"Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten"?

  • Hallo,

    bestimmt wurde die Frage schon mehrmals gestellt, aber da es in diesem Fall eher um eine Zuordnung meiner Symptome geht, hoffe ich ein neuer Thread ist ok.

    Mein Therapeut und auch der Psychiater denken, dass bei mir ein SBA vor allem in Hinsicht auf eine spätere Berufstätigkeit.

    Jetzt ist für Asperger bzw. ASS die Voraussetzung für 50% Behinderungsgrad ja Mittlere soziale Anpassungsschwierigkeiten im Sinne von: "Mittlere soziale Anpassungsschwierigkeiten liegen insbesondere vor, wenn die Integration in Lebensbereiche nicht ohne umfassende Unterstützung (zum Beispiel einen Integrationshelfer als Eingliederungshilfe) möglich ist."

    Jetzt bin ich mir unsicher ob ich das erfülle.
    Müssen die Schwierigkeiten ausnahmslos in allen sozialen Situationen vorkommen? Und müssen entsprechende Integrationshelfer immer auch ausgebildete Fachkräfte sein. Mir fallenn zu der Definition bei mir folgende Dinge auf:

    - in 8-9 von 10 Fällen kann ich nicht alleine an gesellschaftlichen Anlässen teilnehmen. Nur wenn mir ein gesellschaftlicher Anlass (z.B. Zoobesuche) mir so viel Spaß und Freude macht, dass es die Angst und das Unwohlsein übersteigt, trau ich mich da alleine hin
    - bei Hausarbeiten/Studienleistungen und in Praktika brauche ich sehr viel mehr Anleitung und Betreuung durch meine Chefs und Dozenten als andere, selbstständiges Arbeiten ohne Anleitung fällt mir schwer
    - in fast allen sozialen Angelegenheiten für die ich keine klare Antwort oder Plan im Kopf habe frage ich meine Mama oder eine Freundin
    - ich bin nicht in der Lage selbstständig private Kontakte zu knüpfen und Beziehungen aufrecht zu erhalten, dass muss immer von anderen ausgehen oder geleistet werden (d.h. die 2-3 Freundschaften die ich habe gingen komplett von den Mädels aus und werden auch durch sie aufrecht erhalten)
    - ich bin Mitglied im Mensa-Verein, nehme auch regelmäßig an Veranstaltungen bzw. gemeinsamen Aktivitäten teil, aber fühle mich dabei häufig unwohl und traue mich zu 99% auch nur zu den Veranstaltungen, wenn ich weiß, dass mindestens eine Person anwesend ist die ich auch mag

    Fallen euch noch weitere Aspekte ein, die ein Erfüllen oder Nicht-Erfüllen dieser Definition erfüllen? Habt ihr Anregungen, was für Verhaltensweisen oder Situationen dafür oder dagegen sprechen?

  • Das Problem mit den Definitionen ist ja auch, dass sie je nach Diagnostiker bzw. Sachbearbeiter beim Versorgungsamt unterschiedlich ausgelegt werden. Ausserdem ist es ja immer noch ein Spektrum, wo die einzelnen Ausprägungen individuell unterschiedlich ausfallen.
    Eine Pauschale Aussage diesbezüglich lässt sich deshalb wohl kaum treffen.
    Es bleibt da wohl kein anderer Weg als es zu probieren.

    (Ich selbst habe vor einer Stunde meinen Betreuer verabschiedet, der nun einen Antrag auf Neubewertung mit den neuen Diagnosen abschickt. In der Diagnose zur ASS stehen bei mir mittelgradige bis ausgeprägte Einschränkungen in den unterschiedlichen Lebensbereichen. In der Regel liegt die Bearbeitungszeit dann bei bis zu 3 Monaten.)

    Mehr kann ich aus eigener Erfahrung aktuell also leider nicht beitragen.

    ~ Einmal entsandt, fliegt das Wort unwiderruflich dahin ~
    Quintus Horatius Flaccus

  • Ich habe einen GdB von 50 auf unbefristet!

    Wie schön für Niklas22....
    Aber für die Fragestellung hier eher eine nicht relevante Antwort.


    Jetzt bin ich mir unsicher ob ich das erfülle.
    Müssen die Schwierigkeiten ausnahmslos in allen sozialen Situationen vorkommen?

