Im Buch Evolution, Denken, Kultur - Das soziale Gehirn und die Entstehung des Menschlichen geht es um die Entwicklung des menschlichen Sozialverhaltens im Laufe der Evolution. Sehr interessant dabei finde ich die Thesen dazu, wie soziale Bindungen gefestigt werden. Diese möchte ich hier skizzieren, weil ich finde, dass sie einige aus dem Alltag vertraute Verhaltensweisen in ein anderes Licht rücken. Ich poste es in einem Autismusforum als Diskussionseinladung darüber, ob Autismus einen besonderen Bezug zu diesen sozialen Ritualen schafft.
Kraulen (Grooming): Affen festigen ihre sozialen Partnerschaften, indem sie sich gegenseitig kraulen. Gekrault zu werden setzt Endorphine frei, die eine schmerzlindernde und entspannende Wirkung haben. Sie kraulen nicht jeden beliebigen Artgenossen, sondern haben feste Partner, sozusagen Freunde, mit denen sie Allianzen bilden. Kraulen geschieht paarweise: Es gibt einen Affen, der krault und einen, der gekrault wird. Wegen des Zeitaufwandes ist die Zahl der Kraulpartner pro Tag begrenzt.
Lachen als Ersatz: Moderne Menschen organisieren sich in größere Gruppen, als andere Primaten. Sie pflegen mehr Freundschaften gleichzeitig. Daher hat, so eine These des Buches, das menschliche Lachen die Funktion der Freundschaftspflege übernommen. Menschen lachen auf besondere Weise. Während andere Affenarten beim Lachen aus- und einatmen, atmen Menschen stoßweise nur aus. Das können sie, weil sich durch den aufrechten Gang die Anatomie des Brustkorbes geändert hat.
Gemeinsames Lachen ist effektiver, als Kraulen: Der Psychologe Guillaume Dezecache bemerkte, dass die Gruppengröße von Leuten, die gemeinsam lachen, sich auf drei begrenzt. Das ist immerhin mehr, als das Kraul-Duo. Außerdem lachen alle 3, während beim Kraulen nur einer gekrault wird. Die Zahl der "gekraulten" hat sich also verdreifacht. Und Lachen ermöglicht auch "kraulen" aus Entfernung.
(Artikel: Sharing the joke: The size of natural laughter groups)
Auch erhöht Lachen die Schmerztoleranz, was ein indirekter Nachweis für einen Endorphinausstoß ist.
Musik: Musizieren führt ebenfalls zur Ausschüttung von Endorphinen. Gemeinsames Musizieren ermöglicht noch größere "Kraulgruppen", als Lachen. Wichtig dabei ist körperliche Anstrengung (Musik selbst machen oder tanzen), und Synchronisation. "Außerdem ist damit erklärt, warum wir so gerne im Gleichschritt marschieren, gemeinsam am gleichen Strang ziehen oder die gleiche Melodie singen".
Berührungen: Die Psychologie des Kraulens ist uns geblieben. Berührungen können immer noch zu einen Endorphinschub führen. Die virtuelle Welt bietet heute zwar videochats, über die wir auch gemeinsam lachen oder singen können, aber Berührungen bleiben dabei aus.
Meine Gedanken und Fragen: Gemeinsames Lachen fällt mir sehr schwer. Lachen ist mir oft zu laut und manchmal auch zu hektisch. Nach Lektüre des Buchs frage ich mich, ob ich es trotzdem immer wieder versuchen sollte. Ich habe vor zwei Monaten mit einer Bekannten von mir gelacht. Das fand ich sehr schön (Endorphine) und ungewohnt für mich. Wir hatten zufällig denselben albernen Humor und erfreuten uns daher an spontanen Scherzen, wodurch eine positive Rückkoppelung entstand.
Musizieren kann ich am besten alleine, aber ich spiele manchmal auch mit anderen Leuten. Ich besuche manchmal bei passender Gesellschaft meinen Perfektionismus zu ignorieren. Manchmal tanze ich auch, weil das eine der wenigen Sportarten ist, die mich anspricht. Für mich jedenfalls ist Tanzen Sport. Ob ich dabei albern aussehe oder nicht, interessiert mich nicht. Was ich nicht mag ist bei Geburtstags- oder Weihnachstliedern mitzusingen, aber vielleicht sollte ich...
Wie geht es euch mit diesen Tätigkeiten? Habt ihr einen Zusammenhang zwischen ihnen und sozialen Bindungen festgestellt? Falls ihr unter Einsamkeit leidet, meint ihr, dass die Ideen aus dem Buch euch helfen können?