit das alles nicht so anstrengend ist.

    Hier ist dann auch zu fragen, welche Prioritäten du setzt.
    Gleichzeitig beruflich und Elternbesuche und Soziales Umfeld aufbauen - das allein reicht schon, um sich selbst zu überfordern.

    Auch ist weniger die Frage, ob man Kontakt zu Eltern hat oder ein soziales Umfeld, sondern welche Qualität diese haben.
    Wo keine Freude aus der Qualität, sondern nur, "um die Belastung aushalten, weil man soowas machen muss" hindert es dann bei dem, was Freude macht.
    Auf der anderen Seite kann Routine in der Führungskompetenz auch helfen, bei Eltern auf "sachlich" zu schalten, wenn sie wenig unterstützend sind. Die im einen Bereich gelernte emotionale Abgrenzung z.b. gegen "notorische Anzweifler".

    Manchmal hilft es auch, alle mit hineinspielenden Themenbereiche aufzulisten und dann rechts davon Spalten mit
    "Gesicherter Vorteil - erwarteter Vorteil - Preis, den es kostet - Befürchtetes" zu Packen
    anzulegen.
    Jede dieser Spalten wird dann nochmal unterteilt in "fianzielle/materiell" und "emotional".

    Alles erst mal eintragen, ohne zu werten.
    Erst wenn alles drin steht, nach
    "Gefühlstärke oder Wissenssicherheit" Punkte zwischen 1 und 5 vergeben.

    Unten zusammenrechen - und dann ist oft sehr interessant, dass manchmal eine Punktevergabe in einem kleinen Teilbereich das Gesamtergebnis völlig dominiert.

    Und wenn sich doch mal ein Patt ergeben sollte - dann kann man völlig frei entscheiden. :)
    (btw, das ist eine Methode aus den Führungskompetenkatalog, Teilbereich "Entscheidungen treffen" - und die kann man ja auch mal für die "innere Führung" anwenden ;) ).

    Das hat auch wenig mit AS zu tun, es sind ja nicht alle Aspies, die den ganzen Markt der Führungs/Leitungs/Kommunikations/Konfliktlöse/Teamarbeits/Management"-Seminare am Laufen halten/RW. :)

    Das wichtigste ist aber immer, nichts zu machen, hinter dem man nicht steht/RW.
    Hat man sich bewusst und eindeutig für etwas enstcheiden, ist auch der "Preis" ok, den das "kostet", und wenn etwas nicht klappt, dann forgt darauf "daraus was neues gelernt".
    Steht man nicht hinter der eigenen Entscheidung, dann "kostet" sie gefühlt "zu viel" und wenn was mal nicht klappt, sind das gefühlte Verluste und gefühltes "eigenes Total-Versagen" - oder "die schlimme Welt".

  • Huhu, ich gebe mal meine Erfahrungen zum Posten des Teamleiter (bei der Deutschen Bahn) ab, der noch weit vor meiner Diagnose in meiner beruflichen Laufbahn lag.

    1) Es machte Anfangs sehr viel Spaß, ich konnte, da der Posten faktisch komplett neu aufgestellt wurde, alle meine Stärken einfließen lassen: Organisation und Struktur - Analyse der Situationen und Problemlösungsstrategien. Aneignen neuen Wissens innerhalb kürzester Zeit.
    2) Den Umgang mit Untergebenen und Vorgesetzten habe ich strikt meines Empfindens und Wahrnehmens sehr fachlich und sachlich erledigt. Kann man sehen wie man möchte, ohne Sozialkompetenz á la Smalltalk und Co., kommst du da irgendwann an deine Grenzen - sowohl bei deinen Mitarbeitern, als auch bei Vorgesetzten.
    3) Leider habe ich einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, der schnell dafür sorgte, dass ich mich auch solcher Probleme wie Mobbing einer Mitarbeiterin und ungerechte (ungleiche) Behandlung (2. Klassensystem) annahm und diese auch sehr energisch verfolgte. Man ist halt in so einer Art Konzern der Ansprechpartner und "Blitzableiter" für alle. Leider kann und konnte ich das noch nie, mir ein "dickes Fell" zulegen und so etwas zu tolerieren. Letztlich kostet mich mein Gerechtigkeitssinn und der Drang nach festen Regeln und einfach erfassbaren sozialen Strukturen auch den Job, da man mich dann mit fadenscheiniger Begründung ordentlich kündigte.

