Nicht aufhören können an etwas zu denken

  • Folgende Situation heute:
    Es klingelt an der Tür, ich öffne.
    Draußen steht ein älterer Mann, der mich direkt anpöbelt.
    Ich würde eine Anzeige bekommen wegen des Mopeds des Freundes meiner Tochter.
    Das wäre viel zu laut. Die Nachbarn würden sich beschweren. Auf meine Frage, welche Nachbarn sich beschweren, antwortete er nicht. Stattdessen wurde er lauter.
    Da fragte ich in scharfem Ton zurück, wer er denn überhaupt wäre. Keine Antwort. Wieder nur, er zeigt mich an...
    Ich fragte nochmal, wer er denn wäre, dass er mich auf meinem Grundstück so anschreit.
    Da ist er gegangen.

    Mich macht das sooo wütend.
    ich kenne diesen Mann gar nicht!

    Ich bin kurz davor, mich zu erkundigen, ob ich ihn wegen Bedrohung o.ä. anzeigen kann.

    Das eigentliche Problem ist aber, dass ich nicht aufhören kann, darüber nachzudenken. Verschiedene Szenarien durchzudenken.
    Ich kann mich kaum auf was anderes konzentrieren.

    Kennt ihr das?
    Könnte es sein, dass es für mich so ist, weil die Situation nicht klärend beendet wurde?

  • Kennt ihr das?
    Könnte es sein, dass es für mich so ist, weil die Situation nicht klärend beendet wurde?

    Kenne ich auch. Wahrscheinlich hast du recht, dass es deswegen ist, weil noch so viele Fragen offen sind.
    Aber in ein paar Tagen wird es verblassen. Dauert halt ein bisschen. Am besten ablenken mit irgendwas.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Ja, spätestens übermorgen geht es wieder.
    Das ist oft so. Aber immer wieder hänge ich in diesen Gedankengängen fest. Es frisst alle Energien.

    Vielleicht hat es auch etwas mit Abgrenzung zu tun. Die nicht abgeschlossene Handlung scheint mir aber logischer.


    Aber gut zu wissen, dass es anderen ähnlich geht.

  • Mir fällt dazu ein:

    • Vielleicht ist es auf ein Nicht-Loslassen-Können des Gefühls Wut zurückzuführen? (die Wut ist sicherlich als Gefühl angebracht, weil ja deine Grenzen überschritten wurden). Was man tun muss, damit man von dem Gefühl loslassen kann, weiß ich aber nicht. Du hast ja deine Grenzen richtig gut aufgezeigt. Vielleicht ist es aber wichtig für dich, dass die Grenzen noch deutlicher markiert werden? Ich glaube aber eher nicht, dass eine Anzeige in der Sache viel bringt, aber vielleicht gibt sie dir das Gefühl zurück, dass du damit deine Grenzen wiederherstellst und dann kann die Wut wieder abklingen?
    • Es könnte etwas mit dem Thema Ungewissheitsintoleranz zu tun haben (muss es aber nicht). Da die Sache aber nicht geklärt ist, besteht ja die Ungewissheit, wie das weiter geht, ob dieser Typ nochmal auftaucht, wer er überhaupt ist, wie du weiter handeln sollst etc.

    Mich hätte die Situation auch sehr aufgebracht. Vor allem, wenn mich jemand so respektlos behandelt hätte und unsachlich kommuniziert und dazu noch beleidigend wird (brüllen). Dass die Person dabei in den eigenen Nahbereich eindringt (Haustüre) macht es sicherlich auch nicht leichter.

  • Kennt ihr das?
    Könnte es sein, dass es für mich so ist, weil die Situation nicht klärend beendet wurde?

    Ja, das kenn ich sehr gut.
    Gerade heute hatte ich wieder eine Situation, die mich noch immer beschäftigt, selbst wenn ich versuche, mich abzulenken. Sie wird mich sicher noch 1-2 schlaflose Nächte kosten. Erst morgen habe ich ggf. die Möglichkeit, die Situation zu klären oder aber sie noch zu verschlimmern.

