"Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten"?

  • Ich frage mich immer wieder wie es kommt, dass Leute lange im Leben klarkommen und dann plötzlich brauchen bzw. wollen sie eine kostenlose Begleitperson und was weiß ich was.

    Es kann ja theoretisch auch sein, dass man lange Zeit über die eigenen Kräfte hinausgegangen ist, und nachdem man die Diagnose hat, will man die Unterstützung, die man eigentlich schon immer hätte brauchen können.
    Natürlich ist das dann schon irgendwie grenzwertig (also gerade an der Grenze zwischen "selber können" und "Hilfe brauchen"), aber ich denke, trotzdem berechtigt.

    Mein Psychiater und mein Therapeut empfehlen beide in ihren Schreiben einen GdB von 50-60

    Ich kann mir das nie merken: kann man mit GdB 50 oder 60 überhaupt schon Merkzeichen bekommen? Oder geht das erst ab 80?

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Es kann ja theoretisch auch sein, dass man lange Zeit über die eigenen Kräfte hinausgegangen ist, und nachdem man die Diagnose hat, will man die Unterstützung, die man eigentlich schon immer hätte brauchen können.Natürlich ist das dann schon irgendwie grenzwertig (also gerade an der Grenze zwischen "selber können" und "Hilfe brauchen"), aber ich denke, trotzdem berechtigt.


    Und andere Möglichkeit, wie z.B. mein Therapeut es formuliert hat: Es geht bei der Frage nach der Behinderung nicht darum, ob man etwas nicht kann. Sondern es geht darum, ob man seinen Alltag ohne größere Schwierigkeiten genauso bzw. ähnlich bewältigen kann, wie Menschen ohne Behinderung bzw. wie es den gesellschaftlichen Erwartungen entspricht.

    So ist das auch bei mir: Ich kann auch alleine leben und ich kann sehr viele Sachen auch alleine. Aber es verursacht große Schwierigkeiten, insbesondere gesundheitliche, wenn ich es alleine mache.
    Ich finde das ist oft einer der größten Denkfehler bei vielen Menschen, wenn es um eine Schwerbehinderung geht: Schwerbehinderung heißt nicht, dass man seinen Alltag nicht allein bewältigen kann. Sondern "nur", dass man ihn nicht im selben Maße und ohne größere Schwierigkeiten bewältigen kann, wie es der (allgemein erwarteten) Norm entspricht.

  • Ich frage mich immer wieder wie es kommt, dass Leute lange im Leben klarkommen und dann plötzlich brauchen bzw. wollen sie eine kostenlose Begleitperson und was weiß ich was. Manchmal überlege ich mir, ob die Behinderung durch die ASS-Diagnose zustande kommt? Also das was hier im Forum auch schon als "autistischer Schub" diskutiert wurde.

    Es gibt Leute, die lange Zeit absolut über ihre Kräfte leben und dann crashen. Das ist gar nicht so unüblich, grad im Bereich der Hochfunktionalität. Ich bin zB so ein Mensch, und ich habe das so gnadenlos mir selber gegenüber durchgezogen, dass ich auch sehr heftig gecrasht bin, und selbst das habe ich sehr lange nicht eingesehen. Möglicherweise könnte ich das ganze Spielchen nochmal durchziehen, also mich so weit auf die Beine boxen, dass ich wieder funktioniere, das ein poaar Jahre durchziehen und dann crashe ich eben wieder. Das ist doch nicht Sinn der Sache. Die meisten späten Diagnosen kommen ja aufgrund solcher Crashs zustande, wenn sie vorher so wunderbar klargekommen wären wie du meinst, dann wäre es doch gar nicht zur Diagnose gekommen.


    Die Leute, die ich kenne mit GdB 70 und höher, und die das nicht mit einem Anwalt durchgeboxt haben oder sonstige fragwürdige Taktiken hatten, die haben ganz andere Einschränkungen als viele von denen, die hier im Forum posten dass ihnen so ein GdB zustehen würde und an anderen Stellen über ihre Lebenssituation schreiben (was auf tatsächlich vorliegende Einschränkungen schließen lässt).