    Anfangs war ich aufgrund der sehr sachlichen und strikten fachlichen Art wohl eher das "Arschloch" von Teamleiter - später dann, als ich gekündigt wurde, sind von 30 MA noch 12-14 geblieben, die anderen verließen nach meiner Kündigung das Projekt und ließen mich oft auch mehrfach sehr freundlich Grüßen- Ich gehe davon aus, dass die fachliche/sachliche Art eher nicht so der Bringer war, wiederum später dann wurde genau das, und mein Sinn für Gerechtigkeit, dann der Anker, der wohl einen Großteil des Teams gefiel.

    Fazit: Ich kann und möchte in dieser Art und Weise nie wieder eine Führungsposition inne haben, dafür müssten dann schon alle Parameter stimmen. Diese Erfahrung jedoch hat mir die Freude auf solche Posten auf jeden Fall massiv verdorben. Zumal ich hier meine Arbeitsamtbetreuerin angreifen muss: Sie meinte, warum ich dann nicht lieber an mich selber denke und an meinen Job, statt auf solche Dinge wie Mobbing zu reagieren. Warum sollte ich?!? Ich sehe bei so etwas nicht weg und da ist mir der Job in dem Moment auch vollkommen egal. Ich weiß wie sich Mobbing anfühlt und möchte nicht, dass jemand anderes unter solchen Strapazen leiden muss.

    Soviel zu meiner Erfahrung, ich hoffe diese Schilderungen können dir ein wenig helfen - kommt ja auch auf deine persönlichen Stärken und Schwächen an. Mit meinen Repertoire an Stärken und Schwächen ist es auf jeden Fall mal eine interessante Erfahrung gewesen.

    Oft am Lesen, wenig am Schreiben, so wird es bei mir wohl auch lange bleiben!

  • Ob ein Asperger als Teamleiter Erfolg haben kann, hängt nach meiner jahrzehntelangen Beobachtung von sehr vielen Faktoren ab. Das lässt sich nicht pauschal beantworten. Man wird es einfach probieren müssen.
    Ein Asperger wird ein Team wahrscheinlich anders führen, als jemand ohne Asperger. Vermutlich ist der Führungsstil eher ruhig und sachlich, klar, ohne manipulative Spielchen. Derjenige ist möglicherweise sehr verlässlich und plant voraus. Es kann aber auch ganz anders werden.
    Wenn man als Asperger Schwierigkeiten hat non-verbale Signale zu lesen, dann kann das kritische Situationen entschärfen, weil man manches einfach übersieht, was andere schon aufregt. Es kann aber auch Situationen extrem anheizen, weil das Spiegeln von Emotionen fehlt ("warum bleibt der Typ so kalt, wenn ich am Platzen bin ???"). Das habe ich beides selbst erlebt.
    Führungsmethodiken kann man in Seminaren lernen. Das ist kein Hexenwerk und nichts Gottgegebenes. Die Grundformel ist einfach: Gucken, was die Teammitglieder brauchen, um für das Unternehmen am Meisten zu bringen, und dafür sorgen, dass das bereitgestellt wird. Manche Teammitglieder arbeiten besser, wenn man ihnen freie Hand lässt. Manche brauchen genau das Gegenteil, sonst verzetteln sie sich und schaffen gar nichts.

  • ich würde es nicht von der Diagnose abhängig machen: in so einer Position ist es legitim, sich coachen zu lassen. Das kostet natürlich, und ob das der Arbeitgeber zahlt, hängt vom Fall ab.

    Also: sogar im öffentlichen Dienst wird das bezahlt ...

