Tun sich Autisten schwer damit, sich unterzuordnen?

  • Ich war mal so frei, einen neuen Thread zu eröffnen zu dem, was ansatzweise schon im Thread über Frau Dr. Preißmann diskutiert wurde.


    Ja, leider,
    Ich glaube dass dort wieder mein hoher Gerechtigkeitsinn mit reinspielt. Ich sehe es fast ge au so wie du. Ich erkenne nur solche Menschen als Autoritätspersonen an, die wirklich gerecht sind.
    Bei solchen Menschen, die ungerecht sind, kann ich nicht annehmen. Ich lasse es diesen Menschen auch dann meistens spüren, was ich von ihnen halte. Ich kann manchmal gar nicht anders.

    Das bringt mir leider aber oft Probleme. Ich wurde bisher in jeder Probezeit gekündigt.

    Ist das denn ein typisches Merkmal von Autisten, sich von niemandem etwas sagen zu lassen, noch nicht mal vom eigenen Chef?

    Einmal editiert, zuletzt von MonaLisa (6. Mai 2020 um 16:49) aus folgendem Grund: Einfügen von Zitaten, um den Thread zu starten und bereits Geschriebenes noch einmal aufzugreifen

  • Ich erkenne nur solche Menschen als Autoritätspersonen an, die wirklich gerecht sind.
    Bei solchen Menschen, die ungerecht sind, kann ich nicht annehmen. Ich lasse es diesen Menschen auch dann meistens spüren, was ich von ihnen halte. Ich kann manchmal gar nicht anders.

    Das bringt mir leider aber oft Probleme. Ich wurde bisher in jeder Probezeit gekündigt.

    Das empfinde ich ganz genauso. Gerechtigkeit ist wahnsinnig wichtig, aber natürlich auch ganz unterschiedlich interpretierbar. Ich denke auch, dass Chefs ihre Mitarbeiter und auch Dritte - unabhängig vom Status - anständig behandeln sollten. Ich hatte mal einen Chef, der von mir verlangt hat, einen Kunden bzw. Patienten ziemlich arschig (nach meinem Empfinden) zu behandeln; das habe ich dann einfach ignoriert, und das hat mir natürlich einen fetten Minuspunkt bei ihm eingebracht.


    Ist das denn ein typisches Merkmal von Autisten, sich von niemandem etwas sagen zu lassen, noch nicht mal vom eigenen Chef?

    Keine Ahnung, ob das typisch für Autisten ist. Aber Autisten haben möglicherweise häufiger als NT genaue Vorstellungen davon, wie etwas sein sollte. Ich habe generell enorme Schwierigkeiten mit Anordnungen, die ich als unsinnig, unlogisch, kontraproduktiv, unfair etc. ansehe, und da ist es mir weitgehend egal, von wem sie kommen.

  • Ich habe generell enorme Schwierigkeiten mit Anordnungen, die ich als unsinnig, unlogisch, kontraproduktiv, unfair etc. ansehe, und da ist es mir weitgehend egal, von wem sie kommen.

    Wie äußern sich diese Schwierigkeiten? Weigerst du dich dann, die Anordnungen umzusetzen?

  • @Grübler_1988

    Naja, im erwähnten Fall war es so, dass ein Patient mit einem wohl eher psychischen Problem zu uns kam und mein damaliger, durch und durch somatisch orientierter Chef mir sagte, ich solle den Patienten zügig hinausbefördern. Doch das KONNTE ich einfach nicht tun, da es gegen mein Berufsethos verstoßen hätte und mir der Patient leid tat. Ich habe mich dann noch länger mit dem Patienten unterhalten und mit ihm zusammen überlegt, wie wir ihm eventuell helfen könnten. Dabei bin ich leider von meinem Chef "erwischt" worden.

    Das heißt, ich weigere mich nicht direkt , aber indirekt schon, indem ich die Anordnungen - wenn überhaupt - nur sehr zögerlich ausführe. Ich kann vor allem nicht gegen mein Gewissen handeln.

  • Ich habe generell enorme Schwierigkeiten mit Anordnungen, die ich als unsinnig, unlogisch, kontraproduktiv, unfair etc. ansehe, und da ist es mir weitgehend egal, von wem sie kommen.

    Bei mir ebenso, in mir sträubt sich alles dagegen und ich lasse meinen Unmut dann auch direkt raus. Da ist es dann völlig egal wer diese hirnverbrannte Anordnung verfasst hat - der Überbringer bekommt es ab. So habe ich schon oftmals meinen Vorgesetzten heftigst ans Bein gepisst (RW) - hatte aber immer Glück nicht kostengünstig ersetzbar zu sein. Ich würde meine Reaktion dann schon fast als getriggert und unkontrolliert bezeichnen.

