Autismus auf dem ersten Arbeitsmarkt

  • Aber es ist ja auch so: jemand, der studiert, wird in aller Regel später auch mal eine höherwertige Tätigkeit mit Verantwortung übernehmen. Da will ein Arbeitgeber, der so eine Kraft sucht, vielleicht keinen, der von der Behinderten-Uni kommt. Besser ist es, wenn man einen normalen Uni-Abschluss nachweisen kann, und wenn man dafür eine Assistenzkraft in Anspruch genommen hat, muss das bei einer Bewerbung niemand erfahren.

    Wenn man hier bestimmten Postern glaubt, ist das aber ja gerade auch der Fall beim Berufsbildungwerk. Deiner Logik nach müsste man das ja dann auch abschaffen. Also ich versuche das ganze nur zu verstehen, für mich ist es nämlich nicht wirklich logisch oder konsequent.

  • Deshalb halte ich von Behinderten-Unis auch nichts. Der Chancenabstand zu regulären Absolventen wäre meiner Vermutung nach noch größer als bei BBW-Absolventen und regulären Azubis.

    Ich selbst habe ja nicht "als Behinderte" studiert. Ich hatte aber durchaus häufiger den Gedanken, dass ich eigentlich Hilfe brauchen würde und es für mich keine passende Hilfe gibt. Auch für mich selbst konnte ich gar nicht so richtig festmachen, wo konkret die Probleme lagen, was genau mir eigentlich so schwer fiel. Das hat mich sehr verunsichert.

    In meinen Fächern gab es damals auch einzelne Studenten mit körperlicher oder Sinnesbehinderung. Unter anderem einen blinden und einen gehörlosen Studenten. Ersterer zog das Studium regulär durch, letzterer hatte wohl öfter Konflikte mit Dozenten und meinte, dass er von der Uni stark benachteiligt und diskriminiert würde. Es gab auch mehrere Studenten im Rollstuhl, darunter einen mit einer progressiven Erkrankung, der kurz nach Abschluss seines Studiums verstarb. Bei ihm war klar, dass er das Studium nie beruflich nutzen können würde, aber er war mit seiner Assistenz selbst bei längeren Exkursionen dabei. Das war aus heutiger Sicht Inklusion. Interessanterweise fällt mir übrigens keine Studentin mit offensichtlicher Behinderung ein, obwohl Frauen insgesamt in meinen Fächern eher in der Mehrheit waren. Auf dem Campus sah ich aber auch behinderte Studentinnen.

    Dass es nach wie vor Diskriminierungen behinderter Studierender gibt, weiß ich vor allem von Veranstaltungen zum Thema Studium und Inklusion sowie aus der Selbsthilfe. Bei unsichtbaren Behinderungen kommt es gar nicht so selten vor, dass Dozenten Nachteilsausgleiche verweigern. Bei Autismus kommt das sogar "offiziell", dass also einer Studentin gesagt wird, ihre Schwierigkeiten seien nicht ausgleichbar, da es sich um eine dauerhafte kognitive Einschränkung handele. Da ist noch viel zu tun.

    From my youth upwards my spirit walk'd not with the souls of men. (...)
    My joys, my griefs, my passions, and my powers, made me a stranger.

    Einmal editiert, zuletzt von Leonora (21. November 2019 um 17:46)

  • Davon abgesehen stimme ich aber zu, dass es besser geworden ist.

    From my youth upwards my spirit walk'd not with the souls of men. (...)
    My joys, my griefs, my passions, and my powers, made me a stranger.

  • Deiner Logik nach müsste man das ja dann auch abschaffen. Also ich versuche das ganze nur zu verstehen, für mich ist es nämlich nicht wirklich logisch oder konsequent.

    Die BBWs haben meiner Meinung nach schon einen Sinn, nämlich den, jungen Leuten eine Ausbildung zu ermöglichen, die es auf dem normalen Arbeitsmarkt nicht schaffen. Ein BBW ist dafür aber nur eine von mehreren Möglichkeiten. Es gibt auch z.B. unterstützte Beschäftigung, die direkt an einem Arbeitsplatz stattfindet, und verschiedene andere Modelle. Außerdem sollte niemand in ein BBW müssen, der es auch anders schaffen kann.

