• Kann man als Autist Perspektivwechsel so lernen?

    Heute war draußen jemand, der um 7.30 Krach machte. Als Morgenmuffel fand ich das doppelt doof, aber der Krach hätte mich auch zu einer anderen Tageszeit belastet. Nun sind ja aber nicht die anderen Menschen das Problem, Krach und Lärm gehört zum Leben dazu. Sondern dass ich das nicht aushalten kann führt zu meiner Belastung.

    An meiner Reizwahrnehmung kann ich nichts ändern, aber es stört mich selbst dass ich solche Reize nicht tolerieren kann und innerlich negativ darauf reagiere.
    Meine gedankliche Hoffnung ist, dass ich durch einen Perspektivwechsel vielleicht Verständnis für die Krach machende Person aufbringen kann. Der Reiz ist dann zwar immer noch da, aber meine Reaktion darauf vielleicht anders. Weil meine Reaktion nur aus meiner Perspektive ist und die ist in so einem Moment alles andere als sachlich oder objektiv.

    Toleranz ist, wenn Toleranz kein Thema sein muss.

  • Kann man als Autist Perspektivwechsel so lernen?

    Mir half mal, dass ich sämtliche mögliche Gründe sammelte für das, was mich störte. Also wenn z.B. jemand in meinem Haus superlaut Musik hören würde, wäre meine erste Empfindung, dass das total rücksichtslos ist und dann würde ich mich ärgern. Wenn ich mir aber vorstelle, dass die Person vielleicht nur so laut Musik hört weil sie heftigen Liebeskummer hat und Musik das einzige ist, was ihr jetzt helfen kann werde ich schon viel milder und die Störung erträglicher.

    Surprised by the joy of life.

  • Mir half mal, dass ich sämtliche mögliche Gründe sammelte für das, was mich störte. Also wenn z.B. jemand in meinem Haus superlaut Musik hören würde, wäre meine erste Empfindung, dass das total rücksichtslos ist und dann würde ich mich ärgern. Wenn ich mir aber vorstelle, dass die Person vielleicht nur so laut Musik hört weil sie heftigen Liebeskummer hat und Musik das einzige ist, was ihr jetzt helfen kann werde ich schon viel milder und die Störung erträglicher.

    coole Idee!

  • Ich denke man kann das schon üben.
    Mich frustrieren Perspektivwechsel besonders dann, wenn eine echte Notwendigkeit dazu besteht um einen Konflikt aufzulösen. Mir fehlt dann schlicht die Feinfühligkeit und Einsicht um zu ergründen, was los ist, ich spüre aber sehr deutlich, dass etwas völlig schlecht ist, und wenn ich dann noch mit Schweigen/Ignorieren "bestraft" werde, treibt mich das geradezu in den Wahnsinn.
    Ich rate aber auch nicht gerne, habe ich noch nie. Ich analysiere, und wenn das nicht möglich ist (weil jeder Anhaltspunkt fehlt und der emotionale Abstand nicht gewahrt bleibt) verzweifle ich.

    Vielleicht ist es trotzdem hilfreich, sich zu konzentrieren und vielleicht sogar aufzuschreiben, was man sich vorstellen kann wieso der Andere so handelt.
    Es fällt nur besonders schwer, wenn ich das Verhalten von mir nicht kenne.

  • Hallo,
    hier und in anderen Threads habe ich von einigen gelesen, dass sie Perspektivwechsel nur schwierig finden, wenn dafür nicht auf eigene Erfahrungen zurückgegriffen werden kann.

    Aber ich frage mich bzw. euch: Wie soll man (egal ob NT oder AS) denn sonst einen Perspektivwechsel vornehmen, wenn nicht auf Basis eigener Erfahrungen oder durch Einblicke in die Gefühlswelt Anderer (z.B. in Medien)?

    Darauf basiert es zumindest bei mir: diverse Traumata, eine Vielzahl psychiatrischer Symptome, Filme und (Hör)Bücher, Interesse an Gesellschaftspolitik und Psychologie.