    Ein Anwalt, fragwürdige Taktik? Finde ich etwas fehl am Platz, zumal bekannt ist, dass die Stellen gerne einfach mal so runterrechnen. Also wenn ich mit fachärztlichem Gutachten komme von einem oder mehreren Äerzten, die mir nicht näher bekannt sind, also keine Kumpels sind die Gefälligkeitsgutachten schreiben, und das Amt sagt einfach mit nem Achselzucken "Hm nö sehen wir anders" ohne jemals mit mir gesprochen zu haben oder sonstwas, dann muss ich das nicht hinnehmen. Und wenn ich nicht die Energie habe, das Widerspruchsverfahren selber einzuleiten ist es schlicht legitim sich einen Anwalt zu nehmen. Ich habe absolut NICHTS dagegen wenn man mich zu einem Amtsarzt schickt, zum MD schickt oder sonstwas um ein Gegengutachten zu erstellen, aber einfach ohne Begründung irgendwas entscheiden ist eben nicht in Ordnung, wenn ich mehr als ein Gutachten vorlege (übrigens habe ich Akteneinsicht beantragt, durch die rausgekommen ist, dass mein 7 Seiten Aufsatz nicht einmal gelesen wurde - soviel zu fragwürdigen Taktiken wenn man sich dann Unterstützung holt, ist nicht eher dieses Vorgehen fragwürdig?)

    Dazu kommt, dass hier im Forum vielleicht nicht jeder eine intimsten Probleme breit treten möchte und es deshalb schwierig ist, sich ein urteil zu bilden darüber, in welchem Zustand diejenigen sind die meinen ihnen stünde etwas zu? Also vielleicht kennst du einfach nicht die komplette Lebenssituation? Sondern nur genau den Ausschnitt den diejenigen hier posten?

  • Ich sehe hier insofern ein Problem als ich den Eindruck habe, dass der GdB zunehmend mehr über die Aggressivität des Antragsstellers bzw. seines Anwaltes aussagt als über den tatsächlichen Grad der Behinderung.

    Was qualifiziert dich denn dazu, solch allgemein gültigen Aussagen zu treffen? Und wie hast du diese verifiziert? Sry, habe überlesen, dass du von deinem Eindruck schriebst. :oops:

    Einmal editiert, zuletzt von Back (20. Januar 2022 um 18:25)

  • Ich kann mir das nie merken: kann man mit GdB 50 oder 60 überhaupt schon Merkzeichen bekommen? Oder geht das erst ab 80?

    Das geht schon mit GdB 50. Aber es ist schon nicht einfach, mit ASS einen SBA zu kriegen. Und Merkzeichen zu bekommen ist noch schwieriger.
    Ich könnte mir vorstellen, dass das Versorgungsamt argumentiert, dass jemand, der in der Lage ist, zu studieren, die Voraussetzungen für GdB 50 nicht erfüllt.
    Hängt alles vom Sachbearbeiter ab. Wenn der morgens schlecht gesch... hat, dann muss man den Weg über Widerspruch und ggfs. Klage gehen.
    Oder es einfach lassen.

  • Es gibt Leute, die lange Zeit absolut über ihre Kräfte leben und dann crashen. Das ist gar nicht so unüblich, grad im Bereich der Hochfunktionalität. Ich bin zB so ein Mensch, und ich habe das so gnadenlos mir selber gegenüber durchgezogen, dass ich auch sehr heftig gecrasht bin, und selbst das habe ich sehr lange nicht eingesehen. Möglicherweise könnte ich das ganze Spielchen nochmal durchziehen, also mich so weit auf die Beine boxen, dass ich wieder funktioniere, das ein poaar Jahre durchziehen und dann crashe ich eben wieder.

    Genau darauf würde es bei mir ohne SBA wohl auch hinauslaufen. Und das ist einfach nicht gesund. Darum nehme ich aktuell jede Hilfe in Anspruch, die mir zur Verfügung steht und "erhole" mich erst mal von 25 Jahren Achterbahnfahrt (RW). Und wenn ich es mir wieder gut geht, kann ich gemeinsam mit meinem Psychiater und Therapeuten schauen, welche Hilfen vielleicht sukzessive wieder abgebaut werden können.


