• Heute hatte ich ein wirklich einschneidendes Erlebnis auf der Arbeit. Vor mir stand eine Kollegin der gleichen Abteilung mit insgesamt knapp 20 MA, die ca. 3 Monate bei uns ist, und die ich 2 bis 3 mal in der Woche kurz im Büro oder auf dem Flur sehe.

    Im Gegensatz zu sonst hatte sie ihre schulterlangen Haare heute nicht offen getragen, sondern zu einem Zopf gebunden, und ich hatte sie nicht erkannt, sondern dachte, dass eine Kollegin ähnlichen Alters einer ganz anderen Abteilung, die ungefähr die gleiche Größe und Statur hat, und meistens einen Zopf trägt, vor mir steht.

    Geht euch das manchmal auch so?

  • Hi,
    das geht mir immer so. Jeden Tag. Ich hab schon Menschen als "Fremde" begrüßt die gar nicht fremd waren. Die müssen nur die Brille auf oder absetzen und die Frisur anders tragen, oder den Klamottenstil wechseln (das alles merke ich mir ....)....und schon erkenne ich sie nicht mehr.
    Gelegentlich ist das sehr unangenehm und bei "nicht so markanten" Personen halt auch viel häufiger.
    Grüsse
    Alys

  • Passiert mir auch oft. Höhepunkt war, dass ich meine Laborpartnerin länger suchen musste, weil sie ihren Zopf in einen Dutz verwandelt und gleichzeitig ihren Pulli ausgezogen hat :lol:

    Vor allem bei großen Menschenmengen versuche ich gar nicht mehr irgendwas mit den Gesichtern anzufangen

    Ich kann gut Mitmenschen umgehen

  • Gibt es Autismus eigentlich auch ohne Gesichtsblindheit?
    Ich kann mir Gesichter nicht innerlich vorstellen, aber ich weiß meistens irgendwie, ob ich ein Gesicht schonmal gesehen habe, oder nicht.

  • Gibt es Autismus eigentlich auch ohne Gesichtsblindheit?

    Ja, genau wie umgekehrt.
    Ich bin nicht gesichtsblind, auch wenn einfach dadurch, dass ich Menschen selten ins Gesicht sehe bzw. mich drauf konzentriere ich dieses weniger wahrnehme oft nicht wiedererkenne, kann ich es dennoch, grade von Fotos etc.
    Mein Partner ist gesichtsblind, der bekommt das auch bei Fotos oder bei Filmen nicht hin und kann gar keine Unterschiede zwischen Gesichtern sehen.
    Ich kenne auch einen gesichtsblinden NT.

  • Bei mir ist die Gesichtsblindheit auch relativ stark ausgeprägt. Ich erkenne Personen durchaus, solange ich sie im gewohnten Umfeld sehe, also z.B. Arbeitskollegen in der Arbeit. Vor allem, wenn ich die Personen schon eine längere Zeit kenne. Schwierig ist es allerdings, sobald Menschen keine charakteristischen Merkmale oder bspw. eine Glatze haben. Erst letztens habe ich einen Arbeitskollegen im Supermarkt getroffen und war mir dann aber nicht sicher, ob er es ist. Erst nachdem er mich angesprochen hat, war es klar.

    In Filmen habe ich regelmäßig Probleme Personen wiederzukennen, da muss ich immer wieder bei meiner Freundin nachfragen. Ich denke das liegt an den Szenenwechseln, wenn die Kleidung oder die Frisur sich ändert etc. Auch im Restaurant weiß ich meistens nicht, wer mich bedient hat.

  • @coar

    Genau so geht es mir auch, kenne ich Leute länger, kann ich sie auch recht zuverlässig erkennen, bei kürzeren oder länger zurückliegenden Kontakten erkenne ich sie überhaupt nicht mehr. Oder trägt jemand vielleicht den Scheitel plötzlich bei nicht regelmäßigen Kontakten auf der anderen Seite, wird es häufig auch schon schwierig.

    Und das von dir genannte Problem mit Filmen habe ich auch, vor allem in sw-Filmen, bei denen die Männer häufig auch immer Anzug und Krawatte tragen.