  • So wie ich dich verstehe, ist die Mitarbeiterführung nicht direkt mit deinem Posten verbunden. Du koordinierst strukturell. Wenn "deine rechte Hand" gut mit dir zusammenarbeitet und ihr Verantwortungsbereiche klar definiert und Vorstellungen abgleicht, sollte der Aspekt Personalführung doch eigentlich händelbar sein, weil er eben delegiert ist.

    Wie stehst du zu den anderen Aufgaben? Reisen? Kommunikation mit anderen Abteilungen? Hast du eine konkrete Stellenbeschreibung?

    (Mir geht es mitunter so: wenn ich weiß, dass etwas, zB Erreichbarkeit, zu meiner Aufgabe gehört, komme ich damit überraschend viel besser klar, als wenn ich weiß, dass es eigentlich nicht mein Job ist, zu diesem Zeitpunkt erreichbar zu sein)

    Ich schreibe in der Regel vom mobilen Endgerät aus - merkwürdige Wortkonstrukte sind ggf. der Autokorrektur geschuldet

  • Ich habe relativ zeitig gemerkt, dass mir die soft skills fehlen und damit Führungsverantwortung für mich rigoros ausgeschlossen.
    Wenn ich Mitarbeiter hätte, würden die mich sehr leicht für ihre Anliegen überzeugen können, um nicht zu sagen, mich so manipulieren, dass ich ihre Wünsche erfülle.
    Ich hasse Entscheidungen, bei denen mir nicht alle Daten vorliegen und die ich nicht auf bekannte Muster zurückführen kann. Und das wäre bei Führungs- oder Projektverantwortung zwangsweise regelmäßig der Fall.
    Ich habe auch große Probleme, umgelöste Aufgaben/Konflikte zum Feierabend in der Firma zu lassen und den Kopf frei zu bekommen.
    Fachliche Aufgaben kann ich systematisch abarbeiten oder mir im Kalender zur Erinnerung nach x Tagen eintragen - dann ist das raus aus meinem Kopf. Aber wenn ich den Projektverlauf der Zukunft oder irgendwelche Personalgeschichten im Kopf hätte, die sich nicht nach Schema X lösen lassen, dann könnte ich noch weniger ruhig schlafen als es jetzt schon der Fall ist (ich träume hin und wieder vom Kampf mit diverser Software bei uns in der Firma - das ist dann immer der Punkt, wo ich weiß, dass ich mehr Abstand gewinnen muss und meinem Chef sage, dass ich keine Kapazitäten für neue Projekte frei habe)

    _,.-o~^°´`°^~o-.,_Ich ess Blumen...,.-o~^°´`°^~o-.,_

  • Mein Vater ist VA und hat schon öfter Führungsaufgaben übernommen. Allerdings empfand er diese als hinderlich in seiner Arbeit, es hat ihn genervt, sich ständig um die Fragen seiner Leute kümmern zu müssen (mit seinen Worten: "Fehlt nur noch, dass sie fragen, ob sie aufs Klo dürfen!")
    Als inoffizieller/nonpermanenter Teamleiter kann er sich dagegen ganz gut schlagen, zumindest wenn er das Projekt toll findet und sich mit den Leuten gut versteht.

    Ich selber habe nur kurz ein Team angeleitet, in meinem Jugendparlament war ich Committee President und es war schon ein Stück Arbeit. In den Tagen der Parlamentssitzung musste ich extrem mit meinem sozialen Vorrat haushalten und habe meine Mitpräsidentin häufiger vor den Kopf gestoßen, ohne es zu merken (allerdings war die auch echt extrem ehrgeizig, das hätte wohl auch ohne Autismus nicht hingehauen. Wenigstens konnten wir uns zusammenreißen sodass es doch noch was wurde). Dank der Tips meines Vaters konnte ich meine Leute aber ganz gut "abholen".

    Es kommt natürlich auf die Autismusausprägung an, ich habe im Alltag nur geringe Schwierigkeiten bzw kann ihnen leichter aus dem Weg gehen. Ein Tip, den mir mein Vater jedoch gegeben hat ist, nie an der Spitze von irgendwas zu stehen, sondern nur immer knapp darunter. "Ein Autist an der Spitze wird gefressen" sagt er immer. (Und es ist den Aufwand ehrlich auch nicht wert, diese ganzen Manipulationsspielchen können die CEOs gern alleine machen)

    Also bis zu einem gewissen Grad kann es durchaus möglich sein, ein Team zu leiten, aber das ist natürlich auch eine individuelle Entscheidung. Jeder Autist ist immerhin anders.