    Das müssen sie natürlich nicht.
    (Ich glaube, es gibt kaum einen Aspergerautisten auf dieser Welt, der alle diagnostischen Felder zu 100% abdeckt aufgrund seiner Symptomatik!)
    Sie sollen aber situationsübergreifend vorkommen, also beispielsweise

    - ich habe hier (gedacht) eine Ansammlung von 10 unterschiedlichen sozialen Situationen, und immer bei dreien davon treten regelmäßig Schwierigkeiten auf. Damit wären definitionsgemäß situationsübergreifende Schwierigkieten vorhanden.
    - ob das den beurteilenden Ärzten genügt, liegt an deren sozialmedizinischer Kompetenz! - Teils liegt es natürlich auch an der Ausführung, die dein behandelnder Arzt/Psychiater/Therapeut zu deinen Einschränkungen im Alltagsleben macht und dem Amt zuschickt.


    Ich bin Mitglied im Mensa-Verein, nehme auch regelmäßig an Veranstaltungen bzw. gemeinsamen Aktivitäten teil, aber fühle mich dabei häufig unwohl und traue mich zu 99% auch nur zu den Veranstaltungen, wenn ich weiß, dass mindestens eine Person anwesend ist die ich auch mag

    DAS würde ich möglichst unerwähnt lassen! Aus mehreren Gründen. Es wird eh' niemand verstehen, unter welchen Bedingungen es dir möglich ist, dorthin zu gehen oder eben nicht. Und wenn jemand "Mensa" hört, kommt oft genug die Assoziation "Hochbegabt, kann also gar nicht behindert sein!" vor.

    Ich habe die so genannte "Arbeitshilfe" hier ins Unterforum eingebracht, da kannst du nachlesen, was für Kriterien als Beurteilungshilfen erfüllt sein sollen bei psychischen Behinderungen (als welche die ASS gelten).

    Macht ist das Spielzeug der Reichen, das sie mit niemandem teilen (Muriel Barbery, "Die Eleganz des Igels")

    2 Mal editiert, zuletzt von Capricorn (14. Januar 2020 um 16:57)

  • "Schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten", GdB hierfür 50-70

    -Aufgrund weitgehenden Verlusts der Lebensfreude auch schwerer Leidensdruck; bei den schwereren Persönlichkeitsstörungen zeigt sich oft weniger offen dieser Leidensdruck, man findet dafür deutlich gestörte Beziehungsgestaltung im unmittelbaren und weiteren Umfeld.
    -Die Alltagsbewältigung sollte hier deutliche bis z.T. schwere Beeinträchtigungen aufweisen, die durchgängig vorhanden sein müssen (also z.B. über Jahre). Auch die privaten/häuslichen, die berufllichen und allgemein sozialen Aktivitäten sind hiervon betroffen.
    -Die Alltagsstrukturierung (was wiederum auf Punkt 2 einwirkt) ist nur mit großem Kraftaufwand oder mit Hilfe von außen möglich. Auch voll- oder teilstationäre Behandlungen sind bei dieser Ausprägung häufig und es ist eine ambulante psychiatrische bzw. psychotherapeutische Behandlung erforderlich. In der Regel ist hier auch die Indikation für Psychopharmakotherapie gegeben, wenngleich unter Umständen auch die Persönlichkeitsstörungen mit geringer Krankheits- und Behandlungseinsicht dazu gehören, die sich trotz Notwendigkeit der Therapie entziehen.
    -Am oberen Pol der Schweregradausprägung kommt schon die Betreuung für zumindest einige Aufgabenbereiche in Frage."

    Ich hab das jetzt einfach mal kopiert, da ich nicht weiß, ob und wie man beitragsübergreifend zitieren kann.

    Also Verlust der Lebensfreude: Ist die gegeben wenn man auf die Frage, was man in seinem Leben für positive Ereignisse erst mal 10 Minuten überlegen muss und das Einzige was einem einfällt die Haustiere und Zoobesuche sind und man noch nie auf die Frage, wie es einem gehe, mit gut antworten konnte?

    Gestörte Beziehungsgestaltung ist bei mir definitiv gegeben, sehen auch mein Therapeut und Psychiater (die meine "Gutachten" schreiben für den Antrag) so. Von mir selber aus kann ich wie gesagt keinerlei Beziehungen aufbauen und aufrechterhalten. Oder?

    Alltagsbewältigung: Wie zeigen sich hier die schweren Beeinträchtigungen, kann mir jemand Beispiele nennen?