  • hier und in anderen Threads habe ich von einigen gelesen, dass sie Perspektivwechsel nur schwierig finden, wenn dafür nicht auf eigene Erfahrungen zurückgegriffen werden kann.

    Aber ich frage mich bzw. euch: Wie soll man (egal ob NT oder AS) denn sonst einen Perspektivwechsel vornehmen, wenn nicht auf Basis eigener Erfahrungen oder durch Einblicke in die Gefühlswelt Anderer (z.B. in Medien)?

    Ich glaube, damit ist bloß gemeint, dass der Perspektivwechsel grundsätzlich funktionieren kann. Gibt ja auch Menschen, bei denen das unter keinen Umständen klappt.

    Interesse an Gesellschaftspolitik und Psychologie.

    Ich habe mir gefühlt fast alle Sendungen von Domian angehört.

  • Meiner Beobachtung nach, kommt es bei NT weniger darauf an, in die richtige Perspektive aus der Erinnerung zu wechseln, denn damit scheinen sie teilweise größere Probleme zu haben als ich.

    Wichtiger scheint mir bei ihnen das Spiegeln der Emotion und damit das erzeugen einer scheinbaren Perspektivübernahme für sie zu sein.

    Oft habe ich schon erlebt, dass hinterher über die Person und ihr Problem gelästert wurde, die Perspektive also garnicht gewechselt, oder der andere verstanden wurde, sondern dies und die Betroffenheit bewusst vorgetäuscht wurde.


    Hallo,
    hier und in anderen Threads habe ich von einigen gelesen, dass sie Perspektivwechsel nur schwierig finden, wenn dafür nicht auf eigene Erfahrungen zurückgegriffen werden kann.

    Aber ich frage mich bzw. euch: Wie soll man (egal ob NT oder AS) denn sonst einen Perspektivwechsel vornehmen, wenn nicht auf Basis eigener Erfahrungen oder durch Einblicke in die Gefühlswelt Anderer (z.B. in Medien)

  • Meiner Beobachtung nach, kommt es bei NT weniger darauf an, in die richtige Perspektive aus der Erinnerung zu wechseln, denn damit scheinen sie teilweise größere Probleme zu haben als ich.

    Wichtiger scheint mir bei ihnen das Spiegeln der Emotion und damit das erzeugen einer scheinbaren Perspektivübernahme für sie zu sein.

    Oft habe ich schon erlebt, dass hinterher über die Person und ihr Problem gelästert wurde, die Perspektive also garnicht gewechselt, oder der andere verstanden wurde, sondern dies und die Betroffenheit bewusst vorgetäuscht wurde.

    Interessant! Ich glaube, da ist was dran.

    Ich mache es immer so, dass ich zur Not solange nach einer eigenen Erfahrung suche, die halbwegs passt, um mich in den anderen hineinversetzen zu können. Das wird manchmal glaube ich missverstanden in dem Sinne, dass ich über mich reden will, was schade ist. Ich finde meine Art dann besser als die, nur so zu tun als ob! Denn ich kann mit meiner Methode erreichen, tatsächlich Mitgefühl mit dem anderen zu haben. Mir ist das auch wichtig, die andere Person wirklich zu verstehen, sonst ist es doch sinnlos, überhaupt zuzuhören.

    Dass andere nur vortäuschen ist manchmal richtig offensichtlich.

  • Ich finde meine Art dann besser als die, nur so zu tun als ob! Denn ich kann mit meiner Methode erreichen, tatsächlich Mitgefühl mit dem anderen zu haben. Mir ist das auch wichtig, die andere Person wirklich zu verstehen, sonst ist es doch sinnlos, überhaupt zuzuhören.

    Naja, ... dass "nur so tun als ob" scheiße ist, darin sind wir uns einig.