    Mir wurde ein Fehler unterstellt, der gar keiner war. Die Person, die es mir mitteilte, bekam den Auftrag von wem anders, es mir zu sagen. Der Übermittler ist jedoch in einer Position, in der er sich erst hätte vergewissern müssen, ob es wirklich ein Fehler war, oder ob die Person, die ihm den Auftrag zur Übermittlung gab, sich nicht vielleicht geirrt hatte. Sie hatte sich geirrt (evlt hat sie es inzwischen bemerkt, evlt auch nicht, ich habe zu ihr keinen Kontakt), doch der Übermittler, der mich mit dem vermeintlichen Fehler konfrontierte, ohne es vorher zu prüfen, versteht es nicht, obwohl ich es sogar belegen konnte. Habe den halben Nachmittag mit einer Diskussion mit ihm darüber verbracht. Ich weiß nicht, ob er es nicht verstehen konnte oder wollte oder ob er es verstand und nicht zugeben wollte, dass es sein Fehler war. Es wurde alles von ihm heruntergespielt und am Ende lag der Fehler angeblich immer noch bei mir.
    Ich sass irgendwann nur noch verzweifelt und heulend vor meinem PC und war mehr als froh, dass ich zuhause war und nicht im Büro, wo es alle mitgekommen hätten.

    Denke ich dann in 2-3 Wochen daran zurück, frage ich mich bestimmt, warum ich mich da so aufgeregt habe und es ist eigentlich nur eine Lapalie. Daher versuche ich schon jetzt zu denken, es sei nur eine Lapalie, aber im Moment klappt das nicht, rege mich immer noch auf, auch über das, was mir erst später einfiel und was ich noch hätte sagen können oder sollen.
    Ich kann mich da so reinsteigern, dass ich richtig zitter und das eine ganze Weile anhält.

    Einmal editiert, zuletzt von Ally (23. Januar 2020 um 21:28)

  • Vielleicht das hier?

    Perseveration (von lateinisch perseverare, „anhalten“) bezeichnet das krankhafte Beharren, Haftenbleiben oder Nachwirken von einmal aufgetauchten psychischen Eindrücken (z. B. Gedanken oder Vorstellungen). Dazu zählt auch das beharrliche Wiederholen von Bewegungen, Wörtern oder Zahlen in unpassendem Zusammenhang. Ein Beispiel für eine sprachliche Perseveration ist etwa der Versprecher: „Der Monat hat zwölf Monate.“[1] Ein ähnliches psychopathologisches Phänomen ist das eingeengte Denken.
    In der Psychopathologie ist die Perseveration ein typisches Symptom bei formalen Denkstörungen im Rahmen psychischer Störungen. Sie wird häufig von weiteren psychopathologischen Symptomen begleitet und tritt vor allem auf bei der Alzheimer-Krankheit, Autismus, Schizophrenie und Zwangsstörungen[2]; [...]

    Einmal editiert, zuletzt von Prof. Dr. X (24. Januar 2020 um 01:35)

  • Leider kenne ich das Problem des "Nicht-loslassen-Könnens", gerade wenn es um solch aufbrausende Themen geht, zu gut!
    Die Gedanken kreisen dann ständig darum.
    Ginge mir bei dem, was du da erlebt hast, auch so.

    Bei mir vermute ich, dass der Kontrollverlust der Situation die Ursache dafür ist, dass ich dann nicht mehr aufhören kann, an etwas zu denken.
    Es passiert etwas Unvorhergesehenes, Unkontrollierbares, das mich aufwühlt, da ich aber immer alles unter Kontrolle wissen möchte, macht mich dieser Zustand dann innerlich fast wahnsinnig. Manchmal auch äußerlich :d

    Man sollte sich vornehmen, gelassener zu sein und Dinge, die man nicht kontrollieren kann, nicht zu nah an sich heranzulassen. So in der Art....

    Also der ältere Mann an der Haustür hätte mich aber mindestens für den Rest des Tages aus dem Konzept gebracht :roll:

  • Das probiere ich ständig, doch leider klappt es meistens nicht.