  • ja und blöderweise gibt es auf Arbeit gleich mehrere "Gesichtszwillinge", also Personen, die wohl für alle anderen total verschieden aussehen aber für mich eben gleich. Sie gehören in andere Schichten, sodass ich sie immer nur kurz oder bei Urlaubsvertretung sehe. Meist bekomme ich nur über die Zeit der Anwesenheit heraus wer es war.

    Ich habe neulich schon zu einem Kollegen gesagt es wäre praktischer, wenn alle eine Nummer auf der Stirn hätten, dann könnte ich auch alle auseinander halten.

  • Bei mir ist die Gesichtsblindheit auch relativ stark ausgeprägt. Ich erkenne Personen durchaus, solange ich sie im gewohnten Umfeld sehe, also z.B. Arbeitskollegen in der Arbeit. Vor allem, wenn ich die Personen schon eine längere Zeit kenne.

    Genau so geht es mir auch, kenne ich Leute länger, kann ich sie auch recht zuverlässig erkennen, bei kürzeren oder länger zurückliegenden Kontakten erkenne ich sie überhaupt nicht mehr.

    Genau so ist es bei mir auch. Manchmal komme ich dadurch in sehr peinliche Situationen.... :m(:

    Immer wenn mir jemand sagt ich wäre nicht gesellschaftsfähig, werfe ich einen Blick auf die Gesellschaft und bin sehr erleichtert...... :d

  • Auf der Arbeit ging es mir früher auch so, dass ich Menschen verwechselte, die ähnlich aussahen bzw viele nicht wiedererkannte.

    Kürzlich merkte ich, dass das Problem doch unschöne Auswirkungen haben kann. Vor dem Haus lungerte hier mehr oder weniger ein Mann rum, den ich nicht zuordnen konnte. Ich hätte ihn als Herumtreibenden/Wohnungslosen eingestuft und war etwas irritiert, weil er die Autos auf dem Hof zu inspizieren schien.

    Rückblickend war es wohl die gleiche Person, die mich an einem anderen Tag vor dem Haus etwas missmutig grüßte (Fremde grüßen sich hier auf offener Straße nicht). Ich dachte dann noch, wieso die Person mich grüßt, wo ich die gar nicht kenne. Es war dazu noch dunkel, so dass es nicht sein könnte, dass das eine Art Flirten gewesen sein könnte. Ich grüßte mit Verzögerung leicht irritiert zurück.

    Nochmal ein paar Tage später sah ich die Person (erkenne sie nun an zotteligen Haaren und einer Mütze) an den Mülltonnen mit Begleitung. Da wurde mir klar, dass das ein Mieter aus dem Haus war. Leider sind mehrere im gleichen Alter (jeweils Pärchen) und ich kann die nicht auseinanderhalten.

    Erleichtert, dass ich die nun als Mieter einsortieren konnte (ich grüße alle Mieter) grüßte ich beide. Die Frau murmelte etwas. Der Mann sah mich sehr abschätzig an und machte nicht mal den Mund auf. Ich glaube, dass ich es mir mit denen verscherzt habe. Ich würde beide außerhalb des Hauses nicht zuordnen können. Das wieder ganz sicher als Unhöflichkeit ausgelegt, aber ich kann es einfach nicht.

    So lange könnte ich eine Person auch vorher gar nicht anstarren, um mir vielleicht Körpermerkmale einzuprägen. Ich glaube, dass mir das vor allem bei Personen passiert, die ich mich nicht traue anzuschauen oder die ich freiwillig nicht anschaue. Wenn ich die Leute dann z. B. nur beim Grüßen unter hohem Stress kurz anschaue, kann ich beim besten Willen dann keine Informationen zum Aussehen etc aufnehmen. Ich frage mich gerade, ob es tatsächlich am Stress/fehlender Bezug liegen könnte.

    Denn Partner, Familie etc.erkenne ich problemlos.