  • Oh Gott, es braucht mehr Leute wie dich! Was waren denn das für idioten um dich herum? :(

    Leider ist es in vielen Firmen (aber auch Institutionen, auch im sozialen Bereich) so.
    Wo Mobbingstrukturen etabliert sind, und Mobbingstrategien "karrierefördend" eingesetzt werden (dürfen und manchmal sogar sollen) , reibt es eine*n einzelne*n irgendwann auf.
    Bzw. der*die wird dann "gefressen" oder "hinauskomplementiert".

    Es geht nicht mehr nur um Leistung oder Teamarbeit oder gute Führung, sondern darum, wer das eigene Handeln (bzw. das, was die "unter ihm" zuarbeiten) DARzustellen, sich als "MAcher" zu präsentieren, eine informelle "Haumacht" und ein "Netzwerk" zu etablieren und sich dadurch! von anderen abzuheben und mit diesem GEGEN die Konkurrenten durchzusetzen.
    Daran ist die letzte SAP-Vorständin gescheitert. Trotz hoher Qualifikation und guter Arbeit.
    Was dazu führte, dass einer der führenden Personalberater in Deutschland sagt "Frauen sollten SAP meiden".
    Hier hindert dann zusätzlich das "Frau" neben dem anderen, denn auch andere, die "karrierebewusster" waren, hatten gleiche Probleme in dieser Firma.

    Letztendlich lässt sich ein durchgehendes konstruktives Miteinander in der Arbeit nur in einer eigenen Firma etablieren, die unabhäbgig von Aktionär*innen ist - und was auch nur erhalten bleibt, wenn man konsequent alle "Karrierist*innen" beim kleinsten Hauch von sowas stoppt und ggf auch entlässt. Es reicht eine*r über eine gewisse Zeit, und dann wird alles nach und nach "infiziert".

    Ansonsten gilt es, das auszuhalten, sich mit den gleichen Methooden gegen solche wehren können, und eigene Nischen schaffen.

    Entgegen aller wirtschaftlichen Zahlen
    https://www.haufe.de/personal/haufe…_HI2593004.html
    wird immer noch sehr viel davon als "normal" betrachtet. Solange es individuell als "nicht zu viel" gewertet wird, je nach gefühlter eigener Betroffenheit bzw wenn die Menge der Nachteile die der Vorteile zu überweigen beginnt.
    Ebenfalls wird nicht beachtet, dass dieses "Virus" einer Exponentialkurve folgt.
    Es sieht alles lange noch "normal" aus, die Schäden sind gering, und dann.....
    Wer aber hier schon etwas sagt und dagegen angehen will, "übertreibt", muss mit Gegenwehr von denen rechnen, die davon (noch) profitieren.

    Insofern sollte man sich den Betrieb vorher gut ansehen und in der Probearbeitszeit nicht nur eigene Leistung zeigen wollen, sondern auch überprüfen, ob und wie viel davon schon im Betrieb vorhanden ist. Um ggf rechtzeitig "in Deckung" oder ganz zu gehen.

    Nicht alles, was einen irritiert , nicht gefällt oder es schwer macht, beruht auf Mobbing.
    Aber es beruht viel mehr auf Mobbing, als man auf den ersten Blick wahrnimmt. Vor allem all die verdeckten subtilen Strategien und die "Hintergrundarbeit" derjenigen, die das nutzen.
    https://www.berufsstrategie.de/bewerbung-karr…ghandlungen.php
    https://www.spiegel.de/karriere/mobbi…-a-1114188.html

    Für Führungskräfte ein Leitfaden, wenn sie Mobbing erkennen bzw davon erfahren

    https://www.business-netz.com/Konfliktmanage…n-gegen-Mobbing

  • Huhu, ich gebe mal meine Erfahrungen zum Posten des Teamleiter (bei der Deutschen Bahn) ab, der noch weit vor meiner Diagnose in meiner beruflichen Laufbahn lag.