    Also wenn ich mit fachärztlichem Gutachten komme von einem oder mehreren Äerzten, die mir nicht näher bekannt sind, also keine Kumpels sind die Gefälligkeitsgutachten schreiben, und das Amt sagt einfach mit nem Achselzucken "Hm nö sehen wir anders" ohne jemals mit mir gesprochen zu haben oder sonstwas, dann muss ich das nicht hinnehmen. Und wenn ich nicht die Energie habe, das Widerspruchsverfahren selber einzuleiten ist es schlicht legitim sich einen Anwalt zu nehmen.

    Ich brauchte mir so gesehen nicht mal einen Anwalt nehmen. Ich bin Mitglied beim VdK und da ist ja eine Rechtsschutzversicherung u.a. für Widerspruchsverfahren inbegriffen im Mitgliedsbeitrag. Und wenn ich nen Anwalt für wenig Geld zur Verfügung habe, der auch noch auf solche Fälle spezialisiert ist, warum soll ich den dann nicht auf meinen Fall drauf gucken lassen. Denn der Anwalt bzw. der VdK sehen dass genauso:


    ch habe absolut NICHTS dagegen wenn man mich zu einem Amtsarzt schickt, zum MD schickt oder sonstwas um ein Gegengutachten zu erstellen, aber einfach ohne Begründung irgendwas entscheiden ist eben nicht in Ordnung, wenn ich mehr als ein Gutachten vorlege (übrigens habe ich Akteneinsicht beantragt, durch die rausgekommen ist, dass mein 7 Seiten Aufsatz nicht einmal gelesen wurde - soviel zu fragwürdigen Taktiken wenn man sich dann Unterstützung holt, ist nicht eher dieses Vorgehen fragwürdig?)

    Es gibt ja eine Begründung, die aber überhaupt nicht zu den Akten passt. Im Grunde waren es drei Begründungen gegen meine Ablehnung:
    1) Die Diagnose Autismus sei falsch, weil die Eltern nicht befragt worden seien und es keine Hinweise in der Kindheit gegeben werden.
    -> seltsamerweise steht in dem Arztbrief, der meine Autismus-Diagnose bestätigt, auch mehrere Absätze und Tests, dass auch die Anamnese der Eltern gezeigt hätte, dass die Symptome bereits seit frühester Kindheit bestehen und es sogar in der ersten Klasse eine Empfehlung für eine ADHS-Diagnostik gab

    2) Ich hätte eine Berufsausbildung abgeschlossen, also sei ich gesellschaftlich partizipiert
    -> Ich habe nur die erste Phase der zweistufigen Ausbildung abschließen können und das auch nur, weil ich für diese Ausbildung überqualifizert war und quasi durch meine vorherige Schulform kaum was lernen musste für die Schule. Die vorherige Schulform musste ich abbrechen, eben wegen meiner Einschränkungen, und auch die zweite Stufe der Ausbildung konnte ich nicht abschließen

    3) Ich würde studieren und hätte erfolgreich einen Bachelor abgeschlossen, demnach kann ich nicht schwerbehindert sein
    -> die ganzen Nachteilsausgleiche und die staatlich finanzierte Hilfskraft, sowie die ganzen unbezahlten Hilfen, die alle in der Akte enthalten waren, wurden anscheinend gekonnt ignoriert. Denn ich habe bereits seit dem Bachelor verschiedene Hilfsmaßnahmen für Studium gehabt.

    Also entweder haben sie auch bei mir die ganzen bereits erfolgten Nachteilsausgleiche, Atteste und Stellungnahmen gar nicht erst gelesen oder bewusst ignoriert... sonst hätten die eventuell gemerkt, dass ich spätestens seitdem ich alleine wohne quasi durchgehend fremde Hilfen in Anspruch nehmen musste zum Leben.

  • Ich könnte mir vorstellen, dass das Versorgungsamt argumentiert, dass jemand, der in der Lage ist, zu studieren, die Voraussetzungen für GdB 50 nicht erfüllt.
    Hängt alles vom Sachbearbeiter ab. Wenn der morgens schlecht gesch... hat, dann muss man den Weg über Widerspruch und ggfs. Klage gehen.
    Oder es einfach lassen.

    Siehe meinen Beitrag gerade: Genauso wurde argumentiert. Nur doof (für den Sachbearbeiter), dass ich durch Atteste und Nachteilsausgleiche eindeutig belegen kann, dass ich auch während des Studiums schon mehrere Unterstützungsmaßnahmen und Nachteilsausgleiche erhalten habe, die sein Argument entkräften.