    Einmal editiert, zuletzt von FruchtigBunt (22. Januar 2020 um 12:13)

  • @FruchtigBunt Oh ja, derartige Situationen sind mir leider auch sehr vertraut. Ich habe da irgendwann aber ein Gegenmittel gefunden, vielleicht magst du dir ja überlegen, ob das auch für dich in Frage käme:
    Ich habe mir in Ruhe (drinnen, allein, sicher :d ) überlegt, wie ich beim nächsten Mal, wenn ich gegrüßt werde und nicht weiß, wohin ich die Person einordnen muss, diese dann anspreche. Etwa so: "Hallo! Kennen wir uns irgendwoher? Tut mir leid, ich bin leider total unfähig, Menschen wiederzuerkennen, ist mir sehr unangenehm..." Dazu habe ich vor dem Spiegel ein überaus freundliches Grinsen (das hoffentlich irgendwie "entwaffnend" wirkt) geübt. Dazu habe ich mir noch zwei, drei Dinge überlegt, die ich sagen könnte, wenn es dann ggf. zu einem kleinen Gepräch kommt (wo man wohnt [v.a. wie viel Information ich da bereit bin preiszugeben], wie lange schon - entsprechende Fragen an die andere Person), und mit welcher Formulierung ich das Gespräch dann wieder kontrolliert beenden kann. Und was soll ich sagen: Es erleichtert mir das Leben ungemein. Überraschenderweise reagieren auch die meisten Menschen ziemlich positiv darauf, sehr oft höre ich "Oh, macht nichts, ist mir auch schon passiert." Ich sage dann, dass derjenige damit rechnen sollte, dass es mir immer wieder passiert, und er sich aber sicher sein kann, dass es keine böse Absicht, sondern nur meine Unfähigkeit ist. Meistens lache ich dabei, und der andere lacht mit. Diese Erfahrung hilft mir auch insgesamt, recht offensiv mit meinen Schwächen umzugehen und sie direkt beim Auftreten mit ein wenig Humor anzusprechen. Nach meiner Erfahrung entspannt es quasi jede Situation, bei der es sich nicht um ein wirklich "kritische" Problematik handelt, für alle Beteiligten ungemein, wenn einer der Beteiligten zu seiner menschlichen Fehlbarkeit offen und mit Humor stehen kann. Nur Narzissten kommen damit so gar nicht klar, aber das ist dann auch nicht min Problem.

  • Im Großen und Ganzen erkenne ich Menschen und kann sie auch unterscheiden wenn ich sie kenne. Bloß wenn mir flüchtig bekannte Personen in anderen Kontexten begegnen, weiß ich oft nicht, wo ich die "hinstecken" soll. Namen kann ich mir erst recht nicht merken. Während der Schulzeit sprach mich mal eine Freundin ab, ob ich sauer auf sie gewesen sei, da ich sie nicht gegrüßt hätte, als wir uns irgendwo begegnet wären. Ich habe sie nicht erkannt... Nach der Schule dann hatte ich in einer Videothek gearbeitet (da gab es sowas noch ^^), und gefühlt wurde ich ständig auf der Straße von Menschen gegrüßt, die ich meinem Empfinden nach niemals gesehen habe. Hat sich herausgestellt, dass die meistens Kunden waren, die sich mich natürlich viel besser einprägen konnten.

    Kürzlich war ich für die Arbeit auf einem Workshop in der Regionaldirektion. Meine Kolleginnen (ich war der einzige Mann dort außer unserem Quasi -"Chef") aus den anderen Hessischen Agenturen sind alle schon etwas älter als ich, rangieren so um die 50 bis 60 Jahre. Und - sorry, falls ich damit jemandem zu nahe trete - die sehen für mich alle gleich aus xD Nur eine Frau konnte ich mir merken, da sie aussah wie Professor Pomona Sprout aus Harry Potter ^^

    Nach dem Workshop ging ich dann alleine zur Bahn, und dort stand ein ganzer Haufen Frauen im entsprechenden Alter; ich hatte es mir zwar gedacht, da sonst ein so homogenes Grüppchen weniger häufig zusammengerottet an der Bahn steht, aber ich hätte niemals sagen können, dass das die selben Personen waren, wenn ich nicht "Pomona Sprout" wiedergesehen hätte xD
    So konnte ich dann im Vorbeigehen ein "Tschüss" sagen, und ich hoffe, nicht allzu sehr aufgefallen zu sein ^^


    @FruchtigBunt Oh ja, derartige Situationen sind mir leider auch sehr vertraut. Ich habe da irgendwann aber ein Gegenmittel gefunden, vielleicht magst du dir ja überlegen, ob das auch für dich in Frage käme: (...)