    Aber, wenn Du "ehrliches Mitgefühl" hast, der andere es aber nicht so empfindet, ist ihm auch nicht wirklich geholfen. Es geht in solchen Situationen m.M.n. mehr um Mitgefühl zeigen als haben, denn es soll ja um den anderen gehen und nicht um Dich.

  • ich frage mich bzw. euch: Wie soll man (egal ob NT oder AS) denn sonst einen Perspektivwechsel vornehmen, wenn nicht auf Basis eigener Erfahrungen oder durch Einblicke in die Gefühlswelt Anderer (z.B. in Medien)?

    Ich bin sicherlich auch kein Großmeister des Perspektivwechsels, aber ich kann mir problemlos vorstellen, wie ich mich fühlen würde, wenn plötzlich ein wilder Löwe vor mir stände, auch ohne dass ich das je erlebt habe.
    Eigene Erfahrungen brauche ich dazu nicht.

    Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll. (Georg Christoph Lichtenberg)
    Veränderungen führen deutlich öfter zu Einsichten, als dass Einsichten zu Veränderungen führen. (Milton H. Erickson)
    Morgen werde ich mich ändern, gestern wollte ich es heute schon. (Christine Busta)

  • Aber, wenn Du "ehrliches Mitgefühl" hast, der andere es aber nicht so empfindet, ist ihm auch nicht wirklich geholfen. Es geht in solchen Situationen m.M.n. mehr um Mitgefühl zeigen als haben, denn es soll ja um den anderen gehen und nicht um Dich.

    Warum soll der andere das nicht empfinden? Der andere will, dass ich sein Gefühl spiegele. Um das tun zu können, muss ich das Gefühl in mir selbst herstellen. Ist es hergestellt, kann der andere sein Gefühl bei mir gespiegelt finden. Dann hat er doch das, was er braucht und ihm "ist geholfen".

    Klar, das funktioniert nicht immer. Wenn ich zuviel nachfragen und abgleichen muss, um das Gefühl nachempfinden zu können, ist der andere irgendwann ungeduldig und selbst, wenn es noch zum Nachempfinden und präsentieren können des gleichen/ähnlichen Gefühls kommt, ist der andere dann schon gar nicht mehr aufnahmebereit dafür.

    Findest du denn, einem anderen ist eher geholfen, wenn man das Mitgefühl nur vortäuscht? Es kann dann passieren, dass der andere sich später darauf beruft und man muss sagen: ehrlich gesagt hab ich das gar nicht nachempfinden können, ich wollte nur nett sein. Das ist doch dann für den anderen auch sehr unschön.

  • Warum soll der andere das nicht empfinden?

    Ich hatte Deinen Beitrag so gelesen, dass es vorkommt, dass der andere denkt, Du wolltest bloß von Dir selbst erzählen. Darauf bezog sich mein Gedankengang.

    Findest du denn, einem anderen ist eher geholfen, wenn man das Mitgefühl nur vortäuscht?

    Solche Abwägungen möchte ich eigentlich nicht machen. Ich wollte bloß aufzeigen, dass aufrichtig Mitgefühl empfinden allein (aber es nicht zeigen können) noch nicht so ganz das ist, was dem anderen hilft. Möglicherweise wäre dem anderen mehr geholfen, in dem Moment zumindest vorgetäuschtes Mitgefühl zu sehen, ja. Aber das ist nicht mein Ansatz.

  • Ich mache es immer so, dass ich zur Not solange nach einer eigenen Erfahrung suche, die halbwegs passt, um mich in den anderen hineinversetzen zu können. Das wird manchmal glaube ich missverstanden in dem Sinne, dass ich über mich reden will, was schade ist.