    Kennt das hier noch jemand?

  • Bei mir ebenso, in mir sträubt sich alles dagegen und ich lasse meinen Unmut dann auch direkt raus. Da ist es dann völlig egal wer diese hirnverbrannte Anordnung verfasst hat - der Überbringer bekommt es ab. So habe ich schon oftmals meinen Vorgesetzten heftigst ans Bein gepisst (RW)

    Ich finde sowas sehr mutig. Ich würde mich sowas nicht trauen. Ist denn dieser Mut charakteristisch für den Autismus? Was denkst du darüber?

  • Keine Ahnung, ob das typisch für Autisten ist. Aber Autisten haben möglicherweise häufiger als NT genaue Vorstellungen davon, wie etwas sein sollte. Ich habe generell enorme Schwierigkeiten mit Anordnungen, die ich als unsinnig, unlogisch, kontraproduktiv, unfair etc. ansehe, und da ist es mir weitgehend egal, von wem sie kommen.

    Bei mir ist es eher so, dass die Anordnungen in sich schlüssig sein müssen. Also die Axiome also die Grundlage der Anordnung ist für mich nicht immer wichtig, hauptsache die innere Logik wird eingehalten. Ich kriege Probleme, wenn die Logik dann nicht eingehalten wird und es inkonsistent ist, also das eine mal so das andere mal so. Ich finde es teilweise sogar gut, wenn mir Axiome und Ordnungen vorgegeben werden, dann muss ich nicht entscheiden, weil so oft gibt es soviele Möglichkeiten und alle haben ihre Vor- und Nachteile. Wenn dann jemand die Ordnungsaxiome vorgibt muss ich sie nur ausführen.

  • Bei mir gibt es dafür zwei Gründe. Einerseits vermute ich, dass Autoritätspersonen manchmal ein gewissen Maß an (anscheinlicher) Zustimmung einfordern, die sie aber bei mir nicht unbedingt sehen. Also ich vermute, dass zB in die Augen schauen, auch andere Menschen wütend oder verletzt macht, aber Autoritätspersonen schneller das Gefühl haben, sie müssten das einfordern oder mir durch Maßregeln beibringen (also in der Schule kam das bei mir öfter vor). Das wird mir dann oft als rebellisch ausgelegt, obwohl dieses abwesend oder missmutig (?) wirken bei mir eher Normalzustand in der Gegenwart von unbekannteren Personen ist.

    Auf der anderen Seite fällt es mir schwer "Autoritätsstufen" einzuschätzen. Ich weiß schon, welche Leute viel zu sagen haben, und welche nicht, aber mir ist nicht klar, welche Auswirkungen das auf mein Verhalten ihnen gegenüber haben soll. Ich habe früher öfters Leute geduzt, weil ich das Gefühl hatte, das passt schon so - habe dann im Nachhinein erfahren, dass das nicht so gut angekommen ist. Besonders in meiner alten Gemeinde bin ich damit oft angeeckt.
    Ich glaube mittlerweile bin ich generell höflicher und zurückhaltender, aber wenn ich das Gefühl habe, ich müsste jetzt mal jemandem "über mir" die Meinung sagen, uff ich wüsste nicht, ob ich mich im Aufruhr zurückhalten könnte.

  • Keine Ahnung, ob das typisch für Autisten ist. Aber Autisten haben möglicherweise häufiger als NT genaue Vorstellungen davon, wie etwas sein sollte. Ich habe generell enorme Schwierigkeiten mit Anordnungen, die ich als unsinnig, unlogisch, kontraproduktiv, unfair etc. ansehe, und da ist es mir weitgehend egal, von wem sie kommen.

    Das heißt, ich weigere mich nicht direkt , aber indirekt schon, indem ich die Anordnungen - wenn überhaupt - nur sehr zögerlich ausführe. Ich kann vor allem nicht gegen mein Gewissen handeln.

    Das klingt exakt nach meiner Bildungs- und Erwerbsbiographie!
    Und zwar egal, ob ich direkt widersprochen habe oder einfach mal innerlich nicht einverstanden gewesen (also nicht gerade mutig :d ), irgendwie merken die Menschen, die sich für unfehlbare Autoritäten halten, sofort, dass etwas nicht stimmt und fangen an zu mobben. Seit der Grundschule bis zum Job, verschiedene Orte, das gleiche Problem :nerved:

  • irgendwie merken die Menschen, die sich für unfehlbare Autoritäten halten, sofort, dass etwas nicht stimmt und fangen an zu mobben.

    Klar, dass sich solche Menschen ans Bein gepisst fühlen, wenn ihre Autorität infrage gestellt wird. Und das umso mehr, je narzisstischer jemand ist. Es deutet ja auch oft auf eigene Probleme, wie versteckte Selbstzweifel, hin, wenn jemand mit Kritik und Skepsis gegenüber den eigenen Ideen nicht umgehen kann.
    Nur leider nutzt das gar nichts, denn als "Untergebener" ist man abhängig vom Wohlwollen der "Autoritätspersonen", und da wirkt es oft selbstzerstörerisch (z. B. in Bezug auf eine Kündigung), wenn man bei seiner eigenen Meinung bleibt. :(

  • Sehr gut in der aktuellen Krise zu beobachten....

    Hm kommt darauf an. Wenn das Axiom wissenschaftliche Ansprüche sind und man basierend auf neuen Erkenntnissen und Situationen zu neuen Schlüssen kommt passt das sehr gut. Also wenn das gegeben ist und teilweise richtet sich die Kritik ja genau darauf, dass die Wissenschaftler vorhe rnicht alles wußten und vorhersagen konnten und so funktioniert Wissenschaft nicht.

  • Klar, dass sich solche Menschen ans Bein gepisst fühlen, wenn ihre Autorität infrage gestellt wird. Und das umso mehr, je narzisstischer jemand ist. Es deutet ja auch oft auf eigene Probleme, wie versteckte Selbstzweifel, hin, wenn jemand mit Kritik und Skepsis gegenüber den eigenen Ideen nicht umgehen kann.
    Nur leider nutzt das gar nichts, denn als "Untergebener" ist man abhängig vom Wohlwollen der "Autoritätspersonen", und da wirkt es oft selbstzerstörerisch (z. B. in Bezug auf eine Kündigung), wenn man bei seiner eigenen Meinung bleibt.

    Wobei in der Regel jeder denkt er hat Recht und die anderen unrecht. Und es kann egal ob man oben oder unten ist sehr nervig sein, wenn der andere seine Fehler nicht einsieht. Und dann hat man eben ein Problem, beide Seiten denken sie haben recht und der andere sieht es nur nicht ein. Ich bezweifle das die meisten Asperger entspannt sind, wenn sie kritisiert werden und denken sie seien im recht.

  • Ich weiß ja nun nicht, ob ich AS habe, aber ich habe auf jeden Fall auch ein sehr starkes Gerechtigkeitsgefühl und kann es außerdem nicht ausstehen, wenn Fehler gemacht und nicht eingestanden werden. Besonders in der Schule war ich dadurch durchaus bei manchen Lehrern sehr unbeliebt.
    Ich würde aber sagen, wenn ich etwas richtigstellen will, und dafür Autorität widerspreche, ist das meist eher dumm als mutig.
    Da ich noch in der Probezeit bin im 1. Job, gebe ich mir Mühe meinem Chef nicht zu oft zu widersprechen, aber es fällt mir oft schwer und ich schaffe es auch nicht immer.

  • Ich bezweifle das die meisten Asperger entspannt sind, wenn sie kritisiert werden und denken sie seien im recht.


    Das beruht natürlich oft auf Gegenseitigkeit. Ich mag auch nicht, wenn man mich bzw. meine Entscheidungen infrage stellt. Es ging aber ja eigentlich um die Frage, inwieweit die Teilnehmer des Forums hier ihnen vorgesetzte Autoritätspersonen akzeptieren können, und ich habe den Eindruck, dass viele damit Probleme haben (wie auch immer man selbst diese Probleme bewertet).

    Da ich noch in der Probezeit bin im 1. Job, gebe ich mir Mühe meinem Chef nicht zu oft zu widersprechen, aber es fällt mir oft schwer und ich schaffe es auch nicht immer.


    Das Problem sind hier oft die nonverbalen Signale, die man unbewusst aussendet. Der NT merkt eben, wenn man nicht viel von ihm hält.... :d . Ich hatte mal einen Chef (sehr narzisstisch), der hat mir allen Ernstes gesagt: "Sie gucken immer so komisch, das verunsichert mich total. Wenn sie so auch in der Ambulanz gucken, dann vergraulen sie alle Patienten." Ich habe dann blöderweise (?) geantwortet: "In der Ambulanz gucke ich nicht so." :m(:

  • @MonaLisa Dann kommt das Home Office wohl gerade recht, da fehlen die nonverbalen Signale ja meist.
    Wobei ich eine hohe Meinung von meinem Chef habe, ich denke das merkt er auch. Er ist ein sehr guter Chef, er macht nur manchmal Fehler - wie jeder normale Mensch. Und bei sowas versuche ich immer die Verhältnismäßigkeit abzuschätzen: Muss ich da was sagen, oder sollte ich es sein lassen?
    Manche Sachen sind einfach nicht so wichtig, dass es sich lohnt, auch wenn ich selbst bei Kleinigkeiten das Bedürfnis habe, dass alles richtig ist.
    Mittelfristig wäre ich gern selbst in einer Position wo ich Chef bin, weil ich es mir einfacher vorstelle in der Richtung. Delegieren und managen kann ich. Gehorsam Ja-sagen und "einfach machen" nicht immer.

  • Mittelfristig wäre ich gern selbst in einer Position wo ich Chef bin, weil ich es mir einfacher vorstelle in der Richtung. Delegieren und managen kann ich. Gehorsam Ja-sagen und "einfach machen" nicht immer.

    Ich hoffe du schätzt das nicht falsch ein. Denn dann gibt es ständig Leute die dir widersprechen bei Sachen die du durchsetzen musst, das ist auch nicht so angenehm. Also das was man gerade nicht macht klingt ja oft leichter, weil man die negativen Seiten nicht so sieht, sondern nur was besser wäre. Ich selber habe festgestellt, dass selber Chef sein stark an Attraktivität verliert je nachdem welche Leute man da unter sich hat. Wahrscheinlich wäre man selber immer sein schlimmster Angestellter. Also stell dir vor du wärst Chef und hätten dich selber als Befehlsempfänger, würde dir das als Chef Spaß machen?

  • Hmm. Ich schätze, man wächst mit seinen Aufgaben, so wäre es da vermutlich auch. Ich rede aber auch nicht von einer super hohen Position, eher so eine halbe Ebene höher, wie mein Chef. Der ist auf dem Papier nicht Chef, aber er leitet das Team an, als Teil des Teams.
    Die ganze Ebene drüber wäre mir vermutlich dann auch zu viel, ja.

    Eigentlich ist es mir mit möglichst minimalen Hierarchien am liebsten. Genug, dass es kein Chaos gibt, aber so wenig, dass jeder mitreden darf. Zum Glück habe ich so eine Firma gefunden (oder ich durchblicke die feinen "wahren" Hierarchien da einfach noch nicht).

  • Das klingt exakt nach meiner Bildungs- und Erwerbsbiographie!Und zwar egal, ob ich direkt widersprochen habe oder einfach mal innerlich nicht einverstanden gewesen (also nicht gerade mutig :d ), irgendwie merken die Menschen, die sich für unfehlbare Autoritäten halten, sofort, dass etwas nicht stimmt und fangen an zu mobben. Seit der Grundschule bis zum Job, verschiedene Orte, das gleiche Problem :nerved:

    Das geht mir ähnlich.


    Ich hoffe du schätzt das nicht falsch ein. Denn dann gibt es ständig Leute die dir widersprechen bei Sachen die du durchsetzen musst, das ist auch nicht so angenehm. (...)

    Ich bin in so einer Position. Mittleres Kader, ein Team von 3-9 Mitarbeitern, dass ich zu führen habe. Probleme die ich damit hatte/habe, haben mich dann auch zu meiner Diagnose geführt. Zwei Punkte sind dabei schwierig für mich:
    - wenn ich Anweisungen von oben (Geschäftsleitung oder auch Vorgaben der Politik) durchsetzen muss, hinter denen ich nicht stehe und mir das nicht anmerken lassen darf.
    - man führt Menschen, nicht Maschinen. Diese Menschen haben jeder eigene Geschichten, Anliegen, Absichten, Ziele. Ich blicke da nicht durch, wenn nicht Klartext gesprochen wird. Auch haben diese Menschen zum Teil Schicksale, Interessen und Hoffnungen, denen man je nach dem gerecht werden möchte. Das kann auch in Konflikte führen.

    Mit meinem Team wie es jetzt ist, habe ich Glück. Inzwischen bin ich als Autist geoutet und habe deutlich gemacht, dass ich versuche, ihnen eine gute Teamleiterin zu sein, aber darauf angewiesen bin, dass sie mir Absichten und Anliegen direkt sagen/schreiben. Das klappt gut. Ich arbeite allerdings auch in einem Umfeld, in welchem das Autismus-Spektrum kein Fremdwort ist.

  • Mit meinem Team wie es jetzt ist, habe ich Glück. Inzwischen bin ich als Autist geoutet und habe deutlich gemacht, dass ich versuche, ihnen eine gute Teamleiterin zu sein, aber darauf angewiesen bin, dass sie mir Absichten und Anliegen direkt sagen/schreiben. Das klappt gut.

    Das ist wohl die beste Strategie. :) Zumindest für den in der Hierarchie Höherstehenden.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!