    Ich habe mal irgendwo von einem Trick für solche Situationen gelesen. Es ging darum, wie man die Identität einer Person herausfindet, die einen unzweifelhaft wiedererkennt, die man aber nicht einordnen kann, ohne dass die Person negativ reagiert. Der Tipp war, man soll die Person nach ihrem Namen fragen. Falls ein beleidigtes (?) "Ich heiße XY, aber das weißt du doch?!" zurückkommt, soll man behaupten, dass wisse man natürlich, aber man wolle doch den Nachnamen (!) nochmal erfahren und wie man ihn schreibt, weil man den im Handy nicht abgespeichert habe. ^^
    Keine Ahnung, ob das klappt; ich habe es niemals ausprobiert. Wer traut sich??!! :d

    3 Mal editiert, zuletzt von Cee-Jay (22. Januar 2020 um 15:31) aus folgendem Grund: Rechtschreibkorrekturen (Grammar Nazi)

  • Zitat von Platypus

    Etwa so: "Hallo! Kennen wir uns irgendwoher? Tut mir leid, ich bin leider total unfähig, Menschen wiederzuerkennen, ist mir sehr unangenehm..."

    Danke für den Tipp. Eigentlich ( :oops: :? ) finde ich die Idee ganz gut. Allerdings möchte ich nicht unbedingt mehr Zeit mit meinen Nachbarn verbringen als nötig und ich mag auch durch so ein Gespräch nicht den Eindruck erwecken, als sei ich daran interessiert, diese näher kennenzulernen. Wenn es bei diesem einmaligen Gespräch bleiben würde, könnte ich mir noch vorstellen, das zu üben (aber auch nur sehr schwer).

    Für den beruflichen Kontext oder z. B. Leute, die man in Freizeitgruppen gesehen haben könnte, finde ich die Idee super. Nur weiß man ja nicht, aus welchem Kontext die Person gerade stammt, wenn man sie nicht erkennt. x( Meistens laufe ich dann ja auch an den Leuten vorbei. Ich weiß gar nicht, wie man dann ein Gespräch mit "Kennen wir uns irgendwoher?" am besten beginnen kann. Das ginge am Besten, wenn man z. B. gleichzeitig in ein Geschäft kommt oder an einer Schlange warten muss, aber so im Vorbeigehen finde ich es schwierig.

    Ich glaube aber, dass der Hauptgrund ist, dass ich nicht sprechen mag, wenn ich nicht mal weiß, wer das ist. :| Mal angenommen, das ist dann jemand von einem Kurs, mit dem ich nicht zurechtkam oder von der Arbeit jemand (ich arbeite dort nicht mehr), dann wüsste ich nicht, wie ich dann reagieren sollte. Gut, dafür könnte ich mir auch so etwas Unverfängliches vorher zurecht legen, aber das klingt so wahnsinnig anstrengend. Das ist es mir irgendwie nicht wert, glaube ich.

    Mir wäre es am liebsten, wenn die Leute einfach so aussehen könnten, dass man sie auch wiedererkennt. :-p Manche Mieter im Haus erkenne ich z. B. gut (keine andere Person in dem Alter mit dieser Frisur und dem Auftreten). Auch wenn die nicht alle außergewöhnlich aussehen, so kann ich die wiedererkennen. Aber vor allem die jüngeren Mieter erkenne ich einfach nicht, weil die für mich von der Kleidung her und der Körpergröße und den Haaren alle gleich aussehen. Vor denen habe ich auch die meiste Angst. Wahrscheinlich gucke ich deswegen auch immer nur ganz kurz hin und kann mir deshalb das Gesicht nicht merken. Gut, eine junge Mieterin kann ich gut wiedererkennen.