  • und die das nicht mit einem Anwalt durchgeboxt haben oder sonstige fragwürdige Taktiken hatten

    soviel zu fragwürdigen Taktiken wenn man sich dann Unterstützung holt

    Bei mir steht "mit Anwalt durchgeboxt" ODER "sonstige fragwürdige Taktiken". Mit sonstiger fragwürdiger Taktik meine ich z.B. dem Amt so lästig werden, dass die irgendwann nachgeben und die Person den angestrebten GdB erhält. Zwischen den beiden Satzteilen habe ich durch das einsetzen des "oder" keine Verbindung hergestellt.

    Surprised by the joy of life.

  • Mit sonstiger fragwürdiger Taktik meine ich z.B. dem Amt so lästig werden, dass die irgendwann nachgeben und die Person den angestrebten GdB erhält.

    *ironie* weil es auch so unvorstellbar ist, dass bei der ersten Überprüfung des Antrags schlicht und ergreifend nicht alles genau geprüft wird und bei einer erneuten Überprüfung des Antrags dann herauskommen könnte, dass die Person tatsächlich den beantragten GdB hat *ironie Ende*

  • *ironie* weil es auch so unvorstellbar ist, dass bei der ersten Überprüfung des Antrags schlicht und ergreifend nicht alles genau geprüft wird und bei einer erneuten Überprüfung des Antrags dann herauskommen könnte, dass die Person tatsächlich den beantragten GdB hat *ironie Ende*

    Ich verstehe nicht warum du das scheinbar/offensichtlich/eventuell/vermutlich auf dich beziehst. Ich meinte z.B. Leute, die ständig wieder einen Verschlechterungsantrag einreichen oder Telefon-/Email-Terror veranstalten.

    Surprised by the joy of life.

    Einmal editiert, zuletzt von Surprised (20. Januar 2022 um 18:58)

  • Ich verstehe nicht warum du das scheinbar/offensichtlich/eventuell/vermutlich auf dich beziehst. Ich meinte Leute, die ständig wieder einen Verschlechterungsantrag einreichen oder Telefon-/Email-Terror veranstalten.

    Weil du den Ursprungsbeitrag auf meinen Beitrag hin geschrieben hast, dass ich eindeutig den GdB haben müsste.

  • Ich verstehe nicht warum du das scheinbar/offensichtlich/eventuell/vermutlich auf dich beziehst. Ich meinte Leute, die ständig wieder einen Verschlechterungsantrag einreichen oder Telefon-/Email-Terror veranstalten.

    Kennst du solche Fälle und weißt, dass die erfolgreich waren?

    Tatsächlich halte ich es andersherum für eine fragwürdige Taktik des Versorgungsamtes, dass auffallend häufig (Bericht meiner Beraterin vom EUTB) der GdB ziemlich niedrig angesetzt wird und dann erst mit dem Widerspruch auf das Niveau angehoben wird, das der Schilderung der ärztlichen Stellungnahmen entspricht. Bei mir haben drei Behandler unabhängig eine Empfehlung von 50-70 ausgesprochen, zunächst kam 30 raus. Nach erfolgtem Widerspruch hat das Versorgungsamt einen Abhilfebescheid von 50 unbefristet geschickt. Aufgrund gleicher Aktenlage. Das klingt für mich definitiv mehr nach fragwürdiger Taktik.

    Ich schreibe in der Regel vom mobilen Endgerät aus - merkwürdige Wortkonstrukte sind ggf. der Autokorrektur geschuldet

  • Tatsächlich halte ich es andersherum für eine fragwürdige Taktik des Versorgungsamtes, dass auffallend häufig (Bericht meiner Beraterin vom EUTB) der GdB ziemlich niedrig angesetzt wird und dann erst mit dem Widerspruch auf das Niveau angehoben wird, das der Schilderung der ärztlichen Stellungnahmen entspricht. Bei mir haben drei Behandler unabhängig eine Empfehlung von 50-70 ausgesprochen, zunächst kam 30 raus. Nach erfolgtem Widerspruch hat das Versorgungsamt einen Abhilfebescheid von 50 unbefristet geschickt. Aufgrund gleicher Aktenlage. Das klingt für mich definitiv mehr nach fragwürdiger Taktik.