    @Vulkan Mich kostet es sehr sehr viel Anstrengung, mir derartiger Baustellen und meinem Umgang damit möglichst bewusst zu bleiben oder (weil es meist nur kurzzeitig klappt) immer mich wieder bewusst und aktiv daran zu erinnern, und meinen Willen, gegen das "unbewusste Mitgerissenwerden" mit aller Kraft anzukämpfen, aufzubauen, zu stärken... Es braucht ungeheuer viel Energie, und wenn die gerade auch noch für diverse andere autismusbedingte Anstrengungen gebraucht wird, bin ich schnell wieder an meinen Grenzen angelangt und schaffe es nicht, weiteres energieziehendes Verhalten zu vermeiden (ungünstige Gewohnheiten eben), mich abzugrenzen... Ich glaube, wir haben es da einfach mit sehr vielen "Baustellen" zu tun, und ich versuche, mich auch hier möglichst nicht so unter Druck zu setzen. Dann ertappe ich mich eben wieder mal in einer Grübelschleife. Und sage mir dann, dass mein autistisches Hirn das eben einfach macht, so, wie ich es meiner Katze zähneknirschend, aber eben voller Achtung für ihr Sosein verzeihe, dass es ihre Natur ist, eine Maus oder einen Vogel zu töten. Ja, dann klappt es eben meistens nicht. Aber immerhin manchmal. Ich werde die Dinge wahrscheinlich nie so gut und selbstkontrolliert und souverän hinkriegen wie manche andere, und es nicht schaffen, meinen Stress perfekt zu managen. Ich werde vielleicht früher daran sterben als all die tiefenentspannten Idealmenschen, die uns die Medienwelt als Zielverkörperung vorhält. Dann will ich aber wenigstens auf den Stress verzichten, den mir Frust über wenig erfolgreiche Selbstverbesserungsmaßnahmen bereiten würde :-p

    Einmal editiert, zuletzt von Platypus (25. Januar 2020 um 11:39)

  • Leider geht es mir auch so. Besonders wenn ich mich ungerecht behandelt gefühlt habe oder mir Das Verhalten meines Gegenübers unlogisch oder falsch erscheint. Da kann ich Dinge gedanklich regelrecht "tot analysieren und trete auf der Stelle" (RW)

    Ich hab jetzt angefangen solche Situationen in ein Buch aufzuschreiben und auch warum es mich so aufwühlt. Abschließend schreibe ich dann noch ein Fazit dazu.

    Wenn es dann irgendwann nochmal gedanklich aufploppt (passiert mir manchmal das aus heiterem Himmel u.a. auch Jahre später mir die Situation einfällt) lese ich einfach im Buch nach, wie ich beim schreiben damit umgegangen bin.

    woher weiß ein Blinder, dass er blind ist, wenn er nicht weiß wie es ist zu sehen?

  • Leider kenne ich das Problem des "Nicht-loslassen-Könnens", gerade wenn es um solch aufbrausende Themen geht, zu gut!
    Die Gedanken kreisen dann ständig darum.

    Oh ja, so geht es mir auch! :m(: Ich kann mich da auch richtig reinsteigern....Auch wenn ich dann versuche, es wieder loszulassen, weil mir bewusst wird, dass ich mir selbst damit schade, fällt es mir unendlich schwer. x(

    Es passiert etwas Unvorhergesehenes, Unkontrollierbares, das mich aufwühlt, da ich aber immer alles unter Kontrolle wissen möchte, macht mich dieser Zustand dann innerlich fast wahnsinnig. Manchmal auch äußerlich

    Das belastet oft auch die Beziehung zu meiner Partnerin, weil ich gerade bei Konflikten dann kaum aufhören kann, darüber zu reden. Und weil ich es auch danach nicht aus dem Kopf bekomme, vor allem, wenn keine abschließende Klärung möglich war, fange ich dann bei jeder passenden und auch unpassenden Gelegenheit wieder damit an.

    Immer wenn mir jemand sagt ich wäre nicht gesellschaftsfähig, werfe ich einen Blick auf die Gesellschaft und bin sehr erleichtert...... :d

  • Ich kann mich auch nur sehr schwer von solchen Situationen mit starken negativen Emotionen lösen, egal ob es ein ungeklärter Streit, eine Ungerechtigkeit oder was auch immer ist. Es hilft mir dies auszuhalten, wenn ich mir immer wieder bewusst mache, dass es mich nach ein paar Stunden/Tagen/Wochen, je nach Heftigkeit, nicht mehr so belasten wird und nach und nach aus meinem Bewusstsein verschwindet.
    Zudem versuche ich immer wieder mich aktiv gedanklich in die Gegenwart zu holen. Das ist meist sehr schwierig, aber hilf enorm. Dabei ist es wichtig, sich nicht noch mehr Druck aufzubauen "ich MUSS jetzt aufhören an Ereignis XY zu denken", sondern immer, wenn einem Bewusst wird, dass man schon wieder gedanklich bei dem Ereignis XY ist, sich sagen "okay, und nun wieder in die Gegenwart: ich sehe einen Baum, fühle den kalten Wind...", ohne Vorwurf über sich selbst. Wenn man sich dieses Verhalten antrainiert, dann geschieht das Lösen nach und nach etwas schneller und dieses anstrengende "ich bin meiner Gedankenwelt ausgeliefert"-Gefühl ist nicht mehr so stark und hoffnungslos. Wie gesagt ist es dabei enorm hilfreich, wenn man grade in solchen Situationen liebevoll mit sich umgeht, und sich nicht noch für seine Gedankenspirale verurteilt, das macht es nur schlimmer.

