Wie Fragen nach kreativem Beruf beantworten?

  • Hallo zusammen. Ich wurde erst kürzlich diagnostiziert, aber der Verdacht bestand schon seit Jahren. Dennoch ist es nun eine Erleichterung, "offiziell autistisch" zu sein. Endlich weiß ich, dass ich mich all die Jahre nicht zu dumm angestellt habe. Wieso sich kein Lerneffekt einstellte. Wieso ich immer schon so viele Schwierigkeiten hatte. Ich habe es nur einer engen Freundin erzählt und natürlich weiß mein Freund davon.

    Ich habe außerdem eine PTBS und suche daher nach einem Therapieplatz. Auch wenn ich sonst vorsichtig bin, wem ich von meinem Autismus erzähle, so denke, dass es der Therapeutin gegenüber
    sinnvoll ist. Weil eben nicht alle Ängste auf das Trauma zurückzuführen sind und ich in der Vergangenheit bei Therapeuten oft falsch eingeschätzt und verstanden werde. Es ist sinnlos mich wegen einer Sozialphobie zu behandeln z.B, kam aber vor.
    Ich bin extrem gut angepasst und das macht sich allmählich durch ständige Erschöpfung bemerkbar.
    Es ist anstrengend nicht aufzufallen und viele Therapeuten wollten mir meine Schwierigkeiten nicht glauben,
    die ich im sozialen Bereich habe, weil ich mich ja so gut ausdrücken könne und recht "normal" wirke während des Gesprächs. Der fehlende Augenkontakt wird auf Schüchternheit geschoben.
    Wenn ich sage, dass ich mich bei Augenkontakt nicht so gut auf das Gesagte konzentrieren kann und nur die Hälfte mitbekomme, werde ich verständnislos angeschaut.
    Außerdem wäre ich in einer langjährigen Beziehung und da könne es ja nicht so schlimm sein mit meiner sozialen Inkompetenz. Nun ja ... viele haben eben eine völlig falsche Vorstellung von Autisten.
    Ich verdiene mein Geld im kreativen Bereich. Ich bin Autorin, und eine Therapeutin sagte vor einigen Jahren, ich könne gar nicht solche Probleme haben im sozialen Miteinander,
    sonst könnte ich ja keine Romane schreiben. Darauf konnte ich nichts sagen. Es wirkt tatsächlich kurios.
    Ich schreibe seit ich ganz klein bin. Ich kann gut schreiben. Meine Figuren sind authentisch, aber ich schreibe keine Liebesromane oder etwas, wo es um Beziehungen geht.
    Ich mag das auch nicht lesen, weil mir die Beziehungsprobleme unlogisch vorkommen. Vieles verstehe ich nicht.
    In Deutsch in der Schule war ich eher schlecht, ich konnte die Absichten der Figuren schlecht erkennen, ich konnte ihr Verhalten nicht interpretieren
    bzw. habe es völlig falsch interpretiert. In Zusammenfassungen war ich spitze. Ich konnte eine Geschichte fast wortwörtlich wiedergeben.
    In Rechtschreibung und Grammatik war ich auf 1, aber Aufsätze waren eine Katastrophe, weil ich die Fragestellung oft schon missverstanden habe oder zu wörtlich genommen habe.
    Aber wie soll ich erklären, dass ich Romane schreiben kann (Krimis, historische Romane)? Ich befürchte, dass mir wieder nicht geglaubt wird. Die Diagnostik war sehr sorgfältig und zog sich über mehrere Monate hin, vor allem auch, weil es wegen der PTBS schwieriger war. Doch es treffen so viele Punkte aus dem Spektrum bei mir zusammen, dass sie die Diagnose eindeutig stellen konnten.
    Wie kann ich Bücher schreiben, aber scheitere an so vielen Sachen im Zwischenmenschlichen. Das ist für die meisten nicht nachvollziehbar und ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Doch ich möchte vorbereitet sein
    auf diese Frage, die vermutlich kommen wird.