    So kenn ich es auch. Bzw. genauso haben es mein Psychiater, mein Therapeut und der Anwalt (die alle drei regemäßig mit Fällen wie meinem zu tun haben) auch erzählt. Und das dieses Vorgehen inzwischen wohl üblich sei, insbesondere bei Einschränkungen, die ein breites Spektrum an Symptomen haben können (wie psychische Leiden, Autismus, ADHS etc.).

    Davon, dass jemand durch Telefon- und Emailterror ne Änderung seines GdB erreicht hat, habe ich noch nie gehört.

    Und wenn man das "Durchboxen" mithilfe eines Anwalts negativ sehen will... ich sehe den Anwalt hier als meinen Interessenvertreter, der stelltvertretend für mich meine Interessen formuliert und meine Rechte durchzusetzen versucht. Etwas negatives oder ein "durchboxen" (das impliziert für mich nämlich ein gewisses Maß davon, etwas zu Unrecht durchsetzen zu wollen) kann ich da nicht drin erkennen.

  • Kennst du solche Fälle und weißt, dass die erfolgreich waren?

    Ja.

    Ich denke mal weiter werde ich in diesem Thread erstmal nichts schreiben. Meine (An-)Fragen habe ich eingebracht und ich glaube wir haben einfach einen unterschiedlichen Kenntnisstand und eine unterschiedliche Perspektive.

    Surprised by the joy of life.

  • Es kann ja theoretisch auch sein, dass man lange Zeit über die eigenen Kräfte hinausgegangen ist, und nachdem man die Diagnose hat, will man die Unterstützung, die man eigentlich schon immer hätte brauchen können.
    Natürlich ist das dann schon irgendwie grenzwertig (also gerade an der Grenze zwischen "selber können" und "Hilfe brauchen"), aber ich denke, trotzdem berechtigt.

    Da schließe ich mich an. Oft liegt der Balanceakt ja auch darin, dass man viele Dinge zwar im Prizip kann, sie aber deutlich mehr Energie kosten als bei anderen Menschen. Das bedeutet, man schafft insgesamt viel weniger (es sei denn, man geht eben permanent über die eigenen Grenzen, aber das weder gesund noch meist langfristig möglich). Zugleich kann es schwierig sein, konkret festzumachen, wo denn konkret die genauen Einschränkungen liegen. Aber Hilfe kann trotzdem nötig und berechtigt sein.

    Wichtig finde ich auch, sich klarzumachen, dass der Grad der Behinderung nicht im Verhältnis zu sehr schwer betroffenen, stark eingeschränkten Menschen gedacht wird, sondern im Verhältnis zu durchschnittlichen Menschen im gleichen Alter ohne Behinderungen/ nennenswerte gesundheitliche Einschränkungen. Da kann auch bei manchen auf den ersten Blick unauffälligen Grenzfällen der Abstand recht groß sein.

    Davon abgesehen denke ich auch, dass es manchmal leider durchaus auf eine gute und geschickte Selbstinszenierung ankommt, ob man Hilfsansprüche durchsetzen kann. Gerade autistische Menschen haben da wohl oft "schlechte Karten".

    From my youth upwards my spirit walk'd not with the souls of men. (...)
    My joys, my griefs, my passions, and my powers, made me a stranger.

  • Bei mir steht "mit Anwalt durchgeboxt" ODER "sonstige fragwürdige Taktiken"

    Also meinem Verständnis nach bedeutet das, dass ersteres unter fragwürdige Taktiken fällt und es außerdem noch sonstige, weitere fragwürdige Taktiken gibt. Ansonsten müsste es heißen "mit Anwalt durchgeboxt oder fragwürdige Taktiken angewandt", würde ich meinen. Aber gut, dann hab ich mich umsonst aufgeregt, wenn du das anders meintest, als ich es verstanden habe.


    Ich könnte mir vorstellen, dass das Versorgungsamt argumentiert, dass jemand, der in der Lage ist, zu studieren, die Voraussetzungen für GdB 50 nicht erfüllt.