    Ich frage mich gerade, ob das doch etwas anderes sein könnte: z. B. sehen für einen Europäer ja alle Asiaten gleich aus. Vielleicht spielt das auch mit rein? Nicht dass das Asiaten wären, die ich nicht erkenne, aber vielleicht tritt da dieses "Fremdheits-Ding" auch zu (Europäer können Asiaten glaube ich deshalb nciht gut unterscheiden, weil die Gesichtszüge für einen Europäier ziemlich fremd sind und deshalb alle gleich aussehen. Ich weiß es aber nicht mehr ganz genau, wie das begründet wurde).

    3 Mal editiert, zuletzt von FruchtigBunt (22. Januar 2020 um 16:23)

  • Ich freue mich schon auf die Google-Brille mit Gesichtserkennung. Datenschutzmässig total gruselig und ablehnenswert, ohne Zweifel. Trotzdem wäre ich gespannt, wer mir da bei einem üblichen Supermarktbesuch alles über den Weg läuft.

  • @FruchtigBunt Ich wende das nur an, wenn ich selbst zuerst gegrüßt werde und den anderen nicht einordnen kann. Selbst aktiv zu werden, weil mir jemand bekannt escheint: auf gar keinen Fall :oops: :oops: :oops: Da nehme ich lieber in Kauf, als muffelig abgestempelt zu werden. Bei Leuten, die man in anderen Kontexten regelmäßig trifft (Arbeitskollegen, Hausbewohner) bin ich auch öfter später noch mal drauf angesprochen worden ("Hast du mich da gar nicht gesehen??") - da kommt dann mein Spruch zum Einsatz.
    Ansonsten ist es natürlich auch stark tagesformabhängig, ob ich so eine Minikonversation "riskiere", und natürlich, ob ich die Person grundsätzlich in die Kategorie "eher sympathisch oder neutral" oder in "no way" einsortiere. Der Punkt ist aber, dass es mich total befriedigt, wenn ich es "geschafft" habe, mit jemandem aus der ersten Kategorie ein kurzes freundliches Gespräch zu führen. Man bekommt einfach mehr Sicherheit in sowas. Ich kann inzwischen an guten Tagen auch ein kleines Gespräch mit z.B. einer Bäckereiverkäuferin oder Kassiererin (wenn niemand nach mir in der Schlange steht) initiieren und, essentiell: auch wieder schnell beenden. Was ich absolut noch nicht schaffe, ist ein etwas längeres Gespräch, wenn ich zB einem anderen Hundehalter beim Spaziergang nicht ausweichen kann. Ganz ganz schlecht x( Aber ich laufe dafür immer mit einer Handvoll "Ausreden" herum, um solche Situationen einigermaßen zuverlässig schnell beenden zu können. Nur sonderlich geschmeidig sind die leider alle nicht :m(: , aber okay, dann wirke ich da halt "komisch". Ich bin ja auch amtlich bestätigt "komisch" :-p

  • Oh ja, das kommt mir auch alles sehr bekannt vor.
    Ich orientiere mich beim Erkennen an bestimmten Merkmalen, wie Frisuren, Kleidungsstücke, einer bestimmten Art sich zu bewegen, usw.. Ändert sich da was, wird es schwierig.
    Namen merken und zuordnen? Dauert ewig.
    Auch das Problem mit dem anderen Kontext habe ich. Begegnen mir Menschen an anderen Orten als normalerweise und haben dann auch noch etwas anderes an, stehen sie Chancen, dass ich sie erkenne sehr schlecht. Man sagt mir oft, man habe mich irgendwo gesehen, aber ich hätte nicht gegrüßt.
    Ich habe zwei Arbeitskolleginnen, die sich für mich sehr ähneln. Gleiche Statur, gleiche Frisur, ähnliche Kleidung. Für mich sind sie praktisch identisch, aber niemand sonst scheint das so zu empfinden.

    Ich kann mir Gesichter auch kaum vorstellen. Versuche ich mir nur das Gesicht von jemandem in Erinnerung zu rufen, ohne das Drumherum, gelingt es mir einfach nicht. Auch nicht bei vertrauten Personen. Mein eigenes Gesicht kann ich mir auch nicht vorstellen.