  • Ich finde das eine sehr spannende Frage, gerade weil Autorin ganz lange mein Berufswunsch war.
    Ich finde auch nicht, dass Autismus da mit reinspielt, weil ich ja kein Problem mit Menschen und ihren Gefühlen und Handlungen habe, sondern nur damit diese Gefühle wahrzunehmen und angemessen schnell darauf zu reagieren. Irgendwo im Forum gab es einen Thread, wo zwischen verschiedenen Arten von Empathien unterschieden wurde. Fazit war so ungefähr, dass bei Autismus nur die Fähigkeit soziale Stimmungen wahrzunehmen betroffen ist(wenn ich gerade richtig nachgelesen habe, nennt sich das kognitive Empathie), nicht aber die Fähigkeit generell Empathie zu empfinden.

    Völlig abgesehen davon würde ich keine Therapie bei einer Person anfangen, vor der du deine (professionell gestellte?) Diagnose verteidigen musst. Wozu gibt es denn Fachleute, wenn denen nicht geglaubt wird. :sarcasm:

    2 Mal editiert, zuletzt von Mugwump (15. Februar 2020 um 00:15)

  • Um Romane schreiben zu können, braucht man eine gute Beobachtungsgabe und man braucht "nur" verstehen, wie das soziale Miteinander funktioniert. Dafür hat man beliebig viel Zeit. Gerade bei Krimis und historischen Romanen wird für das soziale Miteinander auch kein Feinschliff erwartet. Stattdessen steht die präzise Beobachtung und das logische Denken im Vordergrund.

    Das tatsächliche Miteinander ist davon geprägt, dass man innerhalb kürzester Zeit erkennen und beurteilen muss, was die Personen um einen herum tun, und zwar kontinuierlich, sozusagen live. Sobald man nicht schnell genug reagiert, wird man von den anderen potentiell als merkwürdig wahrgenommen.
    Nicht-Autisten können dieses Tempo mithalten, weil sie auf der einen Seite Details besser ausblenden können und auf der anderen Seite diese Beurteilung unbewusst erledigen können. Das wird als "sozialer Autopilot" bezeichnet.
    Ich dagegen, kriege schon bei einer reinen Begrüßungssituation mit mehreren Personen viel zu viel mit. Bis ich mich entschieden habe, was davon ich "brauche" und was nicht, und dann bewertet habe, wer wem wie die Hand gegeben hat und was dazu gesagt wurde, sind die anderen längst beim Smalltalk angekommen, und ich stehe stumm herum.

    Vielleicht könntest Du eine Leseprobe mitbringen evtl. sogar zusammen mit einer positiven Bewertung. Daran kann die Therapeutin dann sehen, wie Du schreibst.

  • Um Romane schreiben zu können, braucht man eine gute Beobachtungsgabe und man braucht "nur" verstehen, wie das soziale Miteinander funktioniert. Dafür hat man beliebig viel Zeit. Gerade bei Krimis und historischen Romanen wird für das soziale Miteinander auch kein Feinschliff erwartet. Stattdessen steht die präzise Beobachtung und das logische Denken im Vordergrund..

    Vielleicht könntest Du eine Leseprobe mitbringen evtl. sogar zusammen mit einer positiven Bewertung. Daran kann die Therapeutin dann sehen, wie Du schreibst.

    Ich sehe es auch so. Du solltest dir nur überlegen ob du Romane schreiben möchtest oder doch vielleicht besser einen Krimi.

  • Ich schreibe seit ich ganz klein bin. Ich kann gut schreiben. Meine Figuren sind authentisch, aber ich schreibe keine Liebesromane oder etwas, wo es um Beziehungen geht.
    Ich mag das auch nicht lesen, weil mir die Beziehungsprobleme unlogisch vorkommen. Vieles verstehe ich nicht.

    Das finde ich spannend. Also die Verhaltensweisen in Krimis fidnest du dann aber nicht unlogisch? Handelt es sich dann nur um Verbrechen, die keine Leidenschaftstaten sind? Also nciht selten bringt Jemand aus Efersucht oder so in krimis Jemanden um. Und und nicht selten geht es ja bei Menschen um Stolz, Gier, Unehrlichkeit etc. das kannst du dann als logisch verarbeiten? ich kriege gerade Lust einen deiner Krimis zu lesen ;)

  • Um Romane schreiben zu können, braucht man eine gute Beobachtungsgabe und man braucht "nur" verstehen, wie das soziale Miteinander funktioniert. Dafür hat man beliebig viel Zeit. Gerade bei Krimis und historischen Romanen wird für das soziale Miteinander auch kein Feinschliff erwartet. Stattdessen steht die präzise Beobachtung und das logische Denken im Vordergrund.