    Ja, das könnte bei mir auch so gewesen sein. Allerdings hat der Sachbearbeiter dann leider keine Ahnung davon wie mein Studiengang aussieht, im ersten und zweiten Studiengang bestand 80 Prozent des Studiums aus Üben in Einzelzelle (Musik) und Einzelunterricht beim Prof und der dritte Studiengang war ein Fernstudium, war alles schwer genug, aber da hätte mir auch kein Nachteilsausgleich bei helfen können.

  • Ja, das könnte bei mir auch so gewesen sein. Allerdings hat der Sachbearbeiter dann leider keine Ahnung davon wie mein Studiengang aussieht, im ersten und zweiten Studiengang bestand 80 Prozent des Studiums aus Üben in Einzelzelle (Musik) und Einzelunterricht beim Prof und der dritte Studiengang war ein Fernstudium, war alles schwer genug, aber da hätte mir auch kein Nachteilsausgleich bei helfen können.

    Ja, das kann auch ein Problem sein. Aber darum hat z.B. mein Therapeut in seiner Stellungnahme explizit darauf hingewiesen, dass meine Studiengänge aufgrund ihrer besonderen Merkmale für mich leichter zu bewältigen sind, aber nicht davon auszugehen ist, dass dies auch im normalen Berufsalltag möglich ist. Und mein Psychiater hat mir ein Attest ausgestellt (damals fürs Bafög-Amt, das habe ich aber auch dem Antrag beigefügt), dass meine Studierfähigkeit gegenüber einem normalen Durchschnitts-Studierenden um 50% eingeschränkt ist.

    Also in meinem Antrag haben mein Therapeut, mein Anwalt und ich uns gegen die meisten dieser Argumente extra im Vorfeld abgesichert bzw. haben (wenn die da weiter drauf pochen) auch noch weitere Munition in der Hinterhand. Z.B. würden wir im Fall der Fälle auch Stellungnahmen meiner Professor*innen einholen, die meine Probleme bezeugen können und auch, dass ich im gesamten Studiengang auch neben dem Nachteilsausgleich inoffiziell Erleichterungen bekommen habe. Allerdings gehen wir bisher aufgrund dessen, wie die Ablehnung formuliert war, davon aus, dass der Antrag gar nicht vollständig gelesen wurde.

  • Ich hatte schon mal anderer Stelle geschrieben, dass ich einen GdB 50 dauerhaft erhalten habe und den auch unbefristet, weil ich mehrere Psychotherapien, Hörstürze, psychiatrische Behandlungen, Ausmusterung damals noch vom Zivildienst (mit entsprechenden Gutachten) bekommen habe und argumentiert habe, dass ich zwar vieles geschafft habe (auch das Studium) aber nur durch dauerhafte Unterstützung. Ich habe mich also nicht an die Vorgabe gehalten, nur aktuelle Diagnosen und Behandlungen anzuzeigen, sondern habe gleich mal einen Aktenordner an Krankengeschichte mit 20 (?) Ärzten eingereicht. Hat etwas gedauert, das alles zusmmenzustellen und die Ärzte (vorallem die Behörde für den damals noch existierenden Zivildienst), aber es hat geklappt. Ich halte mich tatsächlich für gut funktional, wenn ich dauerhaft Unterstützung bekomme, sonst brenne ich relativ schnell aus. Den Zusammenhang habe ich seit Diagnosestellung begriffen. Es war schon eigenartig, eigentlich hatte jeder Arzt, der mich jemals gesehen hat, mit seiner Einschätzung recht, aber keiner hat den Zusammenhang gesehen. Die Einzeldiagnosen fügen sich in ihrer Gesamtheit zur Austismusdiagnose zusammen. Jetzt ist es zwar kein Einzelfallhelfer, wohl aber eine monatliche Begleitung in Form eines Coachings durch eine Autismusambulanz. Ohne gehts nicht, das habe ich aktuell wieder gemerkt, weil die Unterstützung Dank Corona längere Zeit ausgefallen ist, jetzt gehts via Videoschalte weiter, ist kein Ende vorgesehen für die Unterstützung, solange die Krankenkasse mitspielt, aber ohne werde ich irgendwann arbeitsunfähig. Man muss bei dem Antrag durchaus mal überlegen, was man an Argumentation hat und alles auf den Tisch packen.

    diagn.

    6 Mal editiert, zuletzt von xyberlin (21. Januar 2022 um 19:04)

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