    Was mich bei anderen spät diagnostizierten interessieren würde: Ward ihr euch dieses Problems vor der Diagnose schon bewusst? Ich absolut nicht. Tatsächlich ist es mir erst einige Zeit später wirklich bewusst geworden. Allerdings hat es im Nachhinein natürlich einiges erklärt.


  • Was mich bei anderen spät diagnostizierten interessieren würde: Ward ihr euch dieses Problems vor der Diagnose schon bewusst?

    Ja, sehr stark, ich habe schon in der Grundschule gemerkt, dass ich die anderen Kinder quasi nicht auseinander halten konnte. 25 Kinder, bei den Jungs gab es für mich hellblonde und dunkelhaarige, große oder kleine, bei den Mädchen im Prinzip ebenfalls, wir hatten quasi anfangs alle noch lange Haare und trugen Zöpfe. Ich bin aber etwa 15 Jahre vor dem Autismusverdacht über einen Artikel zur Prosopagnosie gestolpert und wusste dadurch, dass es das gibt. Damals habe ich dann auch die oben beschriebene "Flucht nach vorn" gewagt.

  • Zitat von Platypus

    Ich wende das nur an, wenn ich selbst zuerst gegrüßt werde und den anderen nicht einordnen kann. Selbst aktiv zu werden, weil mir jemand bekannt escheint: auf gar keinen Fall

    Ach so. Das hatte ich nicht richtig verstanden.
    Neulich (na ja, am Rande des Weihnachtsmarktes, ist also schon etwas her) wurde ich tatsächlich auch von einer anderen Person gegrüßt, die mich beim Vorbeigehen (ich lief sehr schnell) am Arm antatschte und dann "Hallo FruchtigBunt" rief. :yawn: Ich konnte die Person beim besten Willen nicht zuordnen. Da ich hier aber nicht so viele Menschen kennen, habe ich von der Haarfarbe und dem Gesicht zwei Ideen, wer es gewesen sein könnte. Jedoch fand ich das Antatschen am Arm total daneben. Entweder ist die Persons so gealtert oder es ist wirklich noch irgendwer anders, den ich gar nicht zuordnen kann. Da wäre es mir dann richtig peinlich sowas zu fragen wie "Woher kennen wir uns eigentlich nochmal?" :m(: Ich war froh, dass dann dort so viel Gewusel war und die Person schon halb an mir vorbei war, als sie mich antatschte. Ich bin dann einfach ganz schnell weitergegangen und hab micih dann aber kurz umgedreht, um zu sehen, wer das gewesen sein könnte.


    Zitat von Platypus

    Der Punkt ist aber, dass es mich total befriedigt, wenn ich es "geschafft" habe, mit jemandem aus der ersten Kategorie ein kurzes freundliches Gespräch zu führen.

    Das ist bei mir fast nie so. Ich spüre höchstens so etwas wie Stolz, wenn mir so etwas gelingt, aber glücklich oder zufrieden machen mich solche Gespräche meist nicht. Früher war das mal so, aber da war es auch nicht so ein stark positives Gefühl, wie es bei dir zu sein scheint. Es bezog sich jedenfalls fast nie auf das Gegenüber, sondern eher darauf, dass ich es hinbekommen hatte, mich mal 'normal' zu verhalten und nach einem Gespräch nicht fix und fertig war. Ich merke aber, dass mein Gesprächsverhalten sich seit meinem Umzug extrem geändert hat und ich weiß gerade gar nicht, inwiefern das bei mir mit reinspielt. Ich merke einfach, dass ich mit den Leuten hier nichts zu tun haben möchte. Das war früher nicht so viel anders, aber da war ich offen für unverbindlichen Augenkontakt und kleine Gespräche. Langfristig wollte ich da auch nichts mit Nachbarn etc. zu tun haben, aber ich genoss trotzdem so kurze Kontakte. Hier verabscheue ich fast jede Form von menschlichem Kontakt.


    Zitat von Platypus

    Ich kann inzwischen an guten Tagen auch ein kleines Gespräch mit z.B. einer Bäckereiverkäuferin oder Kassiererin (wenn niemand nach mir in der Schlange steht) initiieren und, essentiell: auch wieder schnell beenden.