  • Ja das kenne ich auch dass ich dann sehr viel nachdenke wenn ich nicht weiß was genau Sache ist oder wie jemand etwas gemeint hat oder wenn etwas Negatives passiert ist oder auch wenn ich vor etwas Angst habe ist es den ganzen Tag in meinem Kopf.

  • Ich kenne das auch. Mich stört die Unlogik in solchen Situationen. Da krieg ich n Error im Kopf.

    Solche Aktionen breche ich immer ab. Dem Typen hätte ich die Tür vor der Nase zugeknallt und bei einem wiederholten Klingeln gesagt, dass ich jetzt die Polizei rufe und die Tür wieder zugeknallt.

  • Mir sind solche Situationen auch bekannt und sie sind für mich auch immer sehr anstrengend. Ich komme mir dann immer so " überfahren" vor und weiss dann oftmals auch gar nicht was ich sagen soll. Hinterher geht mir daß dann noch ewig durch den Kopf und die Szene spielt sich immer wieder ab und ich merke wie ich mich dann auch ärgere, weil ich dieses oder jenes nicht gesagt habe. Aber in der Situation selbst bin ich nicht darauf gekommen dass ich das eine oder andere hätte sagen können. Aber ich kann dann auch nicht abschalten und muss immer wieder an die Situation denken. Und dann kommt auch in mir immer wieder die Frage: warum konnte ich nicht adäquat / angemessen reagieren ? Das beschäftigt mich dann teilweise mehrere Tage.

  • Das eigentliche Problem ist aber, dass ich nicht aufhören kann, darüber nachzudenken. Verschiedene Szenarien durchzudenken.
    Ich kann mich kaum auf was anderes konzentrieren.

    Kennt ihr das?
    Könnte es sein, dass es für mich so ist, weil die Situation nicht klärend beendet wurde?

    So ist es bei mir auch.
    Aber nicht nur bei unangenehmen Dingen.

    Als ich D&D gespielt habe, habe ich die ganze Zeit im Kopf meinen Charakter ausgebaut , konnte an gar nix mehr anderes denken. Sogar nachts beim Aufwachen.

    Ich weiß nicht , was das ist.

    "Autismusdiagnose - Potius sero quam numquam.
    ( Lieber spät als nie.) "
    :irony:

  • So ist es bei mir auch.Aber nicht nur bei unangenehmen Dingen.

    Als ich D&D gespielt habe, habe ich die ganze Zeit im Kopf meinen Charakter ausgebaut , konnte an gar nix mehr anderes denken. Sogar nachts beim Aufwachen.

    Ich weiß nicht , was das ist.

    Für mich ist das "total normal". Ich mag das aber bei "angenehmen" Dingen auch sehr - obwohl es für andere natürlich ziemlich blöd sein kann, aber ich selbst fühle mich sehr gut, wenn ich mich in so etwas "reingefressen" habe.
    So, wie ich es verstehe, scheint das doch etwas recht typisch Autistisches zu sein.

  • Gerade heute hatte ich wieder eine Situation, die mich noch immer beschäftigt, selbst wenn ich versuche, mich abzulenken. Sie wird mich sicher noch 1-2 schlaflose Nächte kosten. Erst morgen habe ich ggf. die Möglichkeit, die Situation zu klären oder aber sie noch zu verschlimmern.

    Ich bin grad in genau derselben Situation. Ich muss auch noch diese Nacht rum kriegen, bevor ich eine Problematik mit meinem besten Freund klären kann. Und ich habe Angst, dass er ab morgen nicht mehr mein bester Freund ist, weil wir so unterschiedlich denken, dass es ihm zu kompliziert wird mit mir.

    Warum sind soziale Interaktionen nur immer so kompliziert? :cry:

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