    1) Es machte Anfangs sehr viel Spaß, ich konnte, da der Posten faktisch komplett neu aufgestellt wurde, alle meine Stärken einfließen lassen: Organisation und Struktur - Analyse der Situationen und Problemlösungsstrategien. Aneignen neuen Wissens innerhalb kürzester Zeit.
    2) Den Umgang mit Untergebenen und Vorgesetzten habe ich strikt meines Empfindens und Wahrnehmens sehr fachlich und sachlich erledigt. Kann man sehen wie man möchte, ohne Sozialkompetenz á la Smalltalk und Co., kommst du da irgendwann an deine Grenzen - sowohl bei deinen Mitarbeitern, als auch bei Vorgesetzten.
    3) Leider habe ich einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn, der schnell dafür sorgte, dass ich mich auch solcher Probleme wie Mobbing einer Mitarbeiterin und ungerechte (ungleiche) Behandlung (2. Klassensystem) annahm und diese auch sehr energisch verfolgte. Man ist halt in so einer Art Konzern der Ansprechpartner und "Blitzableiter" für alle. Leider kann und konnte ich das noch nie, mir ein "dickes Fell" zulegen und so etwas zu tolerieren. Letztlich kostet mich mein Gerechtigkeitssinn und der Drang nach festen Regeln und einfach erfassbaren sozialen Strukturen auch den Job, da man mich dann mit fadenscheiniger Begründung ordentlich kündigte.

    Anfangs war ich aufgrund der sehr sachlichen und strikten fachlichen Art wohl eher das "Arschloch" von Teamleiter - später dann, als ich gekündigt wurde, sind von 30 MA noch 12-14 geblieben, die anderen verließen nach meiner Kündigung das Projekt und ließen mich oft auch mehrfach sehr freundlich Grüßen- Ich gehe davon aus, dass die fachliche/sachliche Art eher nicht so der Bringer war, wiederum später dann wurde genau das, und mein Sinn für Gerechtigkeit, dann der Anker, der wohl einen Großteil des Teams gefiel.

    Fazit: Ich kann und möchte in dieser Art und Weise nie wieder eine Führungsposition inne haben, dafür müssten dann schon alle Parameter stimmen. Diese Erfahrung jedoch hat mir die Freude auf solche Posten auf jeden Fall massiv verdorben. Zumal ich hier meine Arbeitsamtbetreuerin angreifen muss: Sie meinte, warum ich dann nicht lieber an mich selber denke und an meinen Job, statt auf solche Dinge wie Mobbing zu reagieren. Warum sollte ich?!? Ich sehe bei so etwas nicht weg und da ist mir der Job in dem Moment auch vollkommen egal. Ich weiß wie sich Mobbing anfühlt und möchte nicht, dass jemand anderes unter solchen Strapazen leiden muss.

    Soviel zu meiner Erfahrung, ich hoffe diese Schilderungen können dir ein wenig helfen - kommt ja auch auf deine persönlichen Stärken und Schwächen an. Mit meinen Repertoire an Stärken und Schwächen ist es auf jeden Fall mal eine interessante Erfahrung gewesen.


    Exakt!

    Ebenso wie die Einträge unter diesem Beitrag, vor allem die Aussage des Vaters, dass ein Autist an so einer Stelle "gefressen werden wird."

    Einmal editiert, zuletzt von Mahlzahn (20. Mai 2020 um 11:31)

  • Das liegt m.E. nicht an Autismus.

    Es hat einerseits damit zu tun, ob man erlennt, "was da läuft". Hier mag Autismus etwas zusätzlich etwas erschweren, aber es sind ja überwiegend Nicht-Autist*innen, die da auch nicht gleic
    h erkennen.
    Hier sorgt die Nicht-Wahrnehmung eher dafür, dass manches "persönlich Gemeinte" gar ncht als solches verstanden wird, dementsorechend in dem Moment emotional auch nicht belastet.