    Das kann ich in anderen Städten und Regionen interessanterweise auch und konnte es früher auch, wenn ich gut drauf war. Nur: Schnell beenden gelingt mir gar nicht. Meist bekomme ich dann Angst, dass ich aus der Situation nicht mehr rauskomme, was auch schon häufiger vorkam, wenn mich eine Person dann zutextete. Wie beendest du Situationen wieder?
    Ich habe schon Tipps gehört, dass man dann einfach sagen soll "so, ich muss jetzt mal weiter. Ich muss noch XY erledigen", aber wenn das nicht stimmt, fällt es mir schwer, sowas zu behaupten. Außerdem sagt das ja aus, dass einem z. B. der Einkauf beim Metzger wichtiger ist als das Gespräch und das finde ich auch irgendwie komisch bzw. unfair.
    Ich habe früher schon sowas gesagt wie: "ich möchte jetzt wieder alleine sein" oder auch "mir wird das Gespräch jetzt zu viel", aber mittlerweile weiß ich, dass man sowas nicht sagen sollte. :| Insbesondere das zweite kam einmal überhaupt nicht gut an. Die Person war total angepisst deswegen. Was man stattdessen sagen kann (außer diese komischen Lügen) weiß ich nicht.

  • Zitat von Natti

    Namen merken und zuordnen? Dauert ewig.

    Das ist bei mir ähnlich. Ich habe bei mir den Verdacht, dass ich das besser könnte, wenn ich wollte, aber dass ich einfach nicht will, weil mir die Menschen nicht wichtig sind. Auf meiner Arbeit war das ganz extrem so und nach einem Jahr war es dann schon peinlich, wenn ich die Namen der Kollegen nicht wusste.


    Zitat von Natti

    Ward ihr euch dieses Problems vor der Diagnose schon bewusst? Ich absolut nicht.

    Ich wusste das vor der Diagnose schon, hatte es aber nicht so ernst genommen. Einer Arbeitskollegin bei der alten Arbeitsstelle hatte ich das mal erzählt, dass ich zwei Personen überhaupt nicht auseinanderhalten kann und das bei anderen, die sich ähnlich sehen, auch immer wieder passiert. Sie machte mich damals darauf aufmerksam, dass das einen bestimmten Namen hätte. Weiter bin ich dem damals aber nicht nachgegangen, wenn ich mich rückblickend richtig dran erinnere. Ich glaube, damals kam ich überhaupt nicht auf die Idee, dass mit meiner Wahrnehmung irgendetwas nicht stimmen konnte. Ich fand es zwar seltsam bzw. nervend, dass ich Leute nicht wiedererkannte, aber andererseits auch wieder nicht so schlimm, weil ich mir aus den Leuten eh nichts machte und die engen Arbeitskollegen erkannte ich.

    Mir war aber damals z. B. überhaupt nicht bewusst, warum ich keine Komödien mag (ich dachte immer nur, dass ich solche Schnulzen nicht mag). Dass dies auch daran lag, dass ich die Personen permanent verwechselte und der Geschichte auch deswegen überhaupt nicht folgen konnte, fiel mir nicht auf. Bzw. da dachte ich wirklich, dass das allen so schwer falle. Vor sehr, sehr langer Zeit sagte ich mal meinem damaligen Freund, dass ich in einem Jugendfilm zwei Darsteller mit kurzen schwarzen Haaren nicht auseinanderhalten kann. Ich kapierte wirklich den Film überhaupt nicht, wollte das aber nicht zeigen. Irgendwann fragte ich dann wohl doch mal irgendwas zur Handlung und er war total entgeistert, dass ich die Personen verwechselt hatte. Er meinte dann auch, dass die beiden doch TOTAL anders aussähen.
    Das habe ich damals aber auch einfach irgendwie abgehakt und nicht weiter drüber nachgedacht, warum ich das nicht auseinanderhalten kann. Ich habe auch gar nicht richtig erkannt, welche Relevanz dieses Problem für mich schon damals hatte.

    2 Mal editiert, zuletzt von FruchtigBunt (23. Januar 2020 um 17:17)

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