    Alltagsstrukturierung: Wenn dazu auch die Studiumsstrukturierung gehört: Definitiv nur unter großem Kraftaufwand, teils brauche ich auch Hilfe in Form von Druck und Unterstützung von außen, z.B. jemand der mir sagt "wende dich da oder da hin".

    Behandlung: Ohne Psychotherapie würde ich durchdrehen, Medikamente habe ich 4 verschiedene probiert, aber keines hat auch nur ansatzweise angeschlagen, mein Psychiater rät von weiteren ab, solange meine Kraft ausreicht den Alltag so zu bewältigen. Stationäre Therapie wurde empfohlen, von mir aber wegen dem Studium abgelehnt.

    Betreuung: Würde meine Mama mir nicht beim Einkaufen und Kochen helfen (wenn auch nur aus der Ferne) und hätte ich in der Mensa keinen Studentenrabatt würde ich mich nur von Tiefkühlpizza ernähren, müsste ich wegen meiner Katzen nicht eine gewisse Grundordnung zuhause haben, würde ich im Dreck versinken, ich frage bei jeder größeren Geldausgabe meine Mama, ob die angemessen ist und ohne Hilfe meiner Kommilitonen und Dozenten bekäme ich keine einzige Prüfung absolviert. Grenzt das nicht fast schon an Betreuung?

  • Ah ok hab die Zitierfunktion gefunden.
    Nachtrag: Darf ich das mit Mensa denn verschweigen? Ich komm mir dann immer so vor als würde ich was Unrechtes tun :(

    Achja zweiter Nachtrag: Mein Therapeut meinte auch einmal, für seine Bewertung käme es nicht nr daruaf an, was ich rein von der Kompetenz her kann, sondern auch unter wie viel Belastung ich meine Kompetenzen nutzen kann. Wenn es rein nach Kompetenz ginge, wäre ich anhand der Arbeitshilfe wohl nur GdB 30-40. Da es für mich allerdings so viel Mühe kostet und meistens mit extremen Stress, körperlichen Symptomen und negativen Gefühlen verbunden ist, meine Alltagsbewältigung auf diesem Level zu halten. Wenn ich hingegen meinen Alltag so bewältigen würde, dass ich mich zumindest halbwegs wohl fühle bzw. nur die Tätigkeiten ausführen würde, mit denen ich kaum bis eine Probleme habe, könnte ich meinen Alltag sehr wahrscheinlich nicht ohne Hilfe bewältigen. Deshalb tendiert auch er eher zu einem GdB von 50, wenn auch sehr knapp.

    Ist die Argumentation verständlich?

    Einmal editiert, zuletzt von Samtpfote (14. Januar 2020 um 17:36) aus folgendem Grund: Nachtrag

  • Ah ok hab die Zitierfunktion gefunden.

    Kleiner Hinweis zum Zitieren: bitte keine Vollzitate machen, sondern nur das zitieren, worauf du antworten willst. Überflüssige Sätze einfach rauslöschen, oder vorher den Text markieren und dann erst zitieren. Im Moderationsbereich gibt es auch irgendwo eine Anleitung für die Zitierfunktionen.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Darf ich das mit Mensa denn verschweigen?

    Wofür oder wogegen würde eine Erwähnung denn nützlich sein?

    Dass du in einem Verein bist, dessen Vorzüge (Austausch mit anderen Gleichgesinnten bzw. hier Gleichintelligenten) du so gut wie nicht nutzen kannst oder eben nur mit erheblicher Anstrengung - das ist doch eher nebensächlich.
    Wenn du aber den Namen des "Vereins" erwähnst, geht bei Vielen die "Gedankenpost" ab, wie ich oben ja schon beschrieben habe: "Was, hochbegabt? Und dann will er/sie noch behindert sein?!?"

    Grundsätzlich ist die Intelligenz keine Behinderung. Aber ich würde sie auch beim Aufzählen nicht in den Vordergrund stellen.

    Macht ist das Spielzeug der Reichen, das sie mit niemandem teilen (Muriel Barbery, "Die Eleganz des Igels")

  • Beim Bearbeiten von Zitaten klickt man am besten vorher oben links auf das Viereck, dann schaltet es in einen anderen Modus, wo man besser was rauslöschen kann.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Ich habe keine Freunde, keinen Partner und keine Kinder aufgrund von AS. Ich bin in meinem Leben dahingehend eingeschränkt, dass ich viele Dinge nicht machen kann, z. B. Freizeitgestaltung, Urlaub. Im Haushalt komme ich nur so mittelmäßig gut klar, d. h. Antrieb, Handlungsplanung und Durchführung ist schlecht. Allerdings arbeite ich und das ist für den Gutachter Grund genug mir keine mittleren Anpassungsschwierigkeiten zu bescheinigen. Ich habe daher zurzeit einen GdB von 40. Als ich arbeitslos war, wurde mir GdB 50 zugesprochen. Also das ist auch sehr abhängig vom Gutachter.

