Auting am Arbeitsplatz

  • In einer Welt des Outerei bliebe im Grunde das To-do: Jeder müsste doch jedem ein Stück weit entgegenkommen, auch Menschen ohne Diagnosen sind doch nicht von sekundärer Bedeutung.

    Das ist ja kein Problem. Es läuft ja nicht so, dass man sagt "ich habe AS und jetzt nehmt mal Rücksicht auf mich", sondern die Beziehung ist wie vorher ein Geben und Nehmen, jeder bemüht sich, aber wenn etwas nicht klappt, dann hat die andere Seite dafür eine Erklärung, und diese führt in der Regel (sofern nicht etwas entgegensteht) zu mehr Verständnis und sogar auch Rücksichtnahme, wenn es leicht machbar ist. Viele Einschränkungen von AS brauchen nur eine geringe Rücksichtnahme, wie z.B. Verständnis wenn man nicht zur Weihnachtsfeier möchte, oder, falls ein Aspie das wünscht, dass man llieber Mails schreibt statt anruft. Es nimmt einem auch den Druck, beim Smalltalk funktionieren zu müssen, oder ständig darauf zu achten, normal zu wirken.
    Ansonsten hat man als Aspie nach wie vor eine Funktion an seinem Arbeitsplatz und muss die Leistung bringen so wie jeder andere auch.

    Als ich Arbeit hatte, habe ich es nicht erwähnt, weil ich nicht die Möglichkeit gesehen habe, dann zumindest 30 Minuten darüber sprechen zu können, was das in meinem Fall bedeutet und was die Leute mit der Info überhaupt anfangen sollen.

    Ich würde gar nicht so viel darüber reden wollen. Die Leute kennen mich, und googeln kann auch jeder, oder mich fragen. Ich will nicht, dass AS gleich so eine große Wichtigkeit bekommt, dass ich einen Vortrag darüber halten muss. Zumal ich selbst oft nicht weiß, wie ich eigentlich bin. Mir würde es reichen, vielleicht bei speziellen Anlässen etwas zu sagen, wie gerade wenn irgendeine Festivität ist und ich gar nicht hingehe oder mich früher verabschiede, dann kann ich z.B. sagen, dass mir die Menschenansammlung zu viel ist oder ich jetzt Ruhe brauche. Nur gegenüber meinem Chef müsste ich vielleicht mehr sagen. Ich sagte ihm, er kann mich alles fragen, aber er tut es nicht, und gerade der Chef muss etwas mehr über die Bedürfnisse und Einschränkungen wissen als die Kollegen, damit er versteht, welche Belastung manche Dinge sind und was ich an Unterstützung bräuchte. Das wäre dann meine Aufgabe, doch noch etwas mehr aufzuklären. Aber gegenüber den Kollegen will ich kein großes Ding daraus machen.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Ich bin nicht geoutet. Ich bin auch in einem Bereich tätig, in dem soziale Komptenzen erwartet werden und die hat man als Autist bekanntlich ja nicht. :irony:

    Hach ja. Das trifft bei mir auch zu.
    Ich habe allerdings daneben die (ge-"autete") "Diagnose" in Form eines "Dr."
    Damit kann man sich auch Vieles erlauben. :d

  • Ich habe zwar einen SBA, aber nicht mehr Urlaub. Also kriegen es die Kollegen tatsächlich nicht mit. Gefragt hat jedenfalls noch keiner.

    Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll. (Georg Christoph Lichtenberg)
    Veränderungen führen deutlich öfter zu Einsichten, als dass Einsichten zu Veränderungen führen. (Milton H. Erickson)
    Morgen werde ich mich ändern, gestern wollte ich es heute schon. (Christine Busta)

  • Zitat von MangoMambo

    Wie würdet ihr auf die Frage reagieren, warum ihr denn einen SBA oder mehr Urlaubstage habt?

    Uh stimmt, bei der Zahl der Urlaubstage dürfte es findigen Kollegen auffallen. Ich vermute, dass die gesamte Belegschaft gleich viele Urlaubstage hat oder es allenfalls nach Alter gestaffelt ist. Spätestens dann wäre es wohl angebracht zu sagen, dass man die wegen einem Schwerbehindertenausweis bekommt. Eine Lüge würde rauskommen und sowas wie "das möcht ich nicht sagen" kommt auch raus. Man kann versuchen, von der Frage abzulenken und einfach eine Gegenfrage zu stellen, aber ich kann sowas nicht.

    Würde jemand fragen, warum man einen Schwerbehindertenausweis hat, würde ich ganz klar sagen, dass ich die Frage indiskret finde und nichts weiter darauf antworten. Es schickt sich nicht, sowas zu fragen, würde ich sagen. Das ist wirklich indiskret.