    Das tatsächliche Miteinander ist davon geprägt, dass man innerhalb kürzester Zeit erkennen und beurteilen muss, was die Personen um einen herum tun, und zwar kontinuierlich, sozusagen live. Sobald man nicht schnell genug reagiert, wird man von den anderen potentiell als merkwürdig wahrgenommen.
    Nicht-Autisten können dieses Tempo mithalten, weil sie auf der einen Seite Details besser ausblenden können und auf der anderen Seite diese Beurteilung unbewusst erledigen können.

    Danke für diese Formulierung, TalkativeP.

    Und danke für die Frage, Cinnamony.

    Es bringt etwas auf den Punkt, was für mich erst durch die Diagnose Sinn ergibt:
    Meine Eltern haben früher immer gesagt "Gib Dir doch mal Mühe, Du denkst ja gar nicht nach, was andere meinen. / wie der andere sich fühlt" etc.
    Dieses "Du denkst ja gar nicht nach" hat für mich bis vor 11 Monaten bedeutet, dass ich immer, immer weiter üben muss, schneller zu denken (ich bin 43). Dass alle anderen in diesem Punkt schneller denken und ich "sozial dumm" bin.
    Bis eine Therapeutin mir sagte, die meisten Menschen müssen sich da nicht aktiv bemühen, die "fühlen" das.

    Es erklärt auch, warum es bei der Diagnostik hieß, "Sie haben die Dynamik nicht".
    Ich dachte, was heißt hier "Dynamik"?

    Dieser Beitrag erklärt mir gut, was der Unterschied ist, und dass das soziale Hauptproblem das Tempo ist.
    Manchmal überlege ich so lange, was die angemessene Antwort/Reaktion ist, dass der andere Mensch meint, ich wolle gar nicht antworten oder hätte ihn nicht gehört, dabei rasen zig Optionen durch mein Hirn.

    Eine Email-Freundin, bei der ich lange überlegen kann, findet mich sehr verständnisvoll.

    PS: TalkativeP: Darf ich Deine Formulierung speichern und ggfs. privat anderen zu lesen geben?

  • @Kpax: Kannst Du machen, aber geschickter wäre es, einen Autismus Experten zu zitieren. Hier bietet sich Brit Wilczek an, die den sozialen Autopilot in ihrem Buch "Wer ist hier eigentlich autistisch" ganz gut erklärt. Das es sowas wie einen sozialen Autopilot gibt, habe ich auch erst in der Diagnostik kennengelernt.

  • Bis eine Therapeutin mir sagte, die meisten Menschen müssen sich da nicht aktiv bemühen, die "fühlen" das.

    Es erklärt auch, warum es bei der Diagnostik hieß, "Sie haben die Dynamik nicht".
    Ich dachte, was heißt hier "Dynamik"?

    Dieser Beitrag erklärt mir gut, was der Unterschied ist, und dass das soziale Hauptproblem das Tempo ist.
    Manchmal überlege ich so lange, was die angemessene Antwort/Reaktion ist, dass der andere Mensch meint, ich wolle gar nicht antworten oder hätte ihn nicht gehört, dabei rasen zig Optionen durch mein Hirn.

    Das ist irgendwie der Punkt. Mir hat das auch mal jemand erklärt, dass es Leute gibt, die fühlen einfach die "Schwingungen" im Raum. Während ich so gar nichts emotional mitkriege, wenn ich in einen raum komme und alles weiße Blätter für mich sind. Ich versuche mir das dann rational anhand von Kriterien zu erschließen, wenn sie mir auffallen, das kostet aber Zeit und ist nicht perfekt. Und wenn man mir was erklärt, kann ich auch sehr verständnisvoll sein, aber ich muss es eben überhaupt erstmal mitkriegen.