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    Glaub nicht alles, was du denkst.
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  • Ja, bei mir gehts eher andersherum. Das alltägliche Leben mit Einkaufen, Haushalt, Freizeit ist nicht ganz so extrem eingeschränkt, außer das ich sehr einsam bin, weil ich keine sozialen Kontakte aufbauen kann. Allerdings auch nur, weil ich bestimmte Vermeidungs- und Schutzstrategien haben, die mich durch den Alltag bringen. Diese Strategien sind aber wie schon beschrieben extrem körperlich und nervlich belastend.

    Das Hauptproblem ist und wird bei mir der Bereich Studium uns Job sein. Die bisherigen Praktika und das Studium haben gezeigt, das ich vermutlich nicht einen normalen Vollzeitjob durchhalten werde bzw. vermutlich erst gar keinem finden würde, weil ich beim Vorstellungsgespräch total versagen würde.

    Da in meinem angestrebten Berufszweig meinen Erfahrungen nach aber mit dem Ausweis die Chancen auf Einstellung und die Akzeptanz, Toleranz und der Respekt im Arbeitsklima besser sind, habe ich die Hoffnung das ich mit dem Ausweis irgendwann einem Job halbwegs ohne Probleme nachgehen kann...

  • Ich habe keine Freunde, keinen Partner und keine Kinder aufgrund von AS. Ich bin in meinem Leben dahingehend eingeschränkt, dass ich viele Dinge nicht machen kann, z. B. Freizeitgestaltung, Urlaub. Im Haushalt komme ich nur so mittelmäßig gut klar, d. h. Antrieb, Handlungsplanung und Durchführung ist schlecht. Allerdings arbeite ich und das ist für den Gutachter Grund genug mir keine mittleren Anpassungsschwierigkeiten zu bescheinigen. Ich habe daher zurzeit einen GdB von 40. Als ich arbeitslos war, wurde mir GdB 50 zugesprochen. Also das ist auch sehr abhängig vom Gutachter.

    Ich kenne deine Situation nicht genau, aber die geschilderten Probleme erscheinen mir deutlich gravierender, das klingt eher nach 50-70, auch ohne Arbeitslosigkeit.
    Eigentlich ist soziale Isolation schon ein starkes Indiz für mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten (50-70) und ein Hinweis auf mögliche schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten. Darf man fragen, ob du gegen die Entscheidung des VA Widerspruch eingelegt/geklagt hattest?

    An meinem eigenen Fall merke ich ja, dass die Kriterien auf dem Papier anders aussehen als real. Ein Teilzeitjob nach mehrfachem behinderungsbedingten Gekündigtwerden und ein paralleles Studium mit fünf Leistungspunkten pro Semester und stetiger Nichtanwesenheit wurden neben Unfähigkeit, Kontakte zu knüpfen, und Kontaktabbruch zur Familie als ausschlaggebend dafür gewertet, dass keine mittelgradigen Anpassungsschwierigkeiten vorliegen, meine phasenweise Suizidalität als nonexistent bezeichnet. :nerved:

  • Also das ist auch sehr abhängig vom Gutachter.

    Ja, leider.

    Das ist auch der Grund, weshalb ich mit Niklas22's Aussage allein so wenig anfangen kann.

    ....meinen Erfahrungen nach aber mit dem Ausweis die Chancen auf Einstellung und die Akzeptanz, Toleranz und der Respekt im Arbeitsklima besser sind, habe ich die Hoffnung das ich mit dem Ausweis irgendwann einem Job halbwegs ohne Probleme nachgehen kann...

    Das finde ich merkwürdig.
    Allein die amtliche Feststellung deiner Beeinträchtigungen lässt dich auf bessere Arbeitsbedingungen hoffen?
    Da kann ich nur die Daumen drücken, dass es klappt!

    Macht ist das Spielzeug der Reichen, das sie mit niemandem teilen (Muriel Barbery, "Die Eleganz des Igels")

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