    Ich stehe aktuell nicht vor der Frage, aber wenn ich keinen Nachteilsausgleich beantragen würde, würde ich auch uberlegen, ob ich nur wegen der Urlaubstage die Schwerbehinderung erwähnte. Die Gefahr von Neid und Mobbing sind vermutlich groß. Aber eine Woche zusätzlichen Urlaub entlastet auch. Ich fände die Entscheidung schwierig. Vermutlich sehr abhängig von den Kollegen.

  • Wie würdet ihr auf die Frage reagieren, warum ihr denn einen SBA oder mehr Urlaubstage habt?

    Oder bekommen das eure Kollegen nicht mit?

    Meine wissen, dass ich Autist bin. Ich glaube aber nicht, dass sich die meisten mit Schwerbehindertenausweisen und Urlaubstagen auskennen.
    Aber wenn die Frage käme: Dann einfach: Ich habe den Ausweis aufgrund von Autismus und damit hat man mehr Urlaubstage. Ist ganz einfach oder?

  • Wie würdet ihr auf die Frage reagieren, warum ihr denn einen SBA oder mehr Urlaubstage habt?

    Oder bekommen das eure Kollegen nicht mit?

    Der Arbeitgeber darf gar nicht nach dem Grund für den SBA fragen und es auch den Kollegen nicht mitteilen, wenn man es nicht möchte. Dass ich mehr Urlaubstage habe, ist bisher noch keinem Kollegen aufgefallen.

    Zum Thema Outing: Bei mir weiß es nur eine Kollegin, mit der ich privat schon länger befreundet bin und sie meinte zwar, das erklärt so einiges, aber fand es nicht weiter schlimm. Wir verstehen uns genauso gut wie vorher und irgendwie ist es auch nicht schlecht, jemanden in seinem Umfeld zu haben, der keine Rechtfertigung erwartet, wenn etwas nicht so klappt wie gedacht.

    Die anderen Kollegen wissen von nichts (hoffe ich). Meinem Arbeitgeber habe ich auch nichts gesagt, aber ich denke, sie wissen dennoch Bescheid oder können es sich denken. Ich bekam schon vor dem SBA einige Extrawürste gebraten (RW), die mir entweder angeboten wurden oder ich danach gefragt hatte. Danach war ich trotzdem länger krank und im Wiedereingliederungsprozess sollte ich auch darlegen, was mir die Arbeit erleichtert oder wo die Probleme liegen, ich habe sie dann aufgezählt, ohne was von Autismus zu erwähnen. Irgendwie traue ich mich nicht, etwas bremst mich, obwohl es wahrscheinlich egal wäre inzwischen. Man weiß allerdings auch nie, ob man in der Zukunft mal einen anderen Chef vor sich hat, der weniger tolerant ist, was mit ein Grund für meine Zurückhaltung bezüglich Outing ist. An der Situation selbst würde es ihm Moment ohnehin nichts ändern.

  • Dann arbeitet man wahrscheinlich am falschen Arbeitsplatz, wenn man wegen sowas gemobbt wird. :roll:

    Und was willst du damit sagen? Dass man einfach mal den Arbeitsplatz wechseln soll? Wie hoch ist denn deiner Meinung nach die Chance, dass es an einem anderen Arbeitsplatz besser aussieht und man nur verständnisvolle, rücksichtsvolle und liebe Kollegen hat, die sich unter Personalmangel und Zeitdruck nicht darüber aufregen, wenn eine Person dann auch noch eine Woche länger weg ist und in der Zeit die Kollegen die Arbeit übernehmen müssen. Sowas kann ein Arbeitsklima ganz schnell vergiften.

  • @FruchtigBunt Nicht einfach so, aber man sollte sich schon Gedanken machen unter welchen Umständen man arbeitet.

    Und mal eine andere Frage: Wieso denkt ihr, dass eure Kollegen merken wenn ihr eine Arbeitswoche mehr Urlaub habt? Zählen die eure Urlaubstage während des Jahres mit?

  • Zitat von How about no

    Und mal eine andere Frage: Wieso denkt ihr, dass eure Kollegen merken wenn ihr eine Arbeitswoche mehr Urlaub habt? Zählen die eure Urlaubstage während des Jahres mit?

    Das könnte doch z. B. auffallen, wenn man die Urlaubsplanung macht. Bei uns gab es immer einen Kalender und man musste sich abstimmen, wann wer Urlaub bekommt. Da würde es mir zumindest auffallen, wenn jemand 5 Tage mehr Urlaub hat. Das könnte man ja sogar ganz einfach im Kalender nachzählen.


    Zitat von How about no

    Nicht einfach so, aber man sollte sich schon Gedanken machen unter welchen Umständen man arbeitet.

    Nur weil man sich Gedanken macht, ändert das aber leider oft nichts an den Umständen selbst.

  • Ich habe allerdings daneben die (ge-"autete") "Diagnose" in Form eines "Dr."
    Damit kann man sich auch Vieles erlauben.

    Verstehe ich nicht .. vielleicht liegts an der Uhrzeit.