    So ungefähr mach ich das auch bzw. versuche ich die Situation logisch zu verstehen und wenn das nicht reicht, auf das Grundproblem zu abstrahieren und davon ausgehend dazu passende Beispiele aus meinen eignen Erfahrungen zu finden. Bei Leuten, mit denen ich gut klar komme (also zu denen keine großen Kommunikationsdifferenzen bestehen) scheint das den Reaktionen nach in Ordnung zu sein. Ich habe auch schon oft von Kunden rückgemeldet bekommen, dass sie sich von mir in ihrem Problem sehr gut verstanden gefühlt haben. Aber bei Leuten, mit denen ich nicht gut klar komme, habe ich auch schon solche Rückmeldungen wie Lefty bekommen. Ich glaube das liegt daran, dass das meist Leute sind, die sehr auf einer emotionalen bzw. Beziehungsebene kommunizieren, und wohl in der Situation nur eine bestimmte Emotion an mir merken wollen, was ich aber nicht bieten kann. Möglicherweise ist es denen sogar tatsächlich auch egal, ob diese Emotion nur vorgetäuscht ist.

  • Warum soll der andere das nicht empfinden? Der andere will, dass ich sein Gefühl spiegele. Um das tun zu können, muss ich das Gefühl in mir selbst herstellen. Ist es hergestellt, kann der andere sein Gefühl bei mir gespiegelt finden. Dann hat er doch das, was er braucht und ihm "ist geholfen".

    Danke für die spannende Diskussion. Das bringt mich weiter.
    Ich denke immerzu, dass ich etwas Passendes sagen muss, wenn mir jemand von seinem Erleben erzählt: Tröstende oder mitfreuende Worte. Nach denen suche ich dann "händeringend". Die nächstbeste Floskel nehme ich dann und komme mir als Lügner vor. Als Lügner, weil ich 1. gar nicht mitfühle und 2. mein Kopf unangebrachte rationale Problemlösungen für das Gegenüber ausarbeitet. Ich sage also etwas, was ich weder denke noch fühle.
    Auf die Überlegung im Zitat bin ich nicht gekommen. Aber ich werde es mal ausprobieren.

  • Meiner Erfahrung nach ist es für den anderen das Wichtigste, daß ich ihm aufmerksam zuhöre, und zwar so lange, bis er sich ausreichend "gesehen" fühlt, dh. bis er den Eindruck hat, ich hätte verstanden, um was es ihm/ihr geht. Das erreiche ich durch Nachfragen, indem ich ihm zB. sage, "Wenn ich Dich richtig verstanden habe, dann....", und das in eigenen Worten wiedergebe, was er gesagt hat. Oft sagt der andere dann:"Nein, das trifft es nicht richtig, es ist eher so und so...".. oder irgendwann ist er soweit, daß er sagt:"Ja, genau so meine ich das." und ist damit zufrieden.

    Ich weiß nicht, ob ich das nachvollziehbar wiedergeben kann, was ich meine, jedenfalls muß ich persönlich mich nicht selbst so fühlen wie der andere es tut, es reicht, wenn ich ihm seine Gefühle ausreichend durch Sprache spiegele.

    Wichtig scheint mir immer, nicht gleich Tipps zu geben, wenn ich meine, halbwegs verstanden zu haben, was der andere meint. Oft will der andere gar keine Tipps haben, habe ich festgestellt. Er will sich nur verstanden fühlen. Dann kann er meist selbst eine Lösung finden.

  • Wichtig scheint mir immer, nicht gleich Tipps zu geben, wenn ich meine, halbwegs verstanden zu haben, was der andere meint. Oft will der andere gar keine Tipps haben, habe ich festgestellt. Er will sich nur verstanden fühlen. Dann kann er meist selbst eine Lösung finden.

    irgendwie fällt mir das meistens zu spät ein…ich überlege auch immer gleich welche Lösung es geben könnte. Meist fühle ich mich sogar unter Druck eine Lösung zu suchen…

  • @Kugelfisch:

    Ja, das kenne ich auch, das hat bei mir schon oft zu sehr unzufriedenen Gesichtern geführt, und ich habe nicht verstanden, wo das Problem ist, ich bemühe mich doch gerade zu helfen... aber eben in einer Art, die der andere gar nicht braucht, der fühlt sich dann nur bevormundet oder mißverstanden oder sowas.... :|

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