    Der Unterschied zur beschützten Uni ist für mich der, dass eben die Leute, die in ein BBW gehen, eher einfache Berufe anstreben, während der Uni-Absolvent etwas Anspruchsvolles machen will. Bei einer anspruchsvollen Tätigkeit sind auch die Ansprüche der Arbeitgeber nachher höher. Da wird es immer seltsam wirken, wenn man das Studium nur an einer Spezialeinrichtung geschafft hat. Es gehört zu einem Akademiker-Beruf halt dazu, dass erwartet wird, dass so jemand intelligent ist und als intelligenter Mensch auch ein Studium schafft. Woran das im Einzelfall gerade bei AS scheitern könnte, das interessiert einen Arbeitgeber, der einen Akademiker einstellen will, wahrscheinlich eher weniger.

    Ich selbst habe ja nicht "als Behinderte" studiert. Ich hatte aber durchaus häufiger den Gedanken, dass ich eigentlich Hilfe brauchen würde und es für mich keine passende Hilfe gibt. Auch für mich selbst konnte ich gar nicht so richtig festmachen, wo konkret die Probleme lagen, was genau mir eigentlich so schwer fiel.

    Ich könnte mir vorstellen, dass die Information über Hilfemöglichkeiten noch zu wenig weitergegeben wird von den Unis. Am besten wäre es, wenn jeder, der ein Studium beginnt, von Anfang an über Beratungs- und Hilfemöglichkeiten informiert werden würde. Sodass niemand erst überlegen muss, wohin er sich wenden muss oder was ihm helfen könnte. Ohne Diagnose ist das natürlich viel schwieriger, aber mit Diagnose würde das schon helfen, denke ich.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Nur Autisten haben insofern eine Sonderrolle, als dass früher diejenigen, die so intelligent waren, studieren zu können, meist nicht diagnostiziert waren. Inzwischen gibt es mehr diagnostizierte Autisten, die geistig in der Lage sind zu studieren, daher stellt sich erst jetzt die Frage, wie man diese Personengruppe an einer Uni unterstützen kann. Früher haben sie es eben geschafft, oder nicht, je nachdem. Die Behinderung war ja nicht bekannt.

    Ich stehe quasi für beides, mein erstes Studium habe ich erfolgreich abgeschlossen, vorallem weil ich bei diesem Studium - wenn auch als wenig geschätzter Außenseiter - immer fester Teil einer Gruppe war.
    Mein zweites Studium ging in dem Moment den Bach runter, wo die bis dato gut funktionierenden Strukturen an der Uni 1990 zerstört wurden und jeder allein zusehen mußte, wie er klarkommt. Erst 25 Jahre später stieß ich durch Zufall auf Asperger und begann zu verstehen, warum mein Leben bis dato so verlaufen ist, wie es verlaufen ist.

    Heute denke ich, jeder "Autist ohne Entwicklungsstörung" kann problemlos Studieren, wenn er die nötige Unterstützung erhält, wozu auch die Bereitschaft der Dozenten gehört, mit betroffenen Studenten angemessen umzugehen. Zu meiner Studienzeit lag hier vorallem das Problem, da das fehlende Wissen um meine Behinderung auf beiden Seiten oft zu Fehleinschätzungen führte mit den entsprechenden Folgen (Unverständnis, Ausgrenzung, Ablehnung, etc.)


    Also wer studieren kann, ist definitiv geistig nicht eingeschränkt, und wer geistig eingeschränkt ist, ist schlicht nicht in der Lage zu studieren. Es wird doch niemand ferngehalten.

    Vielleicht fällt mir das gerade deshalb nur so auf, weil ich mit dem Thema heute nachmittag beim SPD konfrontiert war.
    Es gibt eine Unterscheidung zwischen gestiger und seelischer Behinderung, mit dem Problem, das das bei Aspergerautisten nicht immer ganz eindeutig zuzuordnen ist, weil es auch viele Mischformen mit unterschiedlichster Abstufung gibt. Insofern kann man das in dieser Eindeutigkeit so nicht sagen. Bei eindeutigen geistigen Behinderungen hat Shrenya sicher recht, bei Mischformen kommt es auf den Einzelfall an.
    Für die Ablehnung von Studienbewerbern gibt es viele mögliche Gründe, da wäre jede Uni schlecht beraten, wenn sie Absagen mit der Behinderung eines Bewerbers begründet.

  • Bei Asperger ist aber eine Voraussetzung für die Diagnose, dass die Intelligenz nicht eingeschränkt sein darf. Es muss mindestens ein IQ über 70 vorliegen, also keine geistige Behinderung. Eine geistige Behinderung fängt bei unter IQ 70 an.
    Studieren wird vermutlich ab IQ 100 oder 110 möglich sein?
    Das heißt, wenn ein Asperger-Autist einen IQ von 75 hat, dann kann er wahrscheinlich nicht studieren, aber es liegt dann einfach am IQ, nicht am Asperger.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Die BBWs haben meiner Meinung nach schon einen Sinn, nämlich den, jungen Leuten eine Ausbildung zu ermöglichen, die es auf dem normalen Arbeitsmarkt nicht schaffen. Ein BBW ist dafür aber nur eine von mehreren Möglichkeiten. Es gibt auch z.B. unterstützte Beschäftigung, die direkt an einem Arbeitsplatz stattfindet, und verschiedene andere Modelle. Außerdem sollte niemand in ein BBW müssen, der es auch anders schaffen kann.

    Man sollte sich zunächst fragen, warum schaffen sie es nicht auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ? Bei normalen kognitiven Fähigkeiten liegt es bei Autisten definitiv an der Arbeitsumgebung, die vielleicht für sie nicht geeignet ist. Hier könnte man auch durch andere Möglichkeiten wie Assistenz oder die richtige Umgebung Abhilfe schaffen.
    Wenn die kognitiven Fähigkeiten eingeschränkt sind, schaffen die meisten auch in den BBWs keinen regulären Ausbildungsabschluss, sondern machen eine einfachere Form der Ausbildung wie Beikoch oder Hilfskräfte in anderen Bereichen. Dies sind Ausbildungen speziell für Behinderte, die zwar nach Außen einen Abschluss suggerieren, aber eigentlich bleiben die meisten damit direkt in der Werkstatt.
    Aber so bleiben sie quasi von der Gesellschaft ausgeschlossen.
    Ich finde schade, dass sich so viele mit diesem Zustand abfinden, weil es vielleicht nicht anders geht.
    In Großbritannien ist man schon vor vielen Jahren einen anderen Weg gegangen, der vermutlich in Deutschland nicht realisierbar wäre
    https://www.dgvt-bv.de/news-details/?…263f0c5c059eef3

    Spezielle "Sonderuniversitäten" halte ich auch für nicht praktikabel, da sie irgendwann denselben Status wie BBWs hätten, nur auf einer etwas höheren kognitiven Ebene.

  • Bei Asperger ist aber eine Voraussetzung für die Diagnose, dass die Intelligenz nicht eingeschränkt sein darf. Es muss mindestens ein IQ über 70 vorliegen, also keine geistige Behinderung. Eine geistige Behinderung fängt bei unter IQ 70 an.
    Studieren wird vermutlich ab IQ 100 oder 110 möglich sein?
    Das heißt, wenn ein Asperger-Autist einen IQ von 75 hat, dann kann er wahrscheinlich nicht studieren, aber es liegt dann einfach am IQ, nicht am Asperger.

    Also bezogen auf mein Diagnostikverfahren kann ich das nur als Unsinn ansehen. Aber sorry, ich sehe gerade, Dein Verfahren war schon vor vielen Jahren, vielleicht war es damals so. Bei mir war 2017 der IQ bzw. seine Bestimmung/Messung kein Bestandteil des Verfahrens. Und es würde mich schon sehr wundern, wenn man bei einer Studienbewerbung seinen IQ nachweisen müßte.

  • Und es würde mich schon sehr wundern, wenn man bei einer Studienbewerbung seinen IQ nachweisen müßte.

    Da hast du recht, man muss nur das Abitur nachweisen, manchmal einen NC erreichen oder noch Eignungsprüfung bei Sport, Kunst.. usw. Aber ich glaube Shenya hat es anders gemeint.
    Ich bin mir ziemlich sicher, dass es auch viele Abiturienten mit einem IQ unter 100 gibt.

  • Je nach Studiengang und Uni muss man für's Studieren nicht besonders intelligent sein. Auswendig lernen und reproduzieren reicht oft auf. Teils ist Selbständigkeit und Intelligenz sogar nicht förderlich, weil man Schema F hinterfragt und das oft auch wieder nicht gewünscht ist.

  • Gestern hatte ich in meiner Ausbildung mal Gelegenheit, zu zeigen, was ich kann.
    Neben all der positiven Kommentare fiel ein Satz, der zusammenfasste, was mein Grundproblem ist.
    " Wenn man dich sonst so erlebt, kann man sich nicht vorstellen, dass du DAS sooo kannst".

    Ich "kann" das, aber eben nur, WENN ich das MACHE. Außerhalb des Kontextes "Aufgabe real erfüllen" wirke ich so, als könne ich genau das nicht.

    In anderen Kontexten ist so viel anderes gefordert, so dass "davon" nichts sichtbar ist. Woraus geschlossen wird.....

    Eine Bewerbung schreiben, ein Vorstellungsgespräch bei Leuten, die nicht erlebt haben, WIE ich IN der Arbeit bin, erzeugt Zweifel bis Absprechen der dort von mir dazu "behaupteten" Fähigkeiten.

    Ich bin jetzt dankbar, diese NT-Perspektive in dieser NT Formulierung geschenkt bekommen zu haben.
    Denn genau diese werde ich jetzt verwenden, um "auf NT" das Problem zu vermitteln und sagen zu können "Schau es dir doch einfach einmal an und entscheide dann."

    Aber es ist schon Scheiße, dass genau in dem Momemt, in dem ich in anderem Kontext sicher sagen kann "Das kann ich", genau dieses SAGEN den Eindruck erweckt, es nicht zu können.
    Und dann, klar, als "Angeberei" rüberkommt. Und angezweifelt bis abgestritten wird.

    Weil ich die drei dort nötigen Dinge, "Darstellen", "Werbung für mich machen", "mich gut verkaufen"/RW, definitiv nicht kann. Hier fehlt mir der "Sinn" dafür. Den Sinn davon sehe ich ja. Allein hier liegt eben eine meiner mich in diesen Kontexten behindernden AS-Eigenschaften.

    Weil ich außerhalb des Kontextes "Arbeit ausführen" die Vorstellung des "wie das wäre, wenn sie das machten würde" nicht wecken kann bzw gegenteilige wecke. Und deshalb erst gar keine Gelegenheit bekomme, das zu zeigen.

    Immmerhin, ein Schritt weiter. :)

  • Also bezogen auf mein Diagnostikverfahren kann ich das nur als Unsinn ansehen. Aber sorry, ich sehe gerade, Dein Verfahren war schon vor vielen Jahren, vielleicht war es damals so. Bei mir war 2017 der IQ bzw. seine Bestimmung/Messung kein Bestandteil des Verfahrens. Und es würde mich schon sehr wundern, wenn man bei einer Studienbewerbung seinen IQ nachweisen müßte.

    Vielleicht schaust du dir mal die Diagnosekriterien für das Asperger-Syndrom an, und du hattest dich ja speziell auf Asperger-Autismus bezogen. Das einzige, was man dagegen einwenden kann, ist dass es das Asperger-Syndrom ab 2022 als eigenständige Diagnose nicht mehr geben wird.
    Bei Kindern, das kann ich dir versichern, wird IMMER ein IQ-Test in der Diagnostik gemacht. Bei Erwachsenen, die bestimmte Berufe erreicht haben, geht man automatisch davon aus, dass keine geistige Behinderung vorliegt. Da kann man einen IQ-Test machen, aber viele Diagnostikstellen verzichten auch darauf.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Ich bin mir ziemlich sicher, dass es auch viele Abiturienten mit einem IQ unter 100 gibt.

    Heutzutage ganz sicher.

    Vielleicht, weil gut betuchte Eltern ihre Kinder mit viel Nachhilfeunterricht zum Abitur puschen. Die gehen dann vielleicht auch noch zum Studieren, und dann wundert man sich, wieso man z.B. einem Juristen gegenüber sitzt, der nichts als heiße Luft und Sprechblasen produziert (mir neulich passiert). Aber eigentlich sollte es nicht möglich sein, denn ein IQ unter 100 liegt unter dem Durchschnitt der Gesamtbevölkerung (zu der ja auch die ganzen Kevins und Jaquelines (die man sich so vorstellt) gehören, die etwa bei IQ 80-90 liegen dürften, und eben die geistig Behinderten mit IQ unter 70).
    Ihr dürft da keine Wertung meinerseits reininterpretieren, das sind einfach die Zahlen, wie sie sind.
    Ich war ja übrigens nicht an einer Uni, nur nebenbei.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Wenn ein Erwachsener mir Aspergerverdacht in die Sitzung kommt, der offensichtlich studiert hat, dann kann man sich den IQ Test tatsächlich sparen. Erst recht, wenn dieser dann haarklein analysiert sein Leben darlegt und trotzdem an Banalitäten scheitert. :)

  • Auch bei vielen Kindern kann man eine Intelligenzminderung oft ohne IQ-Test nach kurzem Kontakt ausschließen. Verwechslungen finden wohl eher in die andere Richtung statt. Also, dass bei manchen eine Intelligenzminderung angenommen wird, obwohl die Schwierigkeiten ganz anders gelagert sind. Da kann ein IQ-Test bei manchen helfen, aber die Instrumente sind auch nicht für jeden geeignet.

    Nützlich finde ich IQ-Tests unter anderem, um heterogene Begabungsprofile detailliert zu betrachten. Die scheint es mir bei Menschen mit neurologischen "Andersartigkeiten" besonders oft zu geben. Da sagt der absolute IQ oft nicht viel aus. Der ist oft durchschnittlich. Aber dieser Durchschnittswert ist ganz anders zusammengesetzt als beim "Mainstream", mit großen Ausschlägen in beide Richtungen. Da müsste differenziert hingeschaut werden, um die Betreffenden gezielt zu unterstützen.

    From my youth upwards my spirit walk'd not with the souls of men. (...)
    My joys, my griefs, my passions, and my powers, made me a stranger.

  • Wenn man dort eine Ausbildung gemacht hat, stehen die Chancen schlecht, später einen Job zu bekommen. Es ist allgemein bekannt, dass die Menschen, die dort eine Ausbildung gemacht haben, gewisse Defizite haben. Und solche Leute will sich halt kaum jemand freiwillig ans Bein binden (RW).

    Da hast du leider Recht. Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen.
    Ich habe vor fünf Monaten meine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement in einem BBW abgeschlossen und seitdem zwar einige Vorstellungsgespräche gehabt, aber nur Absagen erhalten.
    Die Abschlussprüfung habe ich mit einer 2+ bestanden. An meinen Noten kann es also eher nicht liegen.
    Ich bin mittlerweile echt frustiert.

  • Der Unterschied zur beschützten Uni ist für mich der, dass eben die Leute, die in ein BBW gehen, eher einfache Berufe anstreben, während der Uni-Absolvent etwas Anspruchsvolles machen will. Bei einer anspruchsvollen Tätigkeit sind auch die Ansprüche der Arbeitgeber nachher höher. Da wird es immer seltsam wirken, wenn man das Studium nur an einer Spezialeinrichtung geschafft hat.

    Davon gehe ich auch aus. Im Vergleich zu regulären Absolventen mit dem gleichen Abschluss dürften die Chancen von Absolventen von Spezial-Universitäten, wenn es sie gäbe, meiner Einschätzung nach noch schlechter sein als die Chancen von BBW-Absolventen im Vergleich zu denen mit regulärer dualer Ausbildung. Bei Menschen mit unsichtbaren Behinderungen erst recht, da lässt sich besonders schwer begreiflich machen, weshalb sie Rücksichtnahmen brauchen.

    Zitat von Shenya

    Es gehört zu einem Akademiker-Beruf halt dazu, dass erwartet wird, dass so jemand intelligent ist und als intelligenter Mensch auch ein Studium schafft. Woran das im Einzelfall gerade bei AS scheitern könnte, das interessiert einen Arbeitgeber, der einen Akademiker einstellen will, wahrscheinlich eher weniger.

    Das denke ich auch, zudem ist es Außenstehenden oft auch schwer zu vermitteln.

    Ich könnte mir vorstellen, dass die Information über Hilfemöglichkeiten noch zu wenig weitergegeben wird von den Unis. Am besten wäre es, wenn jeder, der ein Studium beginnt, von Anfang an über Beratungs- und Hilfemöglichkeiten informiert werden würde. Sodass niemand erst überlegen muss, wohin er sich wenden muss oder was ihm helfen könnte. Ohne Diagnose ist das natürlich viel schwieriger, aber mit Diagnose würde das schon helfen, denke ich.

    Ja. Es kann auch das Selbstbewusstsein stärken und ermöglichen, sich Hilfebedürftigkeit einzugestehen und sich trotzdem für fähig genug zu halten und das entsprechend zu kommunizieren. In meiner Studienzeit gab es eine Beratung für Behinderte, aber da wäre ich nie hingegangen, so habe ich mich nicht gesehen. Es gab aber eine reguläre Studienberatung, eine spezielle Beratung für Auslandsaufenthalte und eine psychologische Studienberatung. Bei den beiden ersten war ich im Studium und fand das überhaupt nicht hilfreich. Ich hatte das Gefühl, man musste schon genau wissen, was man wollte, damit sie einem überhaupt raten konnten. Teilweise waren die Empfehlungen sogar inhaltlich falsch. Zur psychologischen Studienberatung traute ich mich nicht, obwohl ich mal darüber nachdachte. Aus der heutigen Sicht hatte ich auch ein falsches Bild von psychischen Krisen, stellte sie mir viel eindeutiger und spektakulärer vor, als das bei mir der Fall war. Ohne Wissen um Autismus wäre ich seinerzeit dort wohl tatsächlich falsch verstanden worden. Aber auch unabhängig davon erscheint mir die heutige Situation an den Unis anders. Inzwischen treten die psychologischen Beratungsstellen meiner Wahrnehmung nach viel offener auf, sind auf Infoveranstaltungen etc. viel präsenter. es wird gezeigt, dass Krisen zum Leben gehören, sehr viele betreffen und sehr unterschiedlich aussehen können. Da hat sich schon etwas bewegt.

    From my youth upwards my spirit walk'd not with the souls of men. (...)
    My joys, my griefs, my passions, and my powers, made me a stranger.

  • @Leonora
    Ja, so einiges beginnt sich zu bewegen. Nichts desto trotz ist zu bedenken, dass offizielle Behauptungen zu Akzeptanz und Inklusion von Asperger*innen inhaltlich und vor allem auf der zwischenmenschlichen Ebene nicht immer mitgetragen werden und/oder dass individuell notwendiges doch wieder als "sich anstellen" , "sich vor was für alle Unangenehmen drücken wollen" ausgelegt und/oder mit "entweder du lernst es oder du kannst eben nicht" abgetan wird. Auch kann der Generalisierungs-Effekt "andere Asperger können doch auch" zuschlagen/RW.
    Was dann für die Betroffenen zur zusätzlichen Belastung wird.

    Ähnlich wie ja auch bei manchen Diagnostiker*innen Klischees bestehen, wie Asperger*innen sein müssten, damit ihnen geglaubt wird und genau hingesehen wird.

    Ich denke, Vernetzung von Asperger*innen und Austausch zu ihrem Erlebnissen in den jeweiligen Universitäten , Trialogische Gruppen zu Asperger, sowie Peer-Mentoring könnten hier den Pozess beschleunigen, das Klischee-Denken abbauen und "Übersetzungshilfe" leisten.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!