    Shnoing will damit wohl sagen, dass er einen Doktortitel hat. Und offenbar kann man sich in seinem Job etwas mehr erlauben, wenn man einen Doktortitel hat.
    (In meinem Job würde ein Doktortitel nicht viel nutzen).

    Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll. (Georg Christoph Lichtenberg)
    Veränderungen führen deutlich öfter zu Einsichten, als dass Einsichten zu Veränderungen führen. (Milton H. Erickson)
    Morgen werde ich mich ändern, gestern wollte ich es heute schon. (Christine Busta)

  • Bei der Bank spielte das damals durchaus eine Rolle. Da bestanden teilweise die Kollegen darauf, mich mit dem Titel anzureden, obwohl ich gesagt hatte, dass ich da keinen Wert drauf lege. Der Dr. verschaffte schon einen gewissen Sonderstatus, auch wenn - wie bei mir und einem Kollegen, der promovierter Biologe war - das Fach in keinem Bezug zur Arbeit in der Bank stand.

  • Ich habe zwar keine offizielle Diagnose (und habe deshalb auch nicht abgestimmt) aber ich denke, dass meine Situation insofern etwas „besonders“ ist, da ich ja mit vielen PsychologInnen zusammenarbeite, die vielleicht gegenüber solchen Themen etwas „sensibler“ sind. Einer Kollegin habe ich von dem Verdacht erzählt, und sie scheint es (mittlerweile, nachdem sie mich in manchen „seltsamen“ Situationen erlebt hat) auch zu sehen. Ich denke auch, dass mind. eine weitere Kollegin (die eine Psychotherapeuten-Ausbildung gemacht hat) Ähnliches denkt. Zumindest interpretiere ich manche ihrer Verhaltensweisen mir gegenüber so. Ich habe generell das Gefühl, dass ich mittlerweile von den KollegInnen mit psychologischem Hintergrund (sind ja nicht alle bei uns Psychologen) anders behandelt werde (fast schon „netter“, „zuvorkommender“). Ich glaube nicht, dass die Kollegin, der ich das anvertraut habe, es weitererzählt hat, denn sie ist die Ehefrau eines Pfarrers und moralisch sehr „integer“, weshalb ich fast befürchte, dass aufgrund meines Verhaltens über mich geredet wird.
    Ich kann die Frage, ob ich mich outen möchte, sofern dann eine Diagnose existieren sollte, nur sehr schlecht beantworten, da ich einerseits dann meinen Arbeitsplatz eher an meine Bedürfnisse anpassen könnte, worauf die anderen sicher auch Rücksicht nehmen würden, ich andererseits aber nicht möchte, dass sie mich „wie ein Kind“ behandeln könnten, was zumindest ansatzweise mein Gefühl zu ihrem derzeitigen Verhalten mir gegenüber ist: Sie sind alle ungewohnt nett zu mir (waren sonst auch nett, aber weniger stark ausgeprägt) und wenig fordernd, als wollten sie mich schonen. Ich weiß nicht, was ich momentan davon halten soll.

  • Sie sind alle ungewohnt nett zu mir (waren sonst auch nett, aber weniger stark ausgeprägt) und wenig fordernd, als wollten sie mich schonen.

    Das wäre mE eher ein Argument pro Auting (am ehesten, sobald eine Diagnose vorliegt), denn das könnte schlicht Ausdruck von Unsicherheit sein - sie wissen, dass da irgendetwas ist, aber nicht, wo genau deine Probleme liegen, trauen sich aber nicht zu fragen. Da könnte es helfen, eine Diagnose öffentlich zu machen, weil Du dann auch sehr konkret sagen kannst, wo Du Rücksichtnahme brauchst und wo nicht, und dass man Dich im Zweifel auch danach fragen kann.

  • Shnoing will damit wohl sagen, dass er einen Doktortitel hat. Und offenbar kann man sich in seinem Job etwas mehr erlauben, wenn man einen Doktortitel hat.

    Den habe ich zwar auch, aber ich habe nicht das Gefühl, dass ich dadurch verrückter wirken darf.
    Im Gegenteil, manchmal denke ich, dass andere sich wundern müssen, wenn man so verpeilt ist und einen Dr. hat -obwohl es gibt ja das Klischee vom zerstreuten Dr. (bzw. Prof.). :d

  • Würde jemand fragen, warum man einen Schwerbehindertenausweis hat, würde ich ganz klar sagen, dass ich die Frage indiskret finde und nichts weiter darauf antworten. Es schickt sich nicht, sowas zu fragen, würde ich sagen. Das ist wirklich indiskret.

    da die Kollegen mit ihren Einschränkungen sehr offen umgehen würde das evtl. als Vertrauensbruch gesehen werden ist meine Sorge.

    Wieso denkt ihr, dass eure Kollegen merken wenn ihr eine Arbeitswoche mehr Urlaub habt? Zählen die eure Urlaubstage während des Jahres mit?

    Die Kollegen müssen mich ja im Urlaub vertreten und ich sie. Da merkt man das schon.

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