    Das andere hat eher was mit "Identifikation mit den Opfern und den daraus hochkommenden eigenen Gefühlen aus eigener Erfahruung" zu tun.
    Je mehr eigene unverarbeitete Erlebnisse, desto mehr eigene "alte Gefühle" mischen mit. Was dann eher für impusives Handeln sorgt als für strategiisch geeignetes Vorgehen.
    Das wiederum hat gar nichts mit Autismus an sich zu tun. Sondern nur mit der Menge der eigenen unverarbeiteten ähnlichen Erlebnisse.
    DAS wiederum hat auch weniger mit dem Autismus zu tun, sondern mit dem Umgang der Gesellschaft zu "anders als ich/wir". Wovon dann Autist*innen statistisch häufiger betroffen sind.
    Oder Frauen. Oder Immigrant*innen. Oder Männer, die in noch "reine Frauenberufe" wollen (mein Sohn hat das bei seiner pädagogischen Ausbildung hautnah mitgekriegt, er war einer von 2 Männern - der andere hat nach einem Jahr aufgegeben. Ein Bekannter hat sich zur Hebamme - richtiger "Entbindungspfleger" - ausbilden lassen - die gleichen Muster dort)

  • Ich hatte schon immer Probleme im sozialen Umgang, mit Fragen und Antworten, Kommunikation generell,

    Kurz erklärt: Mir "gehört" das Produkt Server, ich soll es weiterentwickeln, mit den davon abhängigen Abteilungen abstimmen, viel in Meetings unterwegs sein, reisefür Fortbildungen reisen, etc pp.


    Klingt sehr anspruchsvoll bzw. sehr stressig. Da muss man sich ehrlich fragen: Kann ich das und will ich das auch (längerfristig)?.

    In den letzten 5 Jahren bin ich immer mehr mit Aufgaben betraut worden, die Richtung Führungskraft ging. Die soziale Komponente dabei fiel mir immer sehr schwer. Meetings, Telefonate und vor allem das "Immer zur Verfügung stehen müssen" machten mir zu schaffen.


    Das wird ja in der neuen Situation nicht besser werden, eher noch zunehmen.

    Ich habe bereits körperliche Auswirkungen (Herzstolpern, Verspannung, Schwindel, fühle mich immer "vergesslicher" und überlastet).

    Nach Feierabend bin ich zu Hause aber nicht mehr in der Lage zu Kochen oder etwas zu unternehmen. Ich lebe so schon sehr zurückgezogen und gehe kaum unter Leute, weil mich das fertig macht. Aber so komme ich nicht mehr zu meinen normalen Lebensaufgaben, geschweide denn zu Hobbys.

    Mein Osteopath, den ich auch erst seit Anfang des Jahres besuche, stellte bisher diverse Verspannungen (Rücken, Nacken, Tinnitus, Schwindel, etc) fest und meinte, dass bei mir grundsätzlich was im Argen sei.


    Das ist definitiv keine gute "Work-Life-Balance"; so etwas endet auch bei Nicht-Autisten häufig im Burn-out, wenn der nicht schon vorliegt.

    Ich sollte meine Gesundheit in den Vordergrund stellen und auf meiner bisherigen Position "zur Ruhe kommen" und mich privaten Dingen (wieder normal Essen, Freunde finden, Hobbys genießen) widmen


    Es klingt für mich so, als sei das tatsächlich die bessere Lösung, aber ich kann verstehen, wenn die Entscheidung darüber sehr schwer fällt.

    Ein solches (Berufs-)Leben, wie Du es beschreibst, ist für jeden Menschen eine große Herausforderung, aber für Autisten noch einmal sehr viel schwieriger zu meistern. Bei fast jedem Menschen wird das gesundheitliche Spuren hinterlassen, und man muss sich ernsthaft fragen, ob der Beruf das wert ist, ob es praktisch eine "Berufung" ist, für die man alles andere notfalls opfert. Und man muss sich klarmachen, dass man immer älter wird und vieles von dem, was man im Stress möglicherweise verpasst, hinterher nicht nachholen kann. Wir haben eben nur ein Leben.

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