  • Das finde ich spannend. Also die Verhaltensweisen in Krimis fidnest du dann aber nicht unlogisch? Handelt es sich dann nur um Verbrechen, die keine Leidenschaftstaten sind? Also nciht selten bringt Jemand aus Efersucht oder so in krimis Jemanden um. Und und nicht selten geht es ja bei Menschen um Stolz, Gier, Unehrlichkeit etc. das kannst du dann als logisch verarbeiten? ich kriege gerade Lust einen deiner Krimis zu lesen ;)

    Das finde ich spannend. Also die Verhaltensweisen in Krimis fidnest du dann aber nicht unlogisch? Handelt es sich dann nur um Verbrechen, die keine Leidenschaftstaten sind? Also nciht selten bringt Jemand aus Efersucht oder so in krimis Jemanden um. Und und nicht selten geht es ja bei Menschen um Stolz, Gier, Unehrlichkeit etc. das kannst du dann als logisch verarbeiten? ich kriege gerade Lust einen deiner Krimis zu lesen

    In meinen Krimis sind die Motive eigentlich weder Eifersucht noch verletzter Stolz. Keine Verbrechen direkt aus Leidenschaft. Manchmal geht es darum, ein Geheimnis zu bewahren oder auch um psychische Krankheiten. EIn Mord aus Angst oder ein Mord aus Rache. Na ja gut, das wäre dann doch irgendwie Leidenschaft. Deswegen zweifelte die Therapeutin damals ja an, dass ich solche Probleme im sozialen Bereich wirklich haben kann, weil ich mich ja in andere Leute gut hineinversetzen müsse, wenn ich Krimis schreibe. Ich kann das schlecht erklären. Ich lese unheimlich viel, ich schaue viele Serien und Filme und "lerne" daraus. Szenen, in denen die Leute z.B einen Beziehungsstreit haben, kann ich schreiben, auch wenn ich die Motive der Personen nicht verstehe. Ich schreibe dann über etwas, das mir selbst fremd ist. Dieses "Du muss schon wissen, was du falsch gemacht hast" und dann beleidigt die Arme verschränken, weil der Mann irgendwas gemacht hat, das ihm nicht bewusst ist, so eine Art Streit ist mir fremd. Dennoch kann ich es schreiben. Ich beobachte Leute um mich herum und bekomme mit, wie sich Menschen streiten oder weshalb. Ich habe schon einige Bücher abgebrochen, weil ich die Gespräche der Figuren nicht verstehe. Meist waren das Ehestreitigkeiten, wo sich ein Partner über etwas aufgeregt hat, was ich nicht verstanden habe weil es ständig durch Andeutungen passierte. So etwas mag ich dann nicht lesen, ich finde solche Szenen einfach blöd. Ich verstehe nicht, wieso die Menschen nicht direkt sagen können, was ihr Problem ist. Wieso dieses Drumherumreden und dann sauer werden, wenn der andere es nicht versteht? Ich verstehe dieses "durch die Blume" nicht. Mir muss man direkt sagen, was ich falsch gemacht habe, sonst verstehe ich es nicht. Und manchmal verstehe ich es nicht mal dann, wenn ich zB etwas Verletzendes gesagt haben soll, dabei aber nur ehrlich war.
    Mir wurde ein paar Mal gesagt, ich schreibe eher wie ein Mann. Ohne viel Gefühlsduselei, eher sachlich. Aber einige Szenen fallen mir sehr schwer, weil ich natürlich meist über Neurotypische Menschen schreibe und die ticken nun mal anders als ich. Zum Glück achtet die Lektorin auf solche Sachen und macht dann ihre Anmerkungen, dass Person XY komisch reagiert und er lieber so und so reagieren sollte.

  • Völlig abgesehen davon würde ich keine Therapie bei einer Person anfangen, vor der du deine (professionell gestellte?) Diagnose verteidigen musst. Wozu gibt es denn Fachleute, wenn denen nicht geglaubt wird.

    Die Diagnose wurde nach mehreren Monaten in einem Autismus Zentrum einer großen Uni-Klinik gestellt. Das würde ich als durchaus professionell betrachten. Ich fürchte, die Diagnose wird von den meisten angezweifelt werden, weil immer noch zu viele falsche Infos über Autismus verbreitet werden. Wie das mit der fehlenden Empathie. Eine Sozialpädagogin sagte mir, ich könne nicht autistisch sein, weil ich ja eine Beziehung führe und Autisten können keine Beziehung oder eine Ehe führen. Das ist nun schon länger her, aber einige denken halt immer noch so. In der Therapie bekommen mich die Therapeuten auch nur einmal in der Woche für 50 Minuten mit. Würden sie einen ganzen Tag mit mir verbringen, würden sie die Diagnose sicherlich nicht